Martin Schwarz, "das andere Ich" und "die Kartei, die Ausufernde und Fragmentarische". (PDF-Datei, 2005)
MARTIN SCHWARZ: "DIE KARTEI, DIE AUSUFERNDE UND FRAGMENTARISCHE"
Die Kartei von 303 Karteikarten zu wirklichen und imaginären Beiträgen in Sammlungen von Museen aller Art, Freilichtsituationen und anderen Ausstellungsorten (erarbeitet von 1970 bis 2003) ist der begleitende Text zur Ausstellung 2003 im Schloss Bartenstein. Im vorliegenden Text sind nicht alle Karteikarten beschrieben, das Alphabet hat es nicht zufällig geordnet, und einiges ist noch unkorrigiert.
Diesen Karteikarten in der Grösse 10.5 x 14.8 cm sind öfters gefaltete Blätter (meistens im Normformat A4) angefügt. Die Kartei ist äusserlich ein unbemalter Holzkasten (einfaches geometrisches Muster als Zier eingeschnitzt ), 14,5 cm hoch, 18 cm breit, und in der Tiefe 38,5 cm, mit Klapp-Deckel, hergestellt aus Massivholz in einer Stärke von 1 cm. Die Karton- und Papierkartei beinhaltet weder Fotografien noch Computerdateien auf CD-ROMs und anderen Datenträgern, nur etliche Verweise auf CD-ROMs und Fotoarchive. Erste Präsentation der Idee in der Ausstellung "Der dritte Ort", im Centre PasquART, Biel, 17.2.1976-7.4.1996: "Wirkliche und imaginäre Beiträge in Sammlungen von Museen aller Art", im Hofratshaus des Schlosses Langenburg beim Hohenloher Kunstverein, dritte Ausstellung im Volxheimer Kunstverein 1998.
(KK. = Karteikarte)
KK.1: "Das Bildnis der Doris Grau", Portrait-Galerie im Treppenaufgang des Schlosses Weikersheim (im Trakt mit der musikalischen Bildungsstätte veranstaltete Martin Schwarz 1992 anlässlich seiner Hochzeit mit Theres Steiner die Ausstellung "5 Kunsttische"). Entgegen allen ersten Vermutungen ist Doris Grau eine selten-liebenswerte Frau. Vielleicht könnte man ihr den kleinen Mangel ankreiden, dass sie sich auch zu sehr liebt. Ihr bezauberndes, wunderschönes Portrait-Bild (Brustportrait in Lebensgrösse, in Öl gemalt, - süss wie von Fragonard oder Boucher) hat jedoch einen unübersehbaren Mangel: Eine der rosa geröteten Wangen ist nur noch eine sehr dünne Farbschicht, durch die die weiss grundierte Leinwand bereits zu sehen ist. Die Ursache: Doris Grau hatte sich im Laufe mehrer Jahre täglich öfters auf dem Bild ihre gemalte Wange geküsst.
KK.2: "Der Geschlossene Holz-Kamm", Kamm-Museum, Mümliswil (Schweiz). (Das Museum besitzt 1500 Gebrauchs- und Zierkämme, sowie zahlreiche Werkzeuge, Maschinen und Dokumente zur Kamm-Macherei im Solothurner Jura). Kammobjekt aus zwei sich spiegelbildlich verschmelzenden Kämmen als Symbol für den Unterschied zwischen einem Gebrauchsgegenstand und einem Kunstobjekt, welches sich präsentiert zur Erkenntnis und zum Verweisen auf die Fragwürdigkeit von einem fremdartigen Ding. Kämme werden allgemein aus natürlichen (Elfenbein, Schildpatt, Holz, Horn) und nicht natürlichem (Celluloid, Hartgummi, Kunststoffmaterialien) Werkstoffen hergestellt. Holzkämme fertigten bereits die alten Ägypter, und handgeschnitzte Holzkämme finden wir noch heute (soweit vorhanden) bei den Naturvölkern, wobei die äussere Form dieser Kämme insofern charakteristisch ist, als die Biegefestigkeit des Holzes nur in der Faserrichtung und deshalb auch nur in der Form eines hochgestellten (bezüglich zur Holzfaserrichtung) Kamms seinen Zweck erfüllen konnte. Das Knistern, das Funkensprühen und "dem Kamm Nachlaufen der Haare" beim Gebrauch nichtnatürlicher Kämme ist bekannt, vielleicht...
KK.3: "Manöver mit Glückssauen", 1982, Glücksschweinmuseum, Bad-Wimpfen. Postkartencollage, abgebildet im Katalog zur Ausstellung "Kunst und Militär", Musée Suisse, Schwyz, Forum der Schweizer Geschichte. Diese Postkartencollage mit Schweinen zeigt bewaffnete Soldaten, welche die Tiere insofern beglücken, als dass die Bedrohung nur manövermässig ist. Bewegt das glückliche Schwein seine Beine oder bewegen die Beine das Schwein ins Glück? Wie weit weiss es etwas von seinem Glück? Für uns lesende Menschen wurde dies im Nachrichtenmagazin "der Spiegel" Nr..... im breiten Spektrum erörtert, zwischen der resignativen Haltung "Glück ist nur die Abwesenheit von Unglück" und dem anderen, gegenseitigen Pol: "Glück ist die Erfahrung der vollen Empfindung im Liebesrausch". Die Liebe und das Glück, so wird auch vermutet, befindet sich zwischen den zwei oben genannten Extremen, und die Pläne für den Bau eines Arche-Noah-Kastens, eingeteilt in Kammern, welche das Wort "LIEBE" umgrenzen, sind für das Schiffsbaumuseum in Hamburg bestimmt. Die sehr grossen Pläne für den Arche-Noah-Kasten waren vorgesehen mit dem selben Auto nach Hamburg zu transportieren wie das erotische Bild, welches nach einer Zeichnung von Gustav Klimt als grosses Bild gemalt wurde für das Erotik-Museum, ebenso in Hamburg. Der Transporteur und meine Sekretärin hatten sich tagelang aufgrund der Frachtbriefe zu Liebe und Erotik in Gespräche vertieft, und haben sich später selbst transportiert, d.h. sie sind zusammen abgereist und haben die beiden Museums-Beiträge zurückgelassen.
KK.4: "Eine Weltkarte zwischen Fantasie und Wirklichkeit", 1977/87, 50 x 70 cm, Offset-Druck in 5 Farben. Kartographisches Museum, Schloss Friedenstein, Gotha. Ein Exemplar soll bald an das Museum als Geschenk abgesendet werden. Aus einem alten Schulatlas wurden die unterschiedlichen Landkarten als Collagematerial herausgetrennt und nicht zusammengehördende Land- und Meeresteile möglichst passend wieder neu zusammen gefügt, in sich fortsetzenden Gebirgsketten und Meeresküstenlinien. So führt der Stiefel von Italien nach Mexiko, die Alpen schmiegen sich an den Busen von Kalifornien; und hält man sich von Indien und China nördlich, so gelangt man nach Frankreich und Budapest.
KK.5: "Rekonstruktion eines verlorenen Gemäldes von Caspar David Friedrich", Museum der Frühromantik, Dresden. Welches Bild rekonstruiert wird, ist noch zu bestimmen. Eventuell ist noch zu bestimmen "Schwan im Schilf", Börsch Supan Nr. 294, C.D. Friedrich: "Das Göttliche ist überall, auch im Sandkorn, da habe ich es einmal im Schilfe dargestellt". Dazu ein Zitat von Augustinus: "Liebe Gott und tue was Du willst".
KK.6: "Rosen für einen Pointilisten", Buchobjekt, 1977/2002, Europa-Rosarium, Sangertshausen.
KK.7: "Aus dem Papierkorb geholte Zeichnungen im Briefumschlag", Müllmuseum, Wallbach am Hochrhein. Der zerfledderte alte Briefumschlag hat eine fehlende Ecke, bei der die gebrauchte Briefmarke für die Kinder herausgerissen wurde, gefüllt ist dieser mit missratenen, aus dem Papierkorb herausgesuchten Zeichnungen.
KK.8: "Krawattenkatzen - schwarz-weiss / weiss-schwarz", (Abteilung mit Darstellungen zum Domestikationsvorgang), Museum für Haustierkunde, Halle. Dem Doppelbild ist ein Plan beigelegt, mit der Überschrift: "Übungen zur Entfaltung der Schizophrenie bei einer Katze" - eine Wegbeschreibung: Zuerst den Weg der Erwartung ein kleines Stück gerade aus begehen, dann ca. 20° nach links, bald ist eine Abzweigung nach rechts in die "Strasse der Wappnung" möglich. Labyrinthartige Wege führen zu einer "Lust-Ecke mit geschlossener Türe", oder über Brücken in "die unbestimmte Tiefe", des Weiteren könnte die Katze mit ungebändigten Willen in einen "Bezirk der grossen Hoffnung" gelangen. Ist die Abzweigung begangen worden, gibt es keine anderen Wege als die beschriebenen. Wird der "Weg der Erwartung" weiter verfolgt, vorbei an einem "räumlichen Modell merkwürdiger Post", hinter einigen quer stehenden Wänden mit einem Kübel der Enttäuschungen (so bezeichnet) konfrontiert. Davor in der Nähe einer "schweren Ecke" mit der Inschrift: "Du darfst nichts vergessen!", befindet sich der "leuchtende Kasten froher Botschaften". Viel mehr ist nicht zugänglich, - es gibt nur noch einen so bezeichneten "IRRTÜMLICHER WEG?" und einen engen, kurvigen "KLEINER AUSWEG" (nach ausserhalb der Planzeichnung).
KK.9: "Gestellte Schriften", Deutsches Buch- und Schriften-Museum, Leipzig. Ein gescheiterter Schriftsteller wird zum erfolgsversprechenden Schausteller. Ein Schriftsteller wollte einen Romanentwurf verbessern und kürzte diesen zu einer Kurzgeschichte, diese wiederum zu einer sehr kurzen Kurzgeschichte, zu einem Gedicht. Immer noch unzufrieden vergrössert er die einzelnen Zeilen, schneidet aus den Zeilen die einzelnen Wörter aus, und nun sind diese leicht gerundeten Schriftzeilen-Zettel auf dem Boden stehend uns zur Schau gestellt.
KK.10: "Meeresgeschichten in Bücherverwandlungen", Museum Neuhaus, Musée Robert, Biel: Passend zu den wunderschönen Bildern der Unterwasserwelt von den Gebrüdern Robert..
KK.11: "Das Surrealisten-Zimmer", vorgesehen "im schrägen Haus", Gradaus. (Es wurde schon mehrfach versucht, ein Modell anzufertigen, mit allem erforderlichen künstlerischen Beiwerk). Im Zimmer befindet sich ein kleines Möbelkästchen mit einer geöffneten Schublade und ermöglicht uns ein Sicht fast hundert Meter tief nach unten in die Erde. Darüber ein Bild mit einer gemalten Kerze, welche doch in der näheren Umgebung Licht und Schatten bewirkt, im Wassertrog ist die Wasseroberfläche wie ein Glas gesprungen. Eine Person verwischt ihr Spiegelbild und langsam, langsam wird dies alles, das Zimmer mit Inhalt von einem in der Ecke stehenden, dröhnenden Staubsauger eingesogen, und beim Luftfilter wird das Zimmer spiegelbildlich wieder ausgestülpt. In dem Zimmer befindet sich ein Notizbuch mit einem Film-Exposée, entstanden im Gespräch zwischen Betti Tiegel, Martin Schwarz und Theo Spinnler, im Jahre 1974, leicht überarbeitet 2002. Realistische Bilder, surrealer Effekt durch (A) Tonverschiebung, (B) Ton-Bild-Effekt. 1. Szene: Mensch betritt ein Haus. Mensch geht durch Räume, verschliesst jede Türe hinter sich. Akustisches Hauptgewicht auf zuschlagen/einschnappen der Türe. Anfangs Übereinstimmung des Bildes und Tones. Plötzlich ertönt das Geräusch des Schliessens verspätet dem Bild. Der Mensch bemerkt das, deutlich gemacht durch eine feine Geste. 2. Szene: Mensch zweifelt sichtlich, ob Vorfall nicht nur eingebildet. Hört plötzlich Schritte, horcht, Türe geht auf. Zweiter Mensch tritt ein, schliesst Türe (akustisch wieder übereinstimmend), reicht erster Mensch einen Gegenstand. Dieser fällt zu Boden, beide Menschen blicken zu Boden, Geräusch des Auffallens erfolgt verspätet. Leichtes Zusammenzucken der beiden Menschen. 3. Szene: Erster Mensch: "Hast Du das gehört?" (Wort "gehört" akustisch verspätet). Leichtes zusammenzucken der beiden Menschen. 4. Szene: Schweigen, Menschen sehen zu Boden. 5. Szene: Erster Mensch hebt eine Scherbe auf, lässt sie fallen und gleichzeitig ist das Geräusch einer zuschlagenden Tür zu hören. 6. Szene: Beide Menschen blicken sich ins Gesicht. Beim Zusammentreffen der Augen wieder Geräusch einer zuschlagenden Tür. Beide blicken zur Tür - Geräusch des aufschlagenden Scherbens. 7. Szene: Menschen verlassen den Raum, öffnen die Türe zu anderem Raum, treten ein, schliessen die Tür nicht. Zweiter Mensch geht zum Fenster (wie um es zu schliessen), streckt die Hand zum Sims und dreht am Radioknopf - Geräusch und sichtliches Flattern der Haare hört sofort auf. Erster Mensch: Aus normalen Verhältnissen kommend, unsicheres Objekt der Umstände, erschrickt... etc. Zweiter Mensch: Ruhig der Situation völlig gewachsen, ja fast bestimmend. 8. Szene: Mensch räumt Büchergestell auf. Ab und zu fällt ein Buch zu Boden. Er hebt es auf und verräumt es. Einmal erfolgt Ton des Aufschlages verspätet, er hebt es verunsichert auf, klappt es auf, sieht Bild einer Frau mit flatternden Haaren. Von jetzt an Handlung in dieser Situation. Mensch mit Buch in der Hand kommt herzu, klappt Buch zu - flattern und Windgeräusch hört auf. Mensch erschrickt, öffnet das Buch wieder und findet neues Bild. Statt Bild Spiegel, Mensch steht vor seinem Spiegelbild. Schluss: Erster Mensch behauptet sich plötzlich in seiner Normalität, lenkt Situation ins Banale, wird Herr der Lage. Zweiter Mensch erschrickt, Nahaufnahme einer Tür, sie schlägt zu - ENDE des Films (akustische Übereinstimmung). 8. Szene: 2. Mensch geht durch Raum zum Wasserhahn, dreht auf. Erster Mensch blickt hin - wird nass. Mensch versucht gleichzeitig mit Akustik zu klopfen. Bringt es nie ganz zur Übereinstimmung. Menschen hören klirren, sehen sich um. Katze kommt, stösst an Geschirr, dieses zerbricht ohne Ton.
KK.12: "Der Betrachter als Bildvollender", Schloss Schattenwurf, Sonnenhalden. Das Bild eines Rauminnern mit vielen Möbeln und Gegenständen. Alle Objekte im Bild haben einen deutlichen Schatten, nur eine lebensgross gemalte Person in Rückenansicht nicht. Tritt ein Ausstellungsbesucher vor das Bild, wird durch einen Scheinwerfer hinter ihm ein Schatten auf das grosse Bild geworfen, und er wird zum Bildvollender.
KK.13: "Pelzfrau in Pelzlandschaft, Katze streichelnd", Kunstkammer auf Schloss Ambras, Innsbruck. Hoffentlich wird das Bild wenigstens als möglicher Besitz im Inventar eingetragen. Pendant zum Oelbild "Haarmensch" (gemalt 1580) von Petrus Gonsalvus aus Teneriffa.
KK.14: "Um Haaresbreite eine Nasenlänge (nach Dürer)", übermalter Farbdruck. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. Es gibt eine Bildinterpretation, die bei einigen Sachverständigen bekannt ist, jedoch ohne einsichtigen Grund dem Bild zugeordnet wurde, und von Martin Schwarz vehement als unzutreffend zurückgewiesen wird.
KK.15: "Das kostbare Eintrittsbillett", (Zeichnung 21 x 30 cm Druckvorlage für die verkleinerte Wiedergabe als Eintritts-Billett). Hermann-Hesse-Museum, Montagnola. Eintrittsbillett mit aufgedrucktem Zitat aus dem Buch "Steppenwolf": Statt eines Eintrittspreises: Der Eintritt kostet den Verstand wie im magischen Theater vom "Deppenwolf".
KK.16: "Rolleisen, oder: Ein sanftes Entgegenkommen an Man Ray", (Objektcollage), Bügeleisen auf Gummirädern. Bügeleisen-Museum im Dorf Nordbroek. Nordbroek liegt 27 km östlich der Stadt Groningen, Holland. Anstelle von einem Katalog wurde von den Museums-Initianten ein Buch veröffentlicht: "Strijken, Streek, Gestreken" (zu Deutsch: "Wir bügeln, wir bügelten, wir haben gebügelt), von G.J. den Besten und L.S.J. den Besten-den Burger, dieses ist inzwischen vergriffen; hier jedoch eine Buchbesprechung, von Vittorio Di Martino, aus dem Journal des "Club der Sammler antiker Bügelgeräte in der Schweiz": Kapitel I und II zeigen das Thema und den geschichtlichen Hintergrund auf, ein schliesslich der Reproduktion eines Marksteins in der Entwicklung der Bügeleisen - dem ältesten holländischen Patent von August 1603. Kapitel III, IV und V beantworten die Fragen "Wie wurde gebügelt", "Wie werden Eisen erwärmt" und "Wie hält man die Griffe kühl?". Wie das Buch aufzeigt, wurden über ein Dutzend einfallsreiche Wege gefunden, um ein Übertragen der Hitze auf den Griff zu verhindern: durch ein Stück Tuch oder eine Holzzwinge; durch Verwendung eines nichtleitenden Materials für den Griff; durch dünnere Stützen, um so den Abstand zwischen Eisenkörper und Griff zu erhöhen; durch Griffe aus einfachen oder durchlöcherten Röhren; durch Erhitzen des Eisens mittels eines eingeführten Bolzens; durch ein Hitzeschild, um die aufsteigende Hitze abzuschirmen... Mehr?
Wir sind jetzt bei Kaptiel VI und den Kohleneisen. Louise und Guus den Besten stellen ein solches Eisen - 1980 an der Elfenbeinküste erworben - als Beispiel für dessen Überleben bis in unsere Zeit vor; überraschend, aber sicherlich keine Seltenheit. Selbst jetzt, nach dem Beginn des 3. Milleniums, werden noch Kohleneisen in vielen Entwicklungsländern hergestellt, in denen die Elektrifizierung noch nicht abgeschlossen oder die Stromkosten für einen Teil der Bevölkerung unbezahlbar sind. Kapitel VII behandelt Eisen mit einer eingeführten Hitzequelle, Kapitel VIII die Flacheisen (Anlegeeisen) und Kapitel IX die kleinen Eisen.
Kapitel X ist ein Abstecher in die Welt der Hilfsmittel für besondere Bügelvorgänge. Es behandelt u.a. Schneidereisen, Reisebügeleisen, Tolleisen, Eikolbeneisen, Pilzeisen, Hut- und Handschuheisen, Kappeneisen, Korsetteisen, Plissier- und Saumeisen. Kapitel XI beschreibt technische Innovationen und das Kapitel XII befasst sich mit Ästhetik und Design von frühen handgefertigten Eisen bis hin zu denen des Art Nouveau zum Ende des 19. Jahrhunderts und den stromlinienförmigen Eisen der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Kapitel XIII beantwortet die Frage des "Woher?", während Kapitel XIV, XV und XVI Accessoires beschreibt, wie z.B. Zugschieber, Untersetzer und Bügelbretter. Die anschliessenden Kapitel gehören den modernen Eisen, ausgefallenen Gegenständen und Geschichten sowie der Dokumentation. Dieses letzte Kapitel bietet eine interessante Aufstellung der Museen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches, besonders jenen Museen in den Niederlanden, einschliesslich desjenigen der Autoren in ihrem Gutshof aus dem 16. Jahrhundert in Groningen, im Norden des Landes.
KK.17
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KK.19
KK.20
KK.21: "Eingerahmtes Halsgrübchen", Schmuckmuseum, Pforzheim. Kleines Goldrähmchen an Kette, welches das Halsgrübchen der Person, die das Schmuckstück trägt, einrahmt..
KK.22: "Bilderrahmen-Rahmenbild", noch ohne Museum.
KK.23: "Das Telefon oder: Dein Mund - mein Ohr, mein Ohr - Dein Mund", Sprechmuschel als Ohr geformt, der Hörer als Mund. Telephonica, das Museum zum Sehen und Hören, Greuterhof Islikon (bei Frauenfeld in der Schweiz).
KK.24: "Gemeinschaftswerk H.R. Giger/Martin Schwarz", Musée Giger, Schloss St. Germain, Gruyères. Eine Beschreibung vom Schloss (die ganze Anlage besteht aus 2 Schlössern, wobei das Museum HR Giger sich im Eingang und im unteren Schloss befindet). Aus dem Buch "Die Burgen und Schlösser der Schweiz", Kanton Freiburg (I. Teil), von Prof. Dr. Heribert Reiners: "Der Stolz des Kantons, bei dem sich landschaftliche Schönheit mit dem Reichtum geschichtlicher Erinnerungen verbinden, ein Stück Vergangenheit, das in solcher Geschlossenheit und solchem landschaftlichem Rahmen im Norden selten wieder zu finden ist, bietet Greyerz eines der schönsten Beispiele der mittelalterlichen Verbindung von Burg und befestigter Stadtanlage. ...um die Mitte des 12. Jahrhunderts begegnet uns als erste sichere geschichtliche Persönlichkeit Rudolf als "comes de Grueres". Seitdem steht das Geschlecht in einer Reihe glanzvoller Gestalten vor uns, bis es mit dem letzten Spross, dem Grafen Michael ein so trauriges Ende nahm. Fast verschwenderisch hat dieser gelebt, hatte sein Geld am Hofe von Paris vergeudet, hatte Kaiser Karl V. auf seinen Reisen begleitet, hatte für König Franz I. gar ein ganzes Regiment von 4000 Mann ausgerüstet, aber dabei seine Mittel bald erschöpft. Und dann fing die Verschuldung an, er verlor nach und nach seinen Besitz und musste schliesslich Burg und Land verlassen".
Ganz am Anfang beim Wiedergeben des Textes steckengeblieben, will ich noch erwähnen, dass 15 Bahnbillette als Fotokopien in der Kartei beigefügt sind: 8 x Winterthur nach Zürich-Oerlikon, 29.10.1984, 4.11.1984, 6.11.1984, 27.11.1984, 4.12.1984, 6.12.1984, 11.12.1984, 2.1.1985. 7 x von Zürich-Oerlikon nach Winterthur, 29.10.1984, 4.11.1984, 20.11.1984, 4.12.1984, 6.12.1984, 11.12.1984, 12.12.1984.
Ein neuerer Text von Martin Schwarz ist der Karteikarte beigefügt: Hansruedi Giger lernte ich 1970 an der Basler Kunstmesse Art 1 kennen. Ich war mit elektronischen Kommunikationsgeräten vertreten. An dem vielleicht ersten Cybr Space-Gerät in der Kunst sprachen wir mittels Mikrophon, Kopfhörer und Spiegelbrille miteinander. Unser Gespräch wurde mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet und als eine unmittelbar zu hörende Gesprächscollage wiedergegeben: 1970 war mir HR Giger als Künstler bereits bekannt durch seine weit verbreiteten Kunstdrucke (Poster). Sie waren in meiner Umgebung in der Hippie-Zeit häufig zu sehen. An Ausstellungen junger Schweizer Kunst begegneten wir uns als Ausstellende öfters. In Köln veranstaltete ich eine vielbeachtete Ausstellung "Giger/Schwarz" mit einem zweiten Teil in der angesehenen Galerie Klein in Bonn. So ergab sich im Gespräch die Idee, dass wir uns an das Malen von Gemeinschaftsbildern wagen könnten. Während dieser erlebnisreichen schönen Zeit mit vielen Gesprächen, erkannten wir auch etliche Gemeinsamkeiten wie die Freude am Wunderbaren, die Beschäftigung mit Schreckensbildern, unsere eigenen Perfektionsansprüche im künstlerischen Schaffen, das uns bedrohende Chaos des schwer zu bewältigenden Alltagsleben, die Abhängigkeiten vom Charme der Frauen, die dauernde Einbildung, wir hätten zu wenig Erfolg, das Nichtkennen von Langeweile, das Verletzlichsein, die Liebe zu Büchern und Katzen".
Bericht zu einer Ausstellung der späten Hippiezeit, von Helmuth Kruschwitz in der Tageszeitung "Der Landbote", Winterthur, 1970. Raumkunst - Martin Schwarz in der Keller-Galerie Winterthur.
"Martin Schwarz ist wohl der erste Winterthurer Künstler, der sich konsequent mit den neusten Kunstströmungen wie Op Art, Minimal Art, Land Art, Conceptual Art auseinandersetzt, die alle ihren Ursprung in Amerika haben, und der es wagt, bewusst auf die herkömmliche Art der künstlerischen Gestaltung zu verzichten, um mit neuen Materialien und neuen Ideen eine Expansion der Künste zu betreiben. Dafür fehlen in Winterthur die Vergleichsmöglichkeiten, um die Qualität und die Originalität seiner künstlerischen Produktion richtig einzuschätzen. Sein Ziel ist es, einen gegebenen Raum durch optische Effekte so zu verändern, dass er das Bewusstsein des im Raum sich befindenen Betrachters verändert. Was wir bei all den neuesten Kunstrichtungen feststellen, trifft auch für Martin Schwarz zu: er will aktiv auf den in seiner Umwelt befangenen Menschen wirken, um sein Bewusstsein zu erweitern und in ihm so ein neuartiges Gefühl von Befreiung zu erwecken. Ob dieses Ziel vermessen ist, darüber streiten sich die Kunstbeflissenen. Doch dürfen wir nicht daran zweifeln, dass Martin Schwarz seine Kunst ernst nimmt. Seine Abkehr von der traditionellen Kunst drückt er schon in den Objekten aus, welche die Beziehung zum Gegenstand versachlichen, weil sie von allen gewohnten, inhaltsgebundenen seelischen Bindungen befreit sind. Die Tastobjekte gar verweisen auf die elementarsten Tatsachen unseres Daseins, deren wir uns nicht mehr bewusst sind. Der vollkommen verdunkelte Raum, den wir zuerst betreten, zeigt wie relativ unsere lichtabhängige Umwelt ist, wie sehr sie für das Auge auf Täuschungen beruht. Die flächigen Elemente an der Wand, die mit Leuchtfarbe bemalt sind, werden wechselweise von verschiedenfarbigem Licht angestrahlt, welches ihre farblichen, teilweise auch ihre formalen Werte - vor allem bei der Ausnützung des Komplementärkontrastes von Rot und Grün - verändert, wodurch Bewegung entsteht. Diese "Lightshow", welche unsere Augen mit Reizen überflutet, verwandelt den statischen in einen kinetischen, zugleich imaginären Raum, der dank seiner Leere nur vom Element des Lichtes erfüllt ist. Die Wände des zweiten Raumes, der als Environment ausgestattet ist, hat Martin Schwarz mit seriell hergestellten Siebdrucken ausgekleidet. Die zellenartigen quadratischen Felder, worin um einen Schwerpunkt konzentrische Kreislinien gezogen sind, bestehen aus den drei Farbkombinationen Schwarz-Weiss, Rot-Schwarz und Rot-Weiss. Das violette Licht der Quarzlampen verwandelt das Weiss in Blau, intensiviert die Leuchtkraft des Rot, während das Schwarz unverändert bleibt. Im Gegensatz zu den Wänden, welche optische Reize aussenden, spricht der mit Ballons bedeckte Boden unser Tastgefühl an, indem er, wenn wir drüberschreiten, die Wirkung der Schwerkraft verfremdet. Die Musik der Winterthurer Gruppe "Mater Pali", welche den Vernissagenbesucher berieselte, bestand aus einer Mischung verschiedenster Instrumentalklänge und Geräusche, welche durch Wortfetzen gelenkt wurden und uns wie das Environment in eine neue, künstlich erzeugte Umwelt versetzte, welche sinnlich und besinnlich auf uns wirkte. Diese illusionäre Welt übt eine magische Anziehungskraft auf die junge Generation aus, welche sich zahlreich zur Vernissage eingefunden hat."
Helmuth Kruschwitz in der Tageszeitung "Der Landbote", Winterthur 1970.
KK.25: "Der Wolkenhase", Deutsches Dampflokomotiv-Museum, Wirsberg bei Neuenmarkt/Ostfranken. Postkarte des EigenArt-Verlages, auf der dokumentiert wird, wie die Kunst des Lokomotivführers darin besteht, "seine" Dampfwolken in Hasenform zu bringen. Zwei weitere Postkarten mit zwei mobilen Immobilien: "Häuser als Lokomotiven auf Bahnschienen".
KK.26: "Das unendliche Nachdenken", Postmuseum, Wien (in Wien wurde die erste offizielle Postkarte herausgegeben). Noch nicht realisierte Postkarte: Auf der Adress- und Frankaturseite der Postkarte steht links der Satz "Der Satz auf der Rückseite ist wahr", auf der Text-Seite der Postkarte steht links der Satz: "Der Satz auf der Rückseite ist falsch". Postmuseum. In der Schweiz gibt es eine verwandte, unendliche Nachdenkproblematik mit dem Kinderreim: "Es isch emal en Maa gsi, dä hät en hohle Zah gha, i dem hohle Zah isch es Druckli gsi, i dem Druckli isch es Zäddeli g'läge, uff dem Zäddeli isch g'stande: Es isch emal en Maa gsi, dä hät en hohle Zah gha, i dem hohle Zah isch es Druckli gsi, i dem Druckli..."
KK.27:
KK.28: "Der Giraffenhund", Hundemuseum, Berlin. Ein Hund mit sehr langem Hals. An diesem ist eine Konstruktion befestigt, die eine Wurst vor seiner Schnauze baumeln lässt, so dass er diese nie schnappen kann. Sinnbild für den Künstler, der nach Erfolg strebt. Dazu ein Nietzsche-Zitat: "Und wie artig weiss die Hündin Sinnlichkeit um ein Stück Geist zu betteln, wenn ihr ein Stück Fleisch versagt wird".
KK.29: "Die handliche Hand", Handmuseum, Wolnzach (Bayern). Der kleine, handliche Katalog wird eventuell später in einer Manufaktur hergestellt, und das Objekt ist dann hoffentlich kurz und kernhaft beschrieben (Fotosequenz eines inoffiziellen Beitrags für die Documenta 11, Kassel).
Aus der Tagespresse, von bbs, zum Handmuseum:
Handfeste Kulturgeschichte. Siebenundzwanzig Knochen, dreiunddreissig Muskeln, entlang von zweiundzwanzig Achsen in sich beweglich, mit 17'000 Fühlkörperchen ausgestattet. Was ist das für ein Wunderding? Die menschliche Hand! Sie formt für jeden Gegenstand den passenden Griff, packt rund fünfundzwanzig Millionen Mal im Laufe eines Lebens zu. Ihr wurde kürzlich ein ganzes Museum im bayrischen Wolnzach gewidmet, das der handfesten Sammelleidenschaft des einheimischen Elektromeisters Norbert Nemetz zu verdanken ist. Dort begreift man, dass die Hand ein Organ ist, das zupacken und sprechen zugleich kann.
In einer ehemaligen Büroetage erlebt der Besucher - vom Münchner Ethnologen Christoph Pinzl auf 250 Quadratmetern museumspädagogisch exzellent aufbereitet - die Jahrtausende alte Geschichte des Sinnesorgans, Werkzeugs und Symbols des Menschen.
Nachdem der Neugierige genauestens über die Anatomie der Hand und über allgemein Wissenswertes oder Amüsantes informiert wurde, führt der Weg in den kulturgeschichtlichen Bereich.
Die Bedeutung der Hand für die Kunst und ihre Rolle in der Kunst werden ebenfalls eindrucksvoll erfahrbar.
Angefangen bei der ältesten "Hand-Kunst" der Welt, den 20'000 Jahre alten steinzeitlichen Handabdrücken in den Höhlen Südfrankreichs, bis zu der Entdeckung der Hand als eigenständiges Thema der Kunst Albrecht Dürers, Leonardo da Vincis und Michelangelos im 16. Jahrhundert reicht das Spektrum.
In unserem Jahrhundert, etwa bei Marcel Duchamp und Yves Klein, wird die Hand zur symbolischen Stellvertreterin der gesamten menschlichen Existenz.
Im Kunstbereich des Museums "Kulturgeschichte der Hand" sind neben Reproduktionen oder Abbildungen thematisch unverzichtbarer Stücke von Alberto Giacometti, August Rodin, Albrecht Dürer, Roy Lichtenstein oder Keith Haring auch einige Originale wie "Onans Hand" von Daniel Spoerri oder eine Hand-Studie von Eduardo Chillida zu entdecken.
Das sicherlich bekannteste Ausstellungsstück ist die goldglänzende "Göttliche Hand" von Salvador Dali.
KK.30: "Der umgekehrte, negative Schirm", Schirm-Museum, Gignese. Realisiert als Siebdruck, 50 x 50 cm, als Geschenk für die passiven Mitglieder/innen der Künstlergruppe Winterthur.
KK.31: "Flugzeug-Vögel nach Segantini", Diese Zeichnung wurde von Martin Schwarz als Vergrösserung auf eine Plache gemalt und in der Winterthurer Altstadt aufgehängt. Segantinis Flugzeugskizze (entdeckt im Segantini-Museum), gezeichnet bevor sich das erste Flugzeug in die Luft erhob, so ungefähr in der Form einer fliegenden, qualmenden Dampflokomotive. Im Segantini-Museum in Maloja existiert eine eingerahmte Zeichnung von Giovanni Segantini. Auf der Rückseite ist ein Zeitungs-Ausschnitt aufgeklebt (Engadiner Presse, 4.4.1970): "Taufe im Hause Segantini. Morgen Sonntag wird im sonnigen Heim von Kunstmaler Gottardo Segantini in Maloja der erste Urenkel von Giovanni Segantini getauft. Es handelt sich um den Knaben Gian Carlo, Sohn von Herrn und Frau Dr. med. Pier Franco Segantini. Als Taufgeschenk wird dem jungen Erdenbürger von seinem Grossvater eine Zeichnung aus der Hand Giovanni Segantinis, entstanden im Jahre 1895, gegeben. Die seltene Originalzeichnung stellt eine phantasievolle Flugzeugskizze des berühmten Urgrossvaters dar. Wir wünschen der Familie Segantini, sowie dem Taufpaten Dr. med. P.R. Berry, einen schönen und freudvollen Tag". Als Flugzeugerfinder ist Segantini völlig verkannt, obwohl seine Flugzeugskizze nachweislich etliche Jahre vor anderen Flugzeugpionieren gezeichnet wurde. In etlichen Lexiken und Schulbüchern ist vermerkt, dass die amerikanischen Gebrüder Wright als erste Motorflieger der Welt gelten können. Andere wiederum weisen nach, dass dieser Verdienst Gustav Weisskopf aus dem Städtchen Leutershausen bei Ansbach (mit dem heutigen Gustav-Weisskopf-Museum) zuzuschreiben ist. Aus Dokumenten kann rekonstruiert werden, dass sich in Pittsburgh Weisskopf alias Whitehead mit einem Louis Darvarich zusammenschloss. Die beiden konstruierten ein Flugzeug mit Dampfantrieb (!), mit dem sie tatsächlich in die Luft kamen. Die Maschine knallte immerhin in der Höhe des 3. Stocks auf ein Haus und ging zu Bruch. Am 14. August 1901 erhob sich Whitehead mit seinem motorgetriebenen Eindecker "No. 21", und schaffte in 10 bis 15 m Höhe eine Flugstrecke von etwa 2 Kilometern. Dieser Flug wurde am selben Tag sogar noch mehrmals wiederholt. Um wieder zu Segantini zurückzukommen: Die Sehnsucht fliegen zu können ist bei Segantini immer wieder in den Briefen zu entdecken. Hier einige Zitate aus dem Buch "Schriften und Briefe", herausgegeben und bearbeitet von seiner 1886 geborenen Tochter Bianca: "Nur soviel ist gewiss, dass die Kunst der Malerei gegenwärtig und für alle Zukunft stets der Geist der Materie und niemals die Materie des Geistes sein wird. Im übrigen haben nicht alle Zweifüssler Flügel. .....Aber all dieses Licht, diese strahlende Sonne, diese Felder, diese Bäume erzeugten in mir eine Freudentrunkenheit die mich emporhob, als ob ich Flügel hätte. .....Ja, das wahre Leben ist ein einziger Traum, der Traum, sich allmählich einem Ideal zu nähern, das möglichst fern, aber hoch ist, hoch bis zum Erlöschen der Materie. Das ist das äusserste Extrem, welches die Freude am Leben in uns erzeugen kann. .....Alle ewigen und lebendigen Dinge sind begrenzt in ihrer Unbegrenztheit. Derjenige, der vom Gipfel eines hohen Berges mitten in den Alpen und im Tal die Strasse sehen kann, wo der Mensch, ein kleiner schwarzer Punkt, seinen Schritt beschleunigt, in einem Tempo, das hundertmal langsamer als das der Ameise scheint, kann die unendliche menschliche Kleinheit und Langsamkeit fühlen und vor Demut zittern. Er kann aber auch vom selben Platze aus, wenn er den Blick zum Horizont erhebt, die riesenhaften Wellen der Erde sehen, die gewaltig und stumm Kreise von ununterbrochenen Ketten bilden, bis dort hinauf, wo sich der Himmel hoch über dem Menschen wölbt, und kann denken, dass er der Mittelpunkt des Weltalls sei. .....Und heute, wo ich im Begriff bin, meine Arbeit zu vollenden, fühle ich, dass Verstand und Herz sich mit neuen Schätzen bereichert haben, und meine Seele, gierig wie ein alter Geizkragen, sehnt sich brennend, zitternd, starren Auges, die ausgebreiteten Flügel flugbereit nach dem Horizont des Geistes, wo die zukünftigen Werke geboren werden, zu erheben. .....Die Materie jedoch muss durch den Geist bearbeitet werden, um zu ewiger Kunst emporzuwachsen. .....Ich strebte immer weiter hinauf in die Höhen. Von den Hügeln ging ich zu den Bergen unter die Bauern, die Hirten, zu den Bewohnern des Hochgebirges, zu ihren Hütten und Ländereien. .....Aufwärts, junger Dichterfreund, alles ruft Sie. Die Menge da unten geht teilnahmslos vorüber und blickt nicht hinauf. Uns gehört der Duft der Rosen und der Gedanke, der sich frei macht, nach oben drängt und sich mit Schönheit umgibt, die Natur dem gewährt, der ihr all seine wahre, tiefe und leidenschaftliche Liebe schenkt. P.S.: "Die Kunst ist die Liebe in Schönheit gehüllt. "Giovanni Segantini starb in den Bergen, fast 3000 m hoch. Auf seinem Grabstein in Maloja im Engadin, steht "Arte ed amore vincono il tempo" - "Die Kunst und die Liebe besiegen die Zeit". Segantini hat in dem Bild "die Strafe der Wollüstigen" oder "Das Nirwana der Wollüstigen"/Nr. 314 ein Bild vom Vergehen im NICHTS gemacht. "Es wurde inspiriert von dem indischen Gedicht "Pangiavahli": "... Dort oben, in den unendlichen Räumen des Himmels strahlt Nirvana dort, hinter den strengen Bergen mit grauen Zacken scheint Nirwana.
KK.32: "Foto der Diaprojektion des umnachteten Nietzsche auf die Hausfassade", Sils-Maria, Nach einer Zeichnung von Hans Olde, Geschenk an das Nietzsche-Haus.
KK.33:
KK.34:
KK.35: "Der Haarhut", Friseurmuseum, Wassertrüdingen, (Sammlung Schwarzkopf). Eine Wahrheit des Paradoxen. Das zu Schützende als Schutzmaterial. Herstellungsanweisung: Aus menschlichen Haaren wird am Kopf ein Hut geformt, in dem das Haar mit flüssigem Haarfestiger durchkämmt und das Haar mit einer Schere in eine Hutform geschnitten wird. Die Frisur ist anschliessend mit einem wasserunlöslichen Lack zu überziehen.
KK.36:
KK.37: "Gehirnströme", 1989, 36,5 x 26 x 13 cm, Buchobjekt aus Radioröhren mit Acryl und Silberfarbe bemalt, Radiomuseum Waldbronn-Reichenbach, Baden-Württemberg. Erste Beilage: Wunsch-Radio-Depeschen: Eine etwas unklare Äusserung meiner 9-jährigen Tochter, die helfen will, die beiden kleinen männlichen Ratten ihres Bruders an Mann, Kind oder Frau zu bringen: "Wir könnten doch ein Inserat machen: Junge Ratten gratis zu verkaufen!". Ordnungshalber am besten nach einer Durchsage "Neue Antiquitäten eingetroffen". Zweite Beilage: aus "Der grüne Heinrich" von Gottfried Keller: "So sah ich den Kreislauf des Blutes gleich in Gestalt eines prächtigen Purpurstromes, an welchem wie ein bleiches Schemen das weissgraue Nervenwesen sass, eine gespenstische Gestalt, die in den Mantel ihrer Gewebe gehüllt, begierig trank und schlürfte und die Kraft gewann, sich proteusartig in alle Sinne zu verwandeln. Oder ich sah die Millionen sphärischer Körper, welche ebenso ungezählt und dem blossen Auge ebenso unsichtbar wie die Heerscharen der Himmelskörper, das Blut bilden, durch tausend Kanäle dahinstürmen und auf Ihren Fluten unaufhörlich die Blitze des Nervenlebens einherfahren in Zeiträumen, die im Auge der Weltordnung ebenso lange oder so kurz sind wie diejenigen, welche der Sterne zu ihrer Wanderschaft und Geschickserfüllung bedürfen. Auch die Wiederholung der ungeheuren Vielzahl und Zusammengesetztheit der ganzen kosmischen Natur in jedem einzelnen hinfälligen Schädelrunde dehnte sich mir zu der ungeheuerlichen Vorstellung aus, als ob ein monadenkleines Forscherlein tief im Gehirne sitzen und ebenso leicht sein Fernrohr durch freie Räume richten könnte wie der Astronom das seine durch den Weltäther, trotz aller scheinbaren Dichtigkeit der Materie im ersteren Rundgebiete; ja vielleicht sei das Oszillieren der Nervenmasse des Gehirns nichts anderes als das wirkliche Wandern der Gedanken- oder Begriffskörperchen durch die Räume der Hemisphären, und was dergleichen Spässe mehr waren".
KK.38: "Das magische Matterhorn", Bergsteigermuseum, Zermatt. Vereinzelte Postkarten mit dem Matterhorn auf einer Weltreise. Zu sehen auch im Internet www.pixelshine.com.
KK.39:
KK.40:
KK.41: "Herr Hammer, der Befestiger", Hammer-Kunstkammer von Frau Dr. Brigitte Hammer, Berlin (nach René Magritte), 2002: Acryl auf Farbdruck. Die Bildervariation nach René Magritte mit einem reisenden Mann (Herr Hammer?), der Ideen befestigt, und diese in einer künstlerischen Form realisiert? In der Hammer-Kunstkammer-Sammlung befinden sich noch nicht gezählte Hammerobjekte, z.B. gibt es einen "süssen Hammer", ein Stück Würfelzucker auf Karton geklebt mit gezeichnetem Hammerstiel und der Widmung von Sigmar Polke: "Herzlich für Brigitte dem süssen Hammer vom Kunstverein Köln."
KK.42: "Der zusammengeleimte Krug", Kleistgedenkstätte, Frankfurt an der Oder. Auch nach genaueren Untersuchungen lässt sich Herkunft und Alter von dem mit Leim rekonstruierten Krug nicht bestimmen.
KK.43: "Gebrauchseisenwarenschmuckstück", Schrauben- und Gewindemuseum, Würth, Künzelsau-Gaisbach. Rundumgeschlossenes Gewinde mit sehr lockerer (damit diese drehbar ist) Sechskantschraube. Konzept für eine Edition als Schmuckstück.
KK.44: "Zwei schöne Rechnungen", Arithmeum, Bonn. Das Museum beherbergt eine Dauer-Ausstellung: "Rechnen einst und heute: Symbiose von Wissenschaft und Kunst."
KK.45: "Beschreibung zur Herstellung eines Geduldspiels". Das "Syrische Herzspiel" ist zwar leicht herzustellen, aber schwer zu lösen. Zuerst biegt man aus starkem Draht eine Herzschleife. Die in der Herzspitze auslaufenden Drahtenden werden miteinander verdreht oder verlötet. Durch das Herz wird ein gerader Draht gesteckt, dessen Enden zu grossen Ringen umgebogen werden. Ein weiterer, rechteckig gebogener Draht umschliesst zu beiden Seiten des Drahtherzens den geraden Draht mit zwei kleinen Ringösen, die kleiner sein müssen als die des geraden Drahtes, damit sie nicht durch dessen Ösen hindurchgehen. Wie die Aufgabe, das Herz zu befreien, zu lösen ist: die grosse Einbiegung des Herzens wird durch die kleine Ringöse des Drahtbügels geschoben, das Ringende des geraden Drahtstückes zurückgezogen und die Herzeinbiegung um das Ringende herumgeführt, bis sich das Herz befreien lässt. Das Zusammenlöten der Drahtenden empfiehlt sich übrigens nicht nur für die Herzform, sondern auch für alle anderen Drahtspielformen, weil diese dadurch dauerhafter werden und nicht so leicht verbogen werden können. Es sei noch bemerkt, dass die Lösung der Drahtspielaufgabe ohne Anwendung von Kraft durchgeführt werden muss, die Formen also nicht mit Gewalt verbogen werden dürfen.
KK.47; "Kuhhorntasche und das Rundeinhorn", Scherzhafter Kommentar vom Fürst zu Hohenlohe-Bartenstein: "Aber so etwas kann es nur in der Schweiz geben."
KK.46: "Das Holzherz", ca. 1990. Fundstück Wurzelteil, das zwischen Steinen ausgebaggert wurde. Rot eingefärbt, in schwarzem Koffer mit Silberbeschlägen, im Deckel zwei gerollte und ebenfalls rotgefärbte Zeitungsartikel über Herztransplantationen. Zusätzlich zu den oben stehenden Vermerken zum "Holzherz" ist noch ein Verweis auf zwei fast identische Fotografien Nr. 18 und Nr. 19 im kleinen Waldbüchlein (in der Kunstkammer-Bibliothek) beigefügt und ebenso ein zu den Fotografien gehörender Zeitungsauschnitt aus dem Tages-Anzeiger Zürich, Dienstag, 19. November 1991: "Aus Tannzapfen wurden Penisse". Für Lachen und Aufregung hat ein Migros-Schokoladeangebot für die Weihnachtszeit gesorgt. Aus "Tannzapfen gefüllt" wurden in der französischen Übersetzung "Pines de Noël fourrées", was etwa "gefüllte Penisse" bedeutet. Tannzapfen heissen auf französisch pives. Ein falsch gesetzter Buchstabe führte somit zur peinlichen Verwechslung.
KK.48: "Das offene Geheimnis", Schachtelobjekt, 2003:
KK.49: "Katzenmalerei mit Kindern", Parkhaus des Theaters am Stadtgarten, Winterthur.
KK.50: "Fingerhüte", Fingerhutmuseum, Creglingen. 5 verkleinerte Kopfhüte als Fingerhüte auf eine gespreizte Hand aufgesetzt.
KK.51: "Kinetische Struktur", 1969/72, Acryl-Glas, Serigraphie auf kunststoffbeschichtetem Holz, 180 x 720 cm, Forschungszentrum der Brown Boveri, Baden (Schweiz).
KK.52: "Das unbewusst gemalte Bild", Museum für das Unbewusstsein, Michelsberg (Namibia), Kurator: Ben Patterson. An meinen Füssen werden verschiedene Zeichenstifte befestigt. Während des Schlafes werden die Fussbewegungen auf eine Malfläche am Fussende des Bettes gezeichnet.
KK.53: "Milchoase", Trützschlers Milchmuseum. Postkartencollage, Riesenkuheuter in Sandwüste. Eine im EigenArt-Verlag erschienene Postkarte zeigt in einer weiten Sandwüste ein riesiges, ca. 20 m hohes Kuheuter zwischen Dünen, die Zitzen ragen in die Luft. Der Collage ist in der Kartei noch etwas Kuhmässiges beigelegt, ein zweimal gefaltetes A4-Blatt mit einem "Konzept für eine bemalte Kuh in Peking": Auf das Fell einer lebenden, normal-braunen Schweizer Kuh wird mit weisser Farbe ein Text in Pinselschrift aufgetragen. Der Text ist eine philosophisch-wissenschaftliche Abhandlung zur Wahrnehmung des Tieres. Die Buchstaben und die Zeilen der Schrift sind fast ohne Abstand aneinander gereiht, so dass die Kuh eine Schrift-Fell-Struktur erhält. In China wird, wegen der auf eine andere Art geformten Schriftzeichen, das Schriftbild noch eher als Struktur gesehen. So ist der Betrachter selbst in der Wahrnehmung zwischen Erkennen und Nicht-Erkennen. Für die Kuh-Beschriftung wurde ein Text von Georges Bataille gewählt: "Nichts, um die Wahrheit zu sagen, ist uns verschlossener als das animalische Leben, aus dem wir hervorgegangen sind. Nichts ist unserem Denken fremder als die Erde inmitten des schweigenden Universums, ohne den Sinn, den der Mensch den Dingen gibt, doch auch ohne die Sinnlosigkeit der Dinge in dem Moment, wo wir versuchen, uns ein Bild von ihnen zu machen ohne ein sie reflektierendes Bewusstsein. Aber nie ist das Erscheinen eines Dinges anders begreiflich als in einem Bewusstsein, das an die Stelle des meinen getreten ist, wenn das meine verschwunden ist. Das ist eine grobschlächtige Wahrheit, aber das animalische Leben, auf halbem Wege zu unserem Bewusstsein stehend, gibt uns ein schwerer lastendes Rätsel auf. Wollten wir uns das Universum ohne den Menschen vorstellen, ein Universum, wo einzig der Blick des Tieres sich vor den Dingen öffnete, könnten wir, weil das Tier weder ein Mensch noch ein Ding ist, nur ein Sehen in uns hervorrufen, in dem wir nichts sehen, da der Gegenstand dieses Sehens ein Gleiten ist, das von den Dingen, die keinen Sinn haben, solange sie allein sind, übergeht zu einer von Sinn erfüllten Welt, eingebracht durch den Menschen, der jedem Ding erst seinen Sinn verleiht."
Zweite (Milch)Beilage: Den Rahm von der Milch abschöpfen ist eine mühselige Arbeit, besonders wenn dies in vielen Litern geschehen soll.
Zwei Männer (Herr De Laval, Herr Lefeldt) machten sich auf den Weg in die Wüste, um möglichst ungestört das Absahnproblem auf vernünftige Weise lösen zu können, denn auch die bekannten Milch-Separations-Zentrifugen haben immer noch den Nachteil, dass die Magermilch in bestimmten, wenn auch längeren zeitlichen Zwischenräumen herausgelassen und deswegen die Zentrifuge zum Stillstande gebracht, also die Arbeit unterbrochen werden musste. An einem windstillen Tag, in der weiten Wüste, sah Herr De Laval in seiner gedanklichen Eingebung nun eine Möglichkeit, diese in der Praxis der Molkereibetriebe ausschlaggebende Schwierigkeit zu überwinden, und zwar dadurch, dass er die Magermilch durch ein gebogenes Rohr von der Peripherie nach oben abführte und dort austreten liess, während der Rahm durch eine zweite Öffnung abgeleitet wurde. Durch Veränderung der Grösse der Abflussöffnung für die Magermilch wurde der Grad der Scheidung derselben vom Rahm vollständig regulierbar. Diese wesentlichen Vorzüge dieser äusserlich kaum als Erfindung erscheinende, und doch allen Anforderungen genügende Mittel muss hier doch noch genauer erklärt werden, und die Zentrifugenmaschine (Milchseparator) gänzlicher beschrieben werden (nicht in den Wüstensand geschrieben!). Der wirksame bewegte Teil des Separators, die Zentrifugentrommel, besteht aus einem zwiebel- oder birnenförmigen Gefässe, welches in seiner unteren Hälfte von einem eisernen Mantel umgeben ist, welcher auf einem starken Gestell ruht, d.h. befestigt ist. Die obere Hälfte der Trommel wird von zwei ineinander passenden ringförmigen Blechgefässen mit je einem Ausflussrohr und einem runden Deckel umgeben, welche zusammen zwei Auffangmäntel, den unteren für die Magermilch und den oberen für den Rahm, bilden. Die Milch fliesst und fliesst kontinuierlich aus einem erhöht stehenden Vorratsgefäss in die enorm rasch sich drehende Trommel (ca. 6'000 Touren pro Minute) und ist gezwungen durch eine querstehende Trennwand die Bewegung aufzunehmen. Die Milch scheidet sich allmählich nach dem spezifischen Gewicht ihrer Bestandteile: die leichteren Rahm- oder Butterfett-Kügelchen und der schwereren Milchflüssigkeit oder Magermilch, indem letztere in Folge der Zentrifugenkraft sich möglichst weit fort vom Zentrum der Trommel an die Peripherie begibt. Nun zur genaueren Beschreibung der Wüsten-Eingebung und deren entscheidendem Detail: Durch das Rohr wird die Magermilch abgefangen, emporgeführt und durch die Öffnung, welche durch eine in sie hineinragende Stellschraube beliebig verengt werden kann, auf den unteren Auffangmantel geworfen, von wo sie durch das seitliche Ausflussrohr in ein untergestelltes Gefäss abfliesst. Der leichtere Rahm, welcher die innere Schicht der hohlen Flüssigkeitssäule bildet, wird durch eine Öffnung über den Rand der Trommel in den oberen Auffangmantel ausgeworfen und fliesst durch dessen Abflussrohr gesondert in ein untergestelltes zweites Gefäss für Rahm. Durch die auf den ersten Blick ganz unbedeutend erscheinende Regulierbarkeit der Abflussöffnung für Magermilch wird zugleich eine leichte und zuverlässige Regulierung der produzierten Qualitäten von Rahm und Magermilch erzielt. Verengt man die Abflussöffnung, so erhält man weniger Magermilch und mehr, jedoch fettärmeren Rahm, vergrössert man sie, so erhält man mehr Magermilch und weniger, aber fetteren Rahm. P.S.: Jeder der zwei Männer trägt eine Beschreibung auf sich. Herr de Laval: Ein "Milchmädchen" von Heine: "Ich war die letzte Zeit nicht aus dem Pandektenstall herausgekommen, römische Kasuisten hatten mir den Geist wie mit einem grauen Spinnweg überzogen, mein Herz war eingeklemmt zwischen den eisernen Paragraphen selbstsüchtiger Rechtssysteme, beständig klang es mir noch in den Ohren wie "Tribonian, Jusinian, Hermogenian und Dummerjahn".... Auf der Landstrasse fing es an lebendig zu werden. Milchmädchen zogen vorüber, auch Eseltreiber mit ihren grauen Zöglingen".
Herr Lefeldt: Das Milchmädchen bei Christoph Martin Wieland aus dem Buch: "Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva: "Er ging also in die Hütte hinein, fand aber niemand darin als ein junges Milchmädchen in einem schneeweissen Leibchen und Unterrocke. Sie war eben im Begriff, etliche Ziegen zu melken, die an einer diamantnen Krippe angebunden standen. Der Melkkübel, den sie in ihrer schönen Hand hielt, war aus einem einzigen Rubin gemacht, und statt des Strohes war der Stall mit lauter Jasmin- und Pomeranzenblüten bestreut. Alles das war bewundernswürdig genug; allein der Prinz bemerkte es kaum, so sehr hatte ihn die Schönheit des Milchmädchens geblendet. In der Tat Venus, in dem Augenblicke da sie von den Zefyrn ans Gestade von Pafos getragen wurde, oder die junge Heben, wenn sie halb aufgeschürzt den Göttern Nektar einschenkt, waren weder schöner noch reizender als dieses Mädchen. Ihre Wangen beschämten die frischesten Rosen, und die Perlenschnuren, womit ihre Arme und ihre kleinen netten Füsschen umwunden waren, schienen bloss da zu seyn um die blendende Weise derselben zu erhöhen. Nichts konnte zierlicher und reizender seyn als ihre Gesichtszüge und ihr Lächeln; über ihr ganzes Wesen war ein Ausdruck von Zärtlichkeit und Unschuld verbreitet, und ihre kleinsten Bewegungen hatten den nahmenlosen Reiz, dem die Herzen beym ersten Anblick entgegen fliegen".
KK.54: "Der Zeppelin-Fisch", Zeppelin-Museum, Friedrichshafen. Ein Zeppelin in Form eines Fisches, die Aussenhaut mit irisierendem Fischschuppen-Muster.
KK.55: "Ordner für Ungeordnetes" für das grosse Archiv. Die Relativität von Problemen (2. Mai 1991). Mir fehlt ein Bankkontoauszug für die Steuererklärung. Durch die Radio-Nachrichten habe ich erfahren, dass in Bangla Desh ca. 15000 Menschen ertrunken sein sollen.
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KK.63: "Eine ruhmlose und zufriedene Arbeit", ca. 1980, Wandmalerei im Hallenbad Winterthur. Eine ruhmlose und zufriedene Arbeit. Ein Arbeitsbericht: Am Rande der Kunst wollte ich mein notwendiges Geld lieber mit einem "ehrlichen", sauberen Handwerk verdienen. So habe ich in monatelanger Arbeit im Hallenbad Winterthur farbige Punkte an die Wand gemalt, deren Verteilung ich vorher entworfen, und die Farbwirkung mittels Studien festgelegt hatte. Dafür wurde mir 7700 Franken vergütet. Diese Summe, welche viele Künstler für eine einzige schnell hingeworfene Spontaneität bekommen, wog mehr in meiner Not des Augenblickes, als wenn reiche Bildherhändler grössere Summen für eine unsichere Laune ihres zweifelnden Urteils hingeben. Mein sogenannter künstlerischer Schmuck besteht aus mehr oder weniger gleichmässigen, verteilten Farbpunkten, die, ähnlich einem Farbensehtest, dem Betrachter eine Begegnung mit seiner eigenen Wahrnehmungsbeschaffenheit ermöglicht. Das Malen war die unterste Ordnung von Arbeit, wo dieselbe ohne Nachdenken und Berufsehre und ohne jeglichen andern Anspruch, als denjeniger auf augenblickliche Lebensfristung, vor sich geht; wo der auf der Strasse daherziehende Wanderer die Schaufel ergreift, sich in die Reihe stellt und an selbiger Strasse mitschaufelt, solange es ihm gefällt und das Bedürfnis ihn treibt. Unablässig malte ich die runden Punkte, rasch und doch vorsichtig, ohne Schmieren zu machen, und ohne einen Augenblick durch Unschlüssigkeit oder Träumerei zu verlieren, und während sich die zu bemalende Fläche unaufhörlich füllte, wusste ich doch jeden Augenblich, was ich geleistet, denn jeder Punkt hatte seinen bestimmten Wert, und dass ich mit meiner gelingenden Fertigkeit der Auszahlung meines wohlverdienten Lohnes näher kam. Dieser wurde nur dadurch geschmälert, dass zwei schwarzarbeitende, weniggeförderte junge Künstlerfreunde, Emil und Sabine, ihren Teil bekamen und die Spezialfarbe teuer war. Manchmal hatte das Hallenbad gewaltigen Zulauf und war gefüllt mit lärmendem Leben. Ich aber malte unverdrossen weiter und setzte eifrig meine ruhmlose und zufriedene Arbeit fort.
KK.64: "Harmonische Gesprächsnotizen", Harmonika-Museum, Trossingen. Wortspielbeitrag mit Monika im Restaurant Harmonie, in Winterthur.
KK.65: "Der Tintenlöscher von Goethe", Goethe-Museum, Weimar. Als er den "Faust" schrieb: Kleckse haben die Form von dämonischen Silhouetten. "Unselige Gespenster! / So behandelt ihr zu Tausend Malen / das menschliche Geschlecht, / Gleichgült'ge Tage selbst verwandelt ihr in garstigem Wirrwarr netzumstrickter Qualen. / Dämonen, weiss ich, wird man schwerlich los, / Das geistig strenge Band ist nicht zu trennen, / Doch deine Macht, o Sorge, schleichend gross, / Ich werde Sie nicht anerkennen."
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KK.76: "Ein Zuckerbrot", Bäcker- und Zuckerbäckermuseum, Kraichtal-Gochsheim. Einfache Wahrheit: Mit dem Betrachten vom Wort "Brot" wirst Du nie satt. Wohl aus Versehen ist noch das folgende Rezept ins Museum gelangt: "Winterthurer-Sommersuppe" für 4-5 Personen. Rezept: 1_ Liter Gemüsebouillon in 2 Hälften teilen. Die einen 7_ dl im Tiefgefrierfach zu Eiswürfeln werden lassen. Die anderen 7_ dl aufkochen, in eine Schüssel geben und mit den Eiswürfeln servieren.
KK.77: "Steinbrot", Gefundener Stein, leicht bemalt, integriert in die Martinswand in Basel , Oberer Rheinweg 33. Zitat aus der Eröffnungsrede von Peter André Bloch, vom 20. Juni 2002: "Die Frage nach der Wirklichkeit von Wirklichkeit spiegelt sich anschaulich in der Martins-Wand, in deren Mauerwerk eigentlich mittelalterliche Wirklichkeit aufscheint, die Martin indes mehr und mehr, je höher man steigt, ins Künstliche verändert: Steine übermalt, erfindet, neu gestaltet, so dass man fast nicht mehr sagen kann: was echt, was Täuschung, was Spiel ist? Vor dieser Vielfalt wird diese Frage selbst zur Absurdität. Wirklichkeit ist das, wofür man sie hält; nichts Definitives, sondern etwas sich vorzu Veränderndes. Wirklichkeit wird zur Erfindung, der Anfang zum Ende, das Ende zum Beginn."
KK.78: "Der Klosterfriedhof im Schnee": Ein Bildfragment nach C.D. Friedrich. Collagentext mit Zitaten von C.D. Friedrich: Ich, Schreiber dieser Zeilen, bin Zeuge der Entdeckung des wiedergefundenen Werkes und kann nicht zugeben, dass das, was in Heuchelei und Lüge besteht, das Wahre sein kann, so wenig er der früheren Zeit das Wort reden mag, mithin wird auch dieses zugrunde gehen. Dennoch erhellt die Gegenwart die Vorzeit. Ungewiss ist alles Wissen, doch nur, so auch die Geschichte der Erhaltung des ruinösen, fast vollständig zerstörten Bildes im Dunkeln liegt, wie der Tod uns ewig ein Geheimnis bleibt. Die Erkenntnis danach wird geleitet vom Lichte in die Dämmerung, von der Dämmerung weiter in die Dunkelheit, von der Dunkelheit noch weiter in die Finsternis. Zu dem Bild sind mir nur die bruchstückhaften Äusserungen eines Sterbenden bekannt, der selbst nur noch als Ruine unter doppelten Ruinen lebte, indem die Zerstörung sich vollendete, und als ehemaliger Besitzer nicht genannt sein will. Hier sollte ich meinen, müsste bei einiger Einbildungskraft und Erhebung des Geistes das Erkennen nicht so schwer sein. Ich habe mir seine Gedanken, welcher er als sein Vermächtnis zu dem Bild betrachtet, notiert, soweit ich ihm folgen konnte, denn der arme Teufel mühte sich vergebens ab, sich zu erhalten. Nichtsdestotrotz hätte sein letztes Wort sein können: um ewig einst zu leben, muss man sich oft dem Tod ergeben. Er fragte sich: wenn es denkbar wäre, einen Menschen leiblich und geistig chemisch zu zersetzen, oder aufzulösen in breiartiger Flüssigkeit, was würde dann der Bodensatz von uns sein? Ich meine so wie er, dass der Eingeweihte mag tiefer sehen und den Grund des Wechsels der Dinge erkennen. Er war nicht tot zur Welt gekommen, dessen ungeachtet spukte er einmal recht als Verstorbener in die Gegenwart herüber und meinte: der Maler soll nicht bloss malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. - Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den Spanischen Wänden gleich, hinter denen man nur Kranke oder gar Tote erwartet, und sind auch die Bilder mit viel Sauberkeit und technischer Fertigkeit gemalt; diese erscheinen einer geschmückten Leiche nicht unähnlich. Aber spottet nicht! - denn diese Maler haben mehr Verstand in ihren Fingerspitzen als ihr Herren alle -, freilich nur in den Fingerspitzen, im übrigen sind die Kerle hohl, sie wollen einen Felsen im Meer darstellen und es wird ein Stein im Wasser daraus, besser sie hätten Flügel der Morgenröte, sie flögen bis am äussersten Rande des Meeres. Ich fragte den Bewahrer der Bildruine: Kann dich denn nie die Langeweile plagen? Stets sieht man dich allein. Er antwortete: Um nicht von der Langeweile geplagt zu sein, halt ich mich fern von euch allein. Er spielte nicht alle Trümpfe im Schatten schon aus, und im Gegensatz zu anderen kannte er die Redensart: es ist ein Unterschied zwischen Tag und Nacht, denn die Nacht darf nie Tag werden, und zwischen Ahnung und bestimmter Gewissheit ist noch ein Mittelding. Dies zeigt, er war kein lustiger Trotzkopf, der durchaus nicht glauben wollte, dass schwarz weiss sei. Des weiteren meinte er: die Kunst mag ein Spiel sein, aber sie ist ein ernstes Spiel, dasjenige, welches insgeheim geschieht, bei verschlossenen Türen und verhängten Fenstern, denn nur wer das Innere durchschauet und in Verborgene siehet, richtet recht. Denn so förderst du zutage, was im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke, auf andere von aussen nach innen. Aber beim Erkennen möchte ich erinnern, dass ich auch nicht weitergehen kann als meine Kräfte reichen -, tadle dies nicht, ich möchte nur daran erinnern. Dies alles, was er meinte, kann man sehen mit Kunstbrillen oder anderen Grillen, wie eine Landschaft durch schwarzes Glas gesehen.
KK.79: "Der Antischutz", (Hutobjekt), 1982, Schädelfragment mit bemaltem Hutrand, Acrylfarbe, Holzsockel. Sammlung Kunstmuseum Winterthur. Dazu begleitend ein Textblatt: Martin Schwarz, Das grosse Los, oder es ist unglaublich mit abwegigen, wissenschaftlichen Gedanken. Damit wir Menschen, also auch jeder einzelne von uns, uns an unserem lebendigen Dasein auf der Welt erfreuen oder leiden können, muss ein unumgängliches Ereignis stattgefunden haben, welches wir die menschliche Befruchtung nennen, die Verbindung der einen mütterlichen Eizelle mit dem einen väterlichen Spermium. Bei dieser Befruchtung ist es nur ein einziges von mindestens 100'000 vorhandenen Spermien, welches die individuelle Menschbildung ermöglicht. Wenn es dieses Eine nicht gewesen wäre, sondern ein anderes in dieser erstaunlich grossen Menge, so wäre es nicht Ich oder Du, sondern eine unserer vielen nicht lebenden Brüder oder Schwestern, denn kein Spermium ist dem andern gleich. Haben wir das "grosse Los" zugeeignet bekommen?
Die mathematische Wahrscheinlichkeit, dass Du und ich einmal leben werden, stand bei dieser Zeugung mindestens 100'000 zu 1 gegen jeden von uns. Diese ungünstige Voraussetzung zur Ermöglichung unseres Lebens ist eigentlich schon unvorstellbar, und das umso mehr, je genauer wir die Rechnung aufstellen und zur einen Erzeugergeneration jeweils die vorhergehenden mit einbeziehen, denn ohne unsere Eltern, Grosseltern, Urgrosseltern usw. hätten wir keinen Zugang zum Leben.
Es ist, wissenschaftlich gedacht und mathematisch gerechnet, so gut wie ausgeschlossen, dass wir leben! Dennoch kennen wir nie und nimmer das Andere, das eigene Nichtsein, sondern, soweit wir denken können, ausschliesslich das eigene Dasein.
Die schicksalhafte Wahrscheinlichkeitsrechnung zu meiner (und auch Deiner) Menschwerdung:
Ich = 1 : 100'000 = 0,00001%. 1. Generation: 0,0000000001% (Eltern). 2. Generation: 0,000000000000001% (Grosseltern). 3. Generation: 0,00000000000000000001% (Urgrosseltern). 4. Generation: 0,0000000000000000000000001%. 5. Generation: 0,000000000000000000000000000001%. 6. Generation: 0,00000000000000000000000000000000001%, usw. pro Generation vier NULLEN mehr nach dem Komma.
KK.80: "Imagination des Heiligen" Diözesanmuseum, Rottenburg.
Einfache geometrische, strahlenförmige Zeichnungen, in der in der Mitte ein Rechteck ausgespart wurde. Dieses Rechteck ist nun zu sehen, obwohl es nicht gezeichnet wurde.
KK.81: "Positiv-Negativ-Buch", Gutenbergmuseum, Mainz. Das Positiv-Negativ-Buch, das sich beim zuklappen ineinander fügt. Die Formen sind auf der linken Seite erhöht, und auf der rechten Seite vertieft.
KK.82:
KK.83:
KK.84:
KK.85:
KK.86:
KK.87:
KK.88:
KK.89:
KK.90:
KK.91:
KK.92:
KK.93:
KK.94:
KK.95:
KK.96:
KK.97:
KK.98:
KK.99:
KK.100:
KK.101: "Das lebendige Muschelgehäuse", Muschelmuseum, Heringsdorf. Eine Muschel am Ohr, so sagt man, lässt uns das Meer rauschen hören. Muscheln im Buch erzählen eine Meeresgeschichte. Auf eine andere Weise hat Nietzsche von Muscheln erzählt: "Ja, meine Gräten, Muscheln und Stachelblätter sollen Heuchlern die Nasen kitzeln!" Die beigelegte Abbildung vom Buchobjekt Stachelmuschelbuch", ausgestellt im Nietzsche-Haus, Sils-Maria.
KK.102: "Die fortgesetze Erklärung nach Magritte", 1998, Bananen-Museum. Karottenmöhrenflasche von René Magritte, Bananenflasche von Martin Schwarz. Acryl auf Farbdruck, 1998.
KK.103: "Eine Architektur-Idee für das neue Arp-Museum", Eine riesige Skulptur von Arp ist als äussere Hülle eines Arp-Museums vorgesehen. Aus einer Presse-Information, wie es zur Zeit wirklich geplant wird: Die Finanzierung des geplanten Arp-Museums in Remagen-Rolandseck südlich von Bonn ist gesichert. Realisiert wird nach den Plänen des US-Architekten Richard Meier. Laut Planung wird erst bis 2003 der Künstlerbahnhof Rolandseck als früheres Domizil der Arp-Werke saniert und dann bis 2006 am Hang daneben der Neubau errichtet. Das Museum wird die Werke von Arp und seiner Frau Sophie Taeuber-Arp beherbergen.
KK.104: "Der Idylliker im unerkannten Museum ohne Dach", Landschaftsarchitektur (eine Landschaftsgestaltung nach einem Landschaftsbild), ca. 120 m x 55 m, nach einem Gemälde von Spitzweg. "Nur Sie können mir helfen, mein Kunstwerk zu vollenden". So trat der lustige, etwas bieder wirkende, rundliche und unzeitgemäss gekleidete Mann auf Martin zu, und eröffnet ihm sein Anliegen, und nahm ihn mit nach Hause auf seine Gartenbank. Er zeigte die Reproduktion des Spitzweg-Gemäldes "Die Jugendfreunde", und für jedermann (aber es darf ja niemand wissen) wäre offensichtlich, dass er seine Umgebung möglichst genau nach dem Bild von Spitzweg gestaltet hat. Links eine Mauer mit Treppenabsatz (die Treppe führt jedoch in die Luft), und den grossen Kaktus, dahinter sein Haus, bei dem er ausgenommen ein Fenster an der Fassade oben-rechts, alle anderen Fenster zumauern liess, und die Mauer selbst tünchte in der Farbe wie auf dem Gemälde. Grosse Erdbewegungen ergaben das hügelige Gelände, und die Bäume sind an der Stelle wie im Bild, nur ziemlich kleiner, obwohl er die grösstmöglichen einsetzen liess, ein Baum in der oberen Bildmitte steht gerundet schief. Kaum etwas fehlt, Gartenhag, Weinreben, anderes Gehölz und Grün ist vorhanden, nur am Horizont der kleine Blickwinkel in die Bildtiefe fehlt das im Bild gemalte Städtchen. Mit Begeisterung hat Martin Schwarz dieses als Kulisse gemalt, und hinter dem Hügel montiert. Die Häuser sind in der Silhouette ausgesägt, so dass der wirkliche Himmel auch dem wirklichen Himmel im Landschaftsbild entspricht. Der Weg im Bild ist zu einem öffentlichen Spazierweg geworden, und das schönste ist, betrachtet der Landschafts-Bild-Besitzer sein ihn umgebendes "Bild", und kommt ein Spaziergänger in die Nähe, so belebt und vervollständigt er das Bild in der Präzision der Nachahmung ohne sein Wissen.
KK.105: "Das redende Buch", Buchobjekt, Nietzsche-Haus, Sils-Maria. Während der Ausstellung von Martin Schwarz im Nietzsche-Haus wurde mehrmals gefragt, ob das Buch mit den eingebauten Zähnen das Gebiss von Nietzsche sei. Nietzsche-Zitat. "Meinem Leser: Ein gut Gebiss und einen guten Magen - Dies wünsch ich dir! Und hast Du erst mein Buch vertragen, verträgst du dich gewiss mit mir"! Um etwas weniger Bekanntes weitergeben zu können, hier ein Bericht der Zugsreise des seit einigen Tagen geisteskrank gewordenene Nietzsche von Turin nach Basel. "Overbeck soll sehr ängstlich und viel aufgeregter als Nietzsche selbst gewesen sein. Der andere Reisebegleiter, der Zahnarzt Leopold Bettmann, hat sich während der Fahrt ein abstossendes künstliches Gebiss aufgesetzt, um zu verhindern, dass andere Reisende in ihr Abteil zustiegen" (Nach der Erzählung von Overbecks Tochter und zitiert von Pia Daniela Volz in "Nietzsche im Labyrinth seiner Krankheit"). Friedrich Nietzsche: Gibt es noch ein Oben und Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches NICHTS? Haucht uns nicht der leere Raum an?"
KK.106: "Das Verbot" Kriminalmuseum Zürich. Es ist verboten, Verbotstafeln zu malen. Skizze einer Figur, die ein Verbotsschild mit obigem Text malt. Oder ein Mann malt eine Verbotstafel, auf dem der oben vermerkte Text steht.
KK.107:
KK.108:
KK.109:
KK.110:
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KK.112: "Die grosse mehrbändige intime Geschichte der Bibliothekarin", (Davon wurde bereits ein Reskript erstellt), 2000, Holz und mehrere Bücher, Pappmaché und Acrylfarbe, 43,5 x 31 cm und 83 cm hoch. Beitrag für die "Bar jeder Vernunft", "40 Jahre: Fluxus und die Folgen". Angeregt durch Ben Patterson dienten die Räume im Pariser Hof während des Kunstsommers Wiesbaden 2002 als abendlicher Treffpunkt. Neben Ben Pattersons Arbeit "Why People Attends Bars?" wurden die neun ehemaligen Badekabinen des Ortes durch neun Künstler bearbeitet. Martin Schwarz beschäftigte sich mit der Grenze zwischen Sinn und Unsinn, dem Doppelsinn von einer "Bar" (mit jeder Vernunft ausgestattet) und dem anderen Doppelsinn "bar" (ohne jede Vernunft). Auf die ausgestellten Objekte bezogen: Wo ist ihr Sinn? Fluxusfreunde Wiesbaden e.V., dazu das entkleidete Buch im Pariser Hof. Spiegelgasse.
KK.113: "Fluxuswitze", 365 gerissene Witze als Abreiss-Kalender. Einfälle aus dem Allerlei der Gedanken - Kunstkammer mit den normalen Monstrositäten und allgemeinen Raritäten. Der Elementenprotest: Gehe nicht ins Wasser, denn es ist sehr nass. Die noch ausstehende Erfindung: Eine Erinnerung an Sonja Meier, 20.12.1986. Das Auto war mit viel Neuschnee bedeckt, und es musste mühsam den Schnee vom Dach den Fenstern und der Motorhaube abgestreift werden. "Gut wäre, wenn sich das Auto wie ein nasser Hund schütteln könnte". Die Verführung zum Irrtum: Gehört dem Schauspielhaus Zürich. Was ist das? Es ist grün, hängt am Baum und schreit: "Ich bin ein Apfel, ich bin ein Apfel!" Antwort: "Eine verrückte Birne". Mutter-Sohn-Sensibilitäten: Sie sagt: "Kaufe dir eine Windjacke". Er versteht: "Du wohnst in einem Luftschloss". Das sich selbst illustrierende, eitle makellose Wort: "Ich bin ein Feler", Korrekturvorschlag für den Duden, da das Wort nur mit einem Fehler richtig ist. Auch eine missglückte Absurdität: "Der Wald herbstelet, er bald sterbelet". Eine vernünftige Empfehlung: Die beste Weise im Körpergewicht abzunehmen ist: Ein Löffel mit einem Loch und eine Gabel mit einigen Zinken weniger. Vornehmes Paar: Kein Horn und Einhorn springen mit einer Errata-Liste in die Halle, und werden als Kunst geboren. Fragwürdiges Beispiel, wie ein Witz aufgehört hat, ein Witz zu sein: Warum besteht das Fragezeichen aus einer krummen Linie und einem Punkt? Aber ein makabrer: Er hatte den Willen, gesünder zu sterben. Der Redeversprecher eines Wirtschaftsberaters: Einführungsküsse statt Einführungskurse Der Humor-Kunst-Sammlerkönig Michael Berger adressierte seine Post an Martin Schwarz manchmal mit Putzfach anstatt Postfach. Martin Schwarz war zur Aufforderung gedrängt: "Putze wenigstens auch einmal Dein Postfach, vielleicht am besten mit einem frisch-gewaschenen Waschlappen und (wie geht das?) mit einem geputzten Putzmittel". Oder er schrieb Martin Schwatz, worauf Martin Schwarz mit dem Postboten ein bisschen schwatzte (doch mit seinem mässigen Mundwerk wurde er kein hervorragender Plapperlin Schwatz). Oder anstelle von Hohllandstrasse Hohlhandstrasse, welches er als freundliche Aufforderung empfand, seine miese finanzielle Situation mit Unterstützungsgesuchen versuchen zu verbessern. Kein Witz: Einmal ist ein Klopapier das Letzte in Deinem Leben.
KK.114: "Holzbuchobjekte", Museum im Rathaus, Wald- und Holzmuseum, Zwiesel. Den Holzbuchobjekten ist ein Zitat von Ralph Waldo Emerson zugeordnet: "Die grösste Freude, die Feld und Wald uns bereiten, ist die Andeutung einer dunklen Beziehung zwischen Mensch und Pflanzenwelt. Ich bin nicht allein und unerkannt. Die Pflanzen nicken mir zu, und ich nicke zurück. Das Schwanken der Zweige im Sturm ist mir vertraut und unvertraut zugleich. Es überrascht mich und ist mir doch nicht unbekannt. Seine Wirkung ist wie die eines höheren Gedankens oder einer besseren Empfindung, die mich überkommt, wenn ich glaube, Rechtes zu denken oder zu tun. Doch ist sicher, dass das Vermögen, solche Freude hervorzubringen, nicht in der Natur beschlossen liegt, sondern im Menschen oder in der Harmonie beider. Wir sollten diese Freude nur sehr massvoll geniessen. Denn die Natur erscheint nicht immer im Festkleid; dieselbe Szene, die gestern noch Wohlgeruch atmete und glitzerte wie zum Spiel der Nymphen, ist heute in Schwermut getaucht. Die Natur trägt immer die Farben des Geistes. Für den, der unter Not und Elend leidet, hat selbst die Wärme des eigenen Kaminfeuers etwas Trauriges an sich. Und es gibt eine Art Verachtung für die Landschaft, die jener fühlt, der gerade einen guten Freund durch den Tod verloren hat. Der Himmel ist weniger grossartig, wo er sich über das weniger Wertvolle in den Menschen wölbt."
KK.115: "Das Bürstentierchen", Deutsches Pinsel- und Bürsten-Museum Markt Bechhofen an der Heide. Das Bürstentierchen wäre vorgesehen, in einem der Sammlungsschränke mit gesondertem Inhalt zu platzieren.
KK.116: "Ein Jury-Bericht zu einem abwesenden Bild von Martin Schwarz", "Schon bei der Auswahl der eingesandten Werke ist ein Bild besonders aufgefallen, weil dieses, als es aus der dicken Verpackung (mit der Aufschrift: Für Unbefugte zu öffnen verboten) befreit wurde, immer noch durch ein schwarzes Tuch verhüllt war. Unerwartet wurde uns die oft bestrittene Weisheit ins Gedächtnis gerufen, dass der Drang, etwas Ungesehenes sich zu Gesichte zu führen, häufig nicht nur Gutes im Gefolge hat. Bei der Enthüllung war das Entsetzen von uns Betrachtern so gross, wie es beim Anblick des Bildnis des "Dorian Gray" grauenvoller nicht hätte sein können. Das Bild von Johann Heinrich Füssli "Das Schweigen", in welchem eine Frau unter ihrem nach vorne fallenden Haar das gesenkte Antlitz bislang verbarg, hatte nun ihren Kopf erhoben mit bis ans Äusserste angespannten, schmerzverzerrten Gesichtszügen um den weitoffenen, schreienden Mund. Gebannt vom schauerlichen Anblick vermeinten wir in unseren Ohren auch schon einen sogenannten "markdurchdringenden" Schrei zu hören, lauter und lauter werdend, und unsere einzige Rettung war, alle verfügbaren Kräfte zu sammeln und unseren Blick abzuwenden. Keiner wollte das Erlebnis wahrhaben, doch die Wahrhaftigkeit wurde uns gewiss, denn der Schrei hallte nach, wie sonst nur in den erdrückendsten Träumen, und so wollte niemand ein zweites Mal hinsehen. Für die, die es nicht begreifen können, sei gesagt, dass es auch uns unbegreifbar blieb. Einer noch unschuldigen Hilfskraft, welcher der Anblick des Bildes glücklicherweise erspart blieb, wurden die Augen doppelt verbunden, und diese musste die Aufgabe übernehmen, das Schrecknis wieder zu verhüllen, was nach einigen tastenden Versuchen auch gelang. Die Sitzung wurde abgebrochen, und jeder ging gerne ins traute Heim, nachdem der Beschluss gefällt war, zuhause zu überdenken, was nun mit dem Bild zu tun sei. Am nächsten Morgen sahen wir uns wieder mit geröteten Augen, einige klagten über Kopfschmerzen, und einer sprach aus, was jeder erlebte, dass der gesehene und gehörte Schrei im Schlaf wieder deutlich zu vernehmen war. So war der Entschluss schnell gefasst, dass das Bild unmöglich ausgestellt werden könne, und jeder, der das Bild gesehen hätte, würde dieses uns danken. Wir alle atmeten spürbar leichter, als das Bild gut verpackt und bewacht aus dem Kunsthaus getragen war. Seither ist bei uns Betroffenen der Schrei auch langsam in den Gedanken am verklingen, und wir sehnen uns nach dem Moment, in dem gedacht werden kann, ihn nie vernommen zu haben. Aber warum dieser Schrei? Ist die Frau verlassen von einem Gott, den es für sie nie gegeben hat? Oder wegen der Enge der möchtsogerngeliebten Heimat, der Füssli bald fern war? Dies wurde vom Künstler verneint, denn gerade weil Martin Schwarz sich oft unübertrefflich zu verbergen weiss, blieb ihm nicht verborgen, dass die Frau introvertiert in ihrer unerträglich gewordenen Verlassenheit nicht mehr verharren konnte, und dieses Leiden durch den Schrei entäussern musste. Wie könnte sonst in der Unendlichkeit des Nichts ihr Schweigen jemals sein Echo finden?"
KK.117: "Das Stosstrupp-Pferd", zugeeignet dem Kreishaus, Deutsches Pferdemuseum, Verden.
Übermaltes Bild (Speerspitze) von P. Hommel, 1953, Öl auf Malkarton, 23,7 x 17,7 cm, verändert von Martin Schwarz, ca. 1983 (Es ist kein vermeintlicher Zierat).
KK.118: "Gottfried Kellers Geldgedanken", Entwurf für eine Gottfried Keller gerecht gewesene Banknote mit einigen seiner Geldgedanken, geschrieben vom jungen Maler an seine Mutter in Zürich, in den Jahren 1840-1842. P.S.: Paradoxerweise zierte ein Portraitbild von Gottfried Keller die wohl am meisten gebräuchlichste Schweizer Banknote. Text in der folgenden Form zusammengestellt für das www.moneymuseum.com (das wohl grösste virtuelle Geldmuseum). "Auch muss man sehen, dass er nichts mehr kostet, indem die Kanzlei die Schuld auf sich hat. Sage ihm nur, ich sei durch diese Verzögerung in Schaden gekommen. Die Stühle sind gepolstert, dennoch kostet es nur 4 Gulden Zürichgeld. Was die 5 Gulden für Eduard betrifft, so habe ich schändlich vergessen, ich hätte sie manchmal zurückgeben können, allein das Geld fand immer andere Wege. Wenn Du also von Frau Ehinger ein gutes Wechselchen bekommen kannst, so ist es Recht, dann ist es Recht, geht es aber nicht so, ist es auch Recht, so schick es mir in Brabant. Die meisten aber haben mehr Geld als ich; aber das macht nichts. Den Brief samt Anweisung habe ich rechtzeitig erhalten und das Geld bezogen, worauf ich sehnlichst gewartet hatte. Was die 150 Gulden betrifft, so wirst Du dem Herrn Onkel ans Herz legen, dass es die harte Notwendigkeit sei und gar keine Wahl vorhanden, dass man das Geld alles miteinander soviel es mir bringt, brauche. Ich habe viel Medizin verschluckt, welche aber alle bezahlt ist; hingegen erwarte ich mit Angst den Konto vom Doktor. Ich muss daher dringend bitten, mir mit umgehender Post das Geld, das noch bei Dir liegt, zu überschicken, da die Frau Hofmann im Gebirge ist, und sie mir das letzte Mal lauter Speuzmünz statt Taler gegeben hat. So schicke mir gleich die Taler, aber nur kein Gold. Dass ihr zuhause mich für fähig gehalten habt, eine Krankheit zu erlügen, um Geld zu erhalten, war mir eben keine grosse Erquickung. Was das viele Geldbrauchen betrifft, so weiss ich am besten, für was ich es ausgebe, auf jeden Fall nicht fürs Lumpen. Du kannst sie ihm dann zurückgeben, da du dies Geld vielleicht bis Martini noch entbehren kannst. Als du mir nämlich mit dem letzten Gelde geschrieben hast, dass es das letzte sei, dachte ich, ich werde es ja fast nur für meine Krankheit und nachherige Genesung aufbrauchen. Er soll mir für einen Monat Geld schicken, welches er mir früher schon anerboten hatte. Ich habe von dem letzten Geld 20 Gulden für meinen neuen Rock, 4 Gulden 45 Kreuzer für Zimmerzins und noch einige Kleinigkeiten sogleich weggeben müssen. Auch mag ich in Zukunft mich nicht mehr so ganz am Geld auslassen; es schadet nichts, wenn man immer etwas Vorrätiges in der Kasse hat; denn so habe ich weit mehr Freude zu sparen. Du siehst also, dass ich dieses Geld noch sehr notwendig habe, nicht dass ich ohne dasselbe verhungern würde, sondern es dient dazu sicher und solider auftreten zu können. Da einer meiner Bekannten von Winterthur nach Hause reist, so benutze ich schnell diese Gelegenheit, Dir den Empfang des übermachten Geldes zu berichten, und zugleich meinen schuldigen Dank dafür abzustatten, sowie dem Anneli für den überschickten Gulden, welcher mich sehr gerührt hatte. Ich werde diesen Gulden aber nicht ausgeben, sondern als ein Andenken behalten. Alle brauchen im Durchschnitt d.h. von den unvermöglicheren 400 bis 450 Fl. jährlich, und ich habe erst ungefähr 300 Gulden gebraucht. Ich muss noch eine Kiste machen lassen, welche auch auf einige Gulden kommt, und die Fracht wird 8-10 Gulden kosten. Wenn Du das Geld schickst, so wird es am besten sein, 2 Rollen Taler nebeneinander zu packen; man könnte auch Zürcher Banknoten schicken, aber man verliert an zweien 24 Kreuzer. Denn in der Zeit muss ich alle Mal borgen, und in geborgtem Geld ist kein Segen. Dein letzterer lieber Brief mit dem Dukaten war mir eine ziemliche Hiobsbotschaft, nachdem ich auf Geld gewartet hatte, das durchaus kein Geld zu finden ist, ist sehr betrübt und für mich jetzt sehr unglücklich. Wenn ich daher nur noch 300 Gulden zum überwintern und den Frühling habe, so hilft mir dies besser auf die Beine als wenn ich 2 Jahre koloriere. Wenn Du Geld schickst, so lass Dir einen Empfangsschein geben auf der Post, es sind schon mehrere Hundert Gulden verschiedenen Bekannten von mir verloren gegangen. Was die Geschichte mit der Polizei betrifft, so kam das alles nur von meiner miserablen Hausfrau her, welche mich wegen 14 Gulden verklagt hatte. Dass ich in Schulden geriet ist ganz natürlich, und es ist vor und mit mir schon so manchem tüchtigen Kerl passiert. Wenn ich nur einmal aus dem alten Pech hinaus bin, so wird das Geld auch wieder Segen bei mir haben. Ich hatte gerade in München wieder Pech; ich hatte diesen Sommer noch ein Bild gemalt, und rechnete darauf, es im Kunstverein verkaufen zu können, was sonst ziemlich sicher ist; da schlug der Teufel zu, dass sie auch hier, wie scheint's in Zürich, kein Geld mehr hatten, und die Leute werden bezahlt, wenn es mir besser geht." Museum www.moneymuseum.com (das grösste virtuelle Geldmuseum).
119: "Das erste abstrakte Bild der Kunstgeschichte", noch kein Museum. Die Kunstgeschichte ist eine Wahrheit voller Lügen. Als einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg der abendländischen Kunstgeschichte gilt die Schöpfung des ersten abstrakten Bildes, losgelöst von jeglicher gegenständlicher Darstellung. Dieses Verdienst wird noch heute fälschlicherweise Wassily Kandinsky zugeschrieben, und zwar mit seinem 1910 gemalten abstrakten Aquarell. Die Wahrheit ist, dass das Erste ungegenständliche Bild 1842 von dem Schweizer Maler und Dichter Gottfried Keller angefertigt wurde, am Schluss von seinem Malerleben in München. In seinem autobiografischen Roman "Der grüne Heinrich" beschreibt er am Schluss des dritten Teils in unmissverständlichen Worten, für jedermann nachvollziehbar, wie er ein gegenstandsloses Bild mit der Schilffeder auf grauen Karton gezeichnet habe. Er beschreibt auch, wie die Bedeutung seines Werkes in einer prophetischen Ahnung von seinem Freund Erikson erkannt wurde und wie dieser die Zeichnung - entgegen seiner Einsicht - zerriss, weil er glaubte, dass der Schöpfer nur dann sich lösen kann vom verfluchten Garne in den Irrgängen seiner zerstreuten, gramseligen Seele, erschöpft von dem gewaltigen Schritt vorwärts in das Wesenlose. So wird das Bild, wenn überhaupt, dann wohl nur noch zerstückelt oder als ein Fragment erhalten sein. Im Nachlass von Gottfried Keller (in der Zentralbibliothek Zürich) sind hingegen Dutzende von abstrakten Zeichnungen verwahrt auf dem Rande von Rathausprotokollen (1862-75), Schreibunterlagen und Manuskriptseiten, welche bezeugen dass ihn abstrakte Zeichnungen - wenn auch in bescheidenem Ausmasse - trotzdem weiterhin beschäftigt haben. Später in einer autobiografischen Skizze, beklagt er sich, sich seiner gescheiterten Malerzeit erinnernd: "...Vor ein paar Jahrzehnten durfte man noch nicht eine glänzende Kleckserei als eine Landschaft oder überhaupt für ein Bild ausgeben." Gottfried Keller (1819-1890) kann sich heute nicht mehr selbst an dem Prioritätenstreit beteiligen, und da der kleine Kreis von Eingeweihten, im Wissen um die Fälschung der Kunstgeschichte, sich scheint, mit Nachdruck für ihn einzustehen, hatte ich mich entschlossen, ein Fragment der ursprünglich kolossalen Federzeichnung von circa 2x2 Meter zu rekonstruieren und so seine folgenreiche Arbeit ins richtige Licht zu rücken.
Anmerkung: Bei dieser historischen Betrachtung, rückblickend von 1979, wird nicht weiter eingegangen auf das seitenfüllende schwarze Rechteck des Lawrence Sterne in seinem 1761 veröffentlichen Buch "Tristram Shandy". Denn die Wahrheit verbirgt das Nichts! Martin Schwarz.
Aus dem Tage- und Klagebuch von Martin Schwarz anfangs 1979: "Mir scheint, der grüne Heinrich habe mir die Hand geführt. Während Tagen und Wochen lebte ich alleine in völliger Zurückgezogenheit und rekonstruierte mit Tusche und Feder ein Fragment der "kolossalen Kritzelei" des grünen Heinrich in einem Gewebe von Federstrichen, welches ich jeden Tag in verlorenem Hirnbrüten weiterspann. Meine einzige Abwechslung bestand darin, mit der Stirn gegen das Fenster gestützt den Zug der Wolken zu verfolgen und indessen mit den Gedanken in die Ferne zu schweifen. Oft und immer wieder, zwischen einem qualvollen Zwingen zu einer schwachen Konzentration und dem tiefen Versinken in die erlösende Selbstvergessenheit, bemerkte ich mehr oder weniger wie sich die Tusche von der Feder trennte und sich mit dem grauen Karton verband. Dann wurde ich mir plötzlich gewahr - lange sass ich vor dem Karton -, die vertrocknete Feder in der starren Hand, gefangen in verhüllten und verwischten Gedanken gemischt zu einem Brei, schwer, träg, und der klebte im Weissnichtwo. Doch Resignation ist keine schöne Gegend, und während zeitlose Stunden unbemerkt vergingen, wurde ich mir auch wieder bewusst, wie mein Wille mich führte, den Karton mit Federstrichen zu füllen. Trotzdem blieb vieles abwesend in verwandelnden Stimmungen, und so fühlte sich der Karton manchmal an wie eine in Erregung gespannte Frauenhaut, und ich kritzelte und kratzte bald lustvoll mit der harten Metallfeder und schmiegte und wiegte bald kusstoll wie mit der weichen Vogelfeder. Aber wie alle Lust, hatte auch diese ihr Ende, und die geliebte Zeichenfläche wurde zum gehassten Feind, der mich zwang zu kämpfen. So wurde die Zeichnung zum Psychogramm meiner zerstreuten, gramseligen Seele. Das gezeichnete Wirrsal hatte ich auch im Dunkeln vor dem Einschlafen als innerlich-flimmernde Nachbilder vor Augen, und in Erinnerung daran versuchte ich, die Musterungen aus Federstrichen auch einmal in voller Dunkelheit und stiller Nacht, in einem wachen Traum entstehen zu lassen und dieses, bei Licht besehen, war ich überrascht, mir fremdscheinende mannigfaltige Ornamente zu sehen, bei welchen mir scheint, der grüne Heinrich habe mir die Hand geführt. So wusste ich bald noch weniger als sonst, wer ich bin, um so mehr als mich ein Künstlerfreund mit seiner schönen Frau besuchte und mich wachrüttelte, die Zeichnung nicht übersah und bei mir nachfragte, was denn Sinn und Sein derselben sei. In meiner eigenen Verwirrung sagte ich, diese sei von Heinrich Lee, was mich, kaum hatte ich es gesagt, in noch grössere Verwirrung stürzte. Im Gegensatz zu ihm, der als guter Freund sich zuerst nur für das interessierte, was unmittelbar mit mir zu tun hat und deshalb weiteres Nachfragen unterliess. So war ein erlösendes Kunstgespräch ausgeblieben, wie es der grüne Heinrich mit seinem Freund Erikson führen konnte, und bald war es wieder totenstill in meinem Gemach, und die Türöffnung, durch welche die beiden verschwanden, erschien mir so grausam entleert wie eine Leinwand, von welcher mit einem Zuge ein Bild warmen Lebens weggewischt worden ist."
Zitat aus dem Buch "Der grüne Heinrich": "Fröstelnd schleppte ich, um eine Zuflucht zu suchen, einen neuen, kaum angefangenen Karton hervor, eine auf den Rahmen gespannte graue Papierfläche von mindestens acht Schuh Breite und entsprechender Höhe. Es war nichts darauf zu sehen, als ein begonnener Vordergrund mit je einem verwitterten Fichtenbaume zu beiden Seiten des künftigen Bildes, dessen Idee ich damals vor Monaten aufgegeben und die mir gänzlich aus der Erinnerung geschwunden ist. Um nur etwas zu tun und vielleicht meine Gedanken zu beleben, machte ich mich daran, den einen der zwei mit Kohle entworfenen Bäume mit der Schilffeder auszuführen, gewärtig, was dann weiter werden wollte. Aber kaum hatte ich eine halbe Stunde gezeichnet und ein paar Äste mit dem einförmigen Nadelwerk bekleidet, so versank ich in eine tiefe Zerstreuung und strichelte gedankenlos daneben, wie wenn man die Feder probiert. An dieser Kritzelei setzte sich nach und nach ein unendliches Gewebe von Federstrichen, welches ich jeden Tag in verlorenem Hirnbrüten weiterspann, so oft ich zur Arbeit anheben wollte, bis das Unwesen wie ein ungeheures graues Spinnennetz den grössten Teil der Fläche bedeckte. Betrachtete man jedoch das Wirrsal genauer, so entdeckte man den löblichsten Zusammenhang und Fleiss darin in dem es in einem fortgesetzten Zuge von Federstrichen und Krümmungen, welche vielleicht Tausende von Ellen ausmachten, ein Labyrinth bildete, das vom Anfangspunkt bis zum Ende zu verfolgen war. Zuweilen zeigte sich eine neue Manier, gewissermassen eine neue Epoche der Arbeit; neue Muster und Motive, oft zart und anmutig, tauchten auf und wenn die Summe von Aufmerksamkeit, Zweckmässigkeit und Beharrlichkeit, welche zu dem unsinnigen Mosaik erforderlich war, auf eine wirkliche Arbeit verwendet worden wäre, so hätte ich gewiss etwas Sehenswertes liefern müssen. Nur hie und da zeigten sich kleinere oder grössere Stockungen, gewisse Verknotungen in den Irrgängen meiner zerstreuten, gramseligen Seele, und die sorgsame Art, wie die Feder sich aus der Verlegenheit zu ziehen versucht, bewies, wie das träumende Bewusstsein in dem Netz gefangen war. So ging es Tage, Wochen hindurch, und die einzige Abwechslung, wenn ich zu Hause war, bestand darin, dass ich, mit der Stirne gegen das Fenster gestützt, den Zug der Wolken verfolgte, ihre Bildung betrachtete und indessen mit den Gedanken in die Ferne schweifte."
Die Theorie der Abstraktion ist in der fortgesetzten Textpassage noch deutlicher formuliert:
Erikson aber stand vor der Staffelei und beschaute höchst verwundert meine neuste Arbeit. Dann betrachtete er mich mit bedenklichem Gesicht, und wie ich verlegen und rot wurde und sagte, erst den Kopf schüttelnd, dann mit dem selben schalkhaft nickend: " Du hast, grüner Heinrich, mit diesem bedeutenden Werke eine neue Phase angetreten und begonnen, ein Problem zu lösen, welches von grösstem Einfluss auf die deutsche Kunstentwicklung sein kann. Es war in der Tat längst nicht mehr auszuhalten, immer von der freien und für sich bestehenden Welt des Schönen, welches durch keine Realität, durch keine Tendenz getrübt werden dürfte, sprechen und räsonieren zu hören, während man mit der gröbsten Inkonsequenz doch immer Menschen, Tiere, Himmel, Sterne, Wald, Feld und Flur und lauter solche triviale wirkliche Dinge zum Ausdruck gebrauchte. Du hast hier einen gewaltigen Schritt vorwärts getan von noch nicht zu bestimmender Tragweite. Denn was ist das Schöne? Eine reine Idee, dargestellt mit Zweckmässigkeit, Klarheit, gelungener Absicht . Die Million Striche und Strichelchen zart und geistreich oder fest und markig, wie sie sind, in einer Landschaft auf materielle Weise platziert, würde allerdings ein sogenanntes Bild im alten Sinne ausmachen und so der hergebrachten gröblichsten Tendenz frönen! Wohlan! Du hast dich kurz entschlossen und alles Gegenständliche, schnöd Inhaltliche hinausgeworfen! Diese fleissigen Schraffierungen sind Schraffierungen an sich, in der vollkommenen Freiheit des Schönen schwebend dies ist der Fleiss, die Zweckmässigkeit, die Klarheit an sich, in der reizendsten Abstraktion! Und diese Verknotungen, aus denen du dich auf so treffliche Weise gezogen hast, sind sie nicht der triumphierende Beweis, wie Logik und Kunstgerechtigkeit erst im Wesenlosen ihre schönen Siege feiern, im Nichts sich Leidenschaften und Verfinsterungen gebären und sie glänzend überwinden? Aus Nichts hat Gott die Welt geschaffen! Sie ist ein krankhafter Abszess dieses Nichtses, ein Abfall Gottes von sich selbst. Das Schöne, das Poetische, das Göttliche besteht eben darin, dass wir uns aus diesem materiellen Geschwür da wieder ins Nichts resorbieren, nur dies kann eine Kunst sein, aber auch eine rechte!"
KK.120: "Wolkenschnee", 2 Bilder, jedes 60 x 50 cm, Bilderlegat für das (noch) nicht bestehende Gottfried-Keller-Museum in Zürich. Gegen Sonnenuntergang jedoch stieg meine Aufmerksamkeit an den Häusern in die Höhe und immer höher, je mehr sich die Welt von Dächern, die ich von unserem Fenster aus übersah, rötete und vom schönsten Farbenglanz belebt wurde. Hinter diesen Dächern war für einmal meine Welt zu Ende; den duftigen Kranz von Schneegebirgen welcher hinter den letzten Dachfirsten halb sichtbar ist, hielt ich, da ich ihn nicht mit der festen Erde verbunden sah, lange Zeit für eins mit den Wolken.
KK.121: "Die ersten Kinderzeichnungen von Gottfried Keller", nach einer autobiographischen Beschreibung sind die ersten Kinderzeichnungen von Gottfried Keller (rote Zeichnungen) mit dazugehörender Textstelle in einem grossen Briefumschlag aufbewahrt. Inwendig ein kleiner Briefumschlag mit einer Glück-Buchhaltung, zwischen Soll und Haben, eine korrigierte Fassung mit etlichen Korrekturen von Korrekturen. Zitat Gottfried Keller aus "Der grüne Heinrich": "Der Mensch rechnet immer das, was ihm fehlt, dem Schicksale doppelt so hoch an, als das, was er wirklich besitzt." Kommentar M.S.: "Das Schicksal ist kein Weg, an dem nur vierblättriger Klee wächst."
KK.122: "Wolkensegel", Deckengestaltung im neuen zoologischen Museum Zürich.
KK.123:
KK.124:
KK.125:
KK.126:
KK.127:
KK.128: "Die Grenze des Erkennens", Wandbild in der Bibliothek der Chemie, Universität Zürich-Irchel.
KK.129:
KK.130: "Felsen Schweiz", sehr grosse Skulptur am Bahndamm in Schönbühl bei Bern.
KK.131: "Gesammeltes Licht am Ersten Tag im Januar 2000", (Hommage an J. H. Schulze). Fotopapierschnitzel in Glasbehälter. Glasflasche, 14,5 cm hoch, 9 cm im runden Durchmesser, gefüllt mit 297 Fotopapier-Stücken, die meisten in der Grösse von ca. 37 x 55 m, das Grösste 50 x 70 mm, das Kleinste ist ein Dreieck, mit einer Seitenlänge von 4 mm, und 2 Seitenlängen je 67 mm. Imaginärer Beitrag zur Ausstellung "Emporium", 500 Jahre Universität Halle-Wittenberg, 23.4. bis 30. 9. 2002, Löwengebäude, Halle (Saale). Das Glasflaschen-Objekt "Hommage an J.H. Schulze" bleibt unverkäuflich, denn Schulze kann als der Erfinder der Fotografie angesehen werden. Im Jahre 1727 beschrieb J.H. Schulze seine Experimente mit der Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen. Vielleicht stützte er sich auch auf die Überlieferungen der Beobachtungen von Angelus Sala (1576-1637), italienischer Leibarzt des Herzogs von Mecklenburg, dass sich Silbersalze durch die Einwirkung von Sonnenlicht dunkel verfärben. Schulze füllte in Glasflaschen ein Gemisch von Salpetersäure, Kreide und Silbersalzen, klebte auf die Flaschen schwarze Papierschablonen mit Formen und Buchstaben und erzeugte so ein Abbild durch die stellenweise Lichteinwirkung. Durch Schütteln der Flasche verschwanden die Formen wieder und das Experiment wurde in erneuten Versuchen variiert, auch indem er Gegenstände auf eine Schicht seiner chemischen Mischung legte und so Schattenkopien erzeugte.
Am 1. 1. 2000 hat M.S. am Morgen einige Dutzend unbelichtete Fotopapiere aus den schwarzen Verpackungen genommen und dem Neujahrs-Licht ausgesetzt. Während weniger Minuten hat sich das Licht auf der lichtempfindlichen Oberfläche gesammelt und diese leicht verfärbt. Sogleich wurden die Papiere in das Bad mit Entwicklungsflüssigkeit gegeben, fixiert, und zum Trocknen ausgelegt. Der grössere Teil dieser Fotopapiere wurde in kleine Teilstücke geschnitten und als Neujahrs-Gruss verschickt. Sehr unzeitgemäss soll Martin Schwarz mit dieser Lichtreliquie Handel treiben. Einige Mitmenschen vermuten, dass diese Tages-Reliquie schon bald die hauptsächliche Verdienstquelle vom Martin sei, und für die noch vorrätigen Zettel sollen horrende Summen bezahlt werden. Von Luft und Licht allein kann auch er nicht leben, und darum soll er dieser Verwandlung von Licht zu Geld nicht ganz abgeneigt zu sein.
KK.132: "Malerportrait mit Brille", Optisches Museum der Carl-Zeiss-Stiftung, Jena (dieses verfügt über eine der grössten Brillensammlungen Europas, inklusive einer Sonderausstellung "Die Brille auf Münzen und Medaillen"). In Reproduktionen berühmter Portrait-Gemälde werden Brillen eingemalt. Die Brillen sollten sich möglichst in die Malerei einfügen und nicht ironisch wirken.
KK.133: "Ein gesichtsloses Portrait der wohltätigen heiligen Elisabeth", Burg Pottenstein, Fränkische Schweiz. Das Schönste ist der heilige Teil, der hoffentlich heilende Teil im Ganzen.
KK.134: "Eine fiktive Pathografie", (nach Lange-Eichbaum) von Tina Ramses: Martin Schwarz: Weltfremder Schwärmer, fortwährender Wechsel der Stimmung, disharmonisch, Hang zum Vergänglichen. Vergisst vieles, Zeit, Stunde, Menschen, Bekannte, manchmal sogar seinen Namen. Oft zerstreut, abwesend, gedankenfixiert. Übermass von Erregbarkeit und innerer Unruhe mit körperlichen Reaktionen: Ohrensausen, Magenknurren, wippen mit den Beinen. Oft Fehlen jeder psychischen Hemmung, Zornmütigkeit, Klagen über eingebildetes Elend (lamentieren), Tränenseligkeit ohne Grund, wenig liebenswürdige Würde. Zeitweise Verschwendungssucht, dann wieder Geiz. Schulversager; als Kompensation geltungsbedürftig mit zwanghaft verhülltem Exhibitionismus. Überempfindlich, reizbar, labil, euphorisch, ausfallend, zwischen autistischem Traumdenken und pathetischem Welt-Ich-Gegensatz hin und her pendelnd. Mangel an Wirklichkeitsfreude, überwiegen des Gedrückten, Verstimmten, Gespannten. Erwartungen an das Leben, welche es nie erfüllen kann. Masslosigkeit im Fühlen und Urteilen. Er behauptet, die Kunstgeschichte sei eine Wahrheit voller Lügen. Seine phantastischen Deutungen sind aus dem herrschenden Gedankenkreise aufzufassen. Geheimniskrämerei. Dennoch, sein gewaltiges Selbstgefühl steigert sich aber nie zum ausgesprochenen pathologischen Grössenwahn. Eitelkeit? M.S.: "Bescheidenheit ist eine Zier, die steht allen, nur nicht mir". Im Verhalten, entgegen seiner Vorliebe für unbunte Farben, chamaeleonartig. Manchmal trauriger Blick. Unbefriedigtes Sehnen nach etwas, das ihn von sich und seinem mächtigen Innenleben befreit. Nervenschwäche, Schlafstörungen, Schwarzseherei, Angstzustände (z.B. vor seinem eigenen Schatten). Zweiteilung in Wille und Vorstellung aus Zwiespalt und Duplizität des eigenen Wesens. Glaubt u.a. an die Lehre des treibenden Willens, aus eigener überstarker Triebanlage. Selbstvorwürfe wegen seiner Heftigkeit und Streitsucht. Periodische grosse Depressionen. (Durch Flucht in die Depression Abwehr von Konfliktlösung?) Selbstzweifel bis zur Lethargie. M.S.: "Nichts, das ist mir schon zuviel". Humorlos, dennoch brillanter Sarkasmus. Sehr empfindlicher Egoismus mit Schuldgefühlen. Undankbar oder dankt gleich masslos. Kühl gegen andere, sofern sie seinem Ich nicht schmeicheln. Distanziert zur Mutter. 21.12.1978, Heirat mit sich selbst. Fixierung im Gefühl, Kritik und Enttäuschung im Verstand. Körperlich zart, dennoch verhältnismässig gesund und entgegen seinem eigenen Glauben viril. Stimme zaghaft. Unschuldige Lasterhaftigkeit. Ungeordnet in der Lebensführung. Manchmal scheint es ihm, er sei nicht mehr, was er war. Leichte Rechtschreibschwäche: Weiss oft nicht mehr, hat jetzt wieder das Wort "Nahmen" ein "H" oder das Wort "Ramen" kein "H". Zeichnet linkshändig, schreibt rechtshändig. Ambidexter? Spiel mit der Schizophrenie und anderen verrückten Geisteszuständen. Merkwürdig seine Furcht vor dem Dämonischen. Verschrobene Einsichten. Sagt manchmal zu sich: "Lieber schlecht leben, als gar nicht. Tot sein kann ich noch lange genug." In seinem obskuren Werk neurotische Auseinandersetzung mit dem Tod. Sonderbare Naivität: es gibt Momente, da kann er sich einbilden, dass wenn er sich mit aller Kraft gegen einen Felsen stemmt, sich die Erdkugel etwas schneller dreht; ein anders Mal ist ihm das Blei zu schwer im Stift. Stellt den Anspruch, sein Lebensende selbst bestimmen zu können, entweder grenzenlos verlängern oder verkürzen. Sieht sich selbst als Fremder. Gewürztes Rauchen steigert die Fülle und Deutlichkeit der Anschauungsbilder. Sieht dann Ungewöhnliches in unnatürlicher Bewegung. Trinkt auch Rotwein. Gewisse Alkoholintoleranz (aus bionegativem Unbehagen). Ausschweifende Phantasie. Wenig Halluzinationen, mehr bewusste Imagination. Gehemmte Möglichkeiten, dies in der Kunst darzustellen, wegen minuziöser Technik. Neigung zur Akribie: seine Genauigkeit im Schaffen. Latenter Masochismus? Es könnte ihm gelingen, was er wollte, erfüllend war es nie. Hatte er bei einem "Kunst am Bau"-Wettbewerb den 1. Preis gewonnen, so war er unzufrieden, dass er sein Projekt ausführen musste. Mit dem 2. Preis ärgerte er sich, dass er nur Zweiter wurde. Wühlt pathologisch im Negativen und seiner Darstellung, auch seiner selbst. Sein ganzes Liebesleben, an Rätseln reich, nur verständlich aus seiner niemals glatt überwundenen infantilen Fixierung auf mädchenhafte Frauen. Vampir an Frauen, welche wiederum Vamp an ihm sind. Sehnsucht sich hinzugeben, Angst sich zu verlieren. Aus Verzweiflung über den quälenden Dämon der Leidenschaft ein Streben nach "reiner" Ideenmalerei. Am Anfang als Künstler Schüchternheit, Verlegen werden, Stottern, Erröten, murmelnde Selbstgespräche. Er suchte stundenlang im Lexikon nach seiner Identität. Obwohl grosses zeichnerisches Jugendwerk (teilweise erhalten) nicht besonders frühreif. Zeigte sich bis zum 33. Altersjahr viel an Ausstellungseröffnungen, krankhaft ehrgeizig. Hat sich mit seiner Kunst oft auf dem Kunstmarkt prostituiert, und mit ebensolcher Lust in Privatklubs, Weihern und Wäldern, Badeanstalten, Kuhställen, heiligen Hallen und feuchten Gewölben usw. Kein echtes Genie wegen verschwendeter Begabung. Werke durch psychische Erschütterungen nicht geschädigt, Qualität vielmehr dauernd ansteigend. Die abwesende Mona Lisa, frühkindliches Trauma der abwesenden Mutter wegen Fabrikarbeit. Sabotiert sich sein eigener Erfolg, Trieb zur Selbstbeschädigung und sich selbst anzuschwärzen. Zunehmende Unfähigkeit zur Wirklichkeitsanpassung, gesteigerte reaktive Zustände. Kein Spielball von Kunstsnobs. Wenn er an die damals aktuellen Ausstellungen nicht zur Beteiligung eingeladen wurde, war er gekränkt und litt unter leichter Paranoia von übler Nachrede, und dass er und seine Arbeit nicht geschätzt und geliebt werden. Zu Unrecht, dem ist nicht so. Die zahlreichen Urteile widersprechen sich zwar beständig. Hätte er über sich selbst eine Pathographie verfasst, hätte er sich verhüllend verstellt, und dabei Ehrlichkeit gezeigt, die unerkennbar geblieben wäre. Ich verweise auf meine frühere Originalarbeit und betone, dass ich diese in allem Wesentlichen noch keineswegs für veraltet halte, wie einige gerne annehmen, um die klärenden Lichtblicke wenigstens auf diese Weise aus der Welt zu schaffen. Nicht bloss der unbefangene Mensch von heute hat dabei das dunkle Gefühl: In diesem Leben, an diesem Manne ist irgend etwas nicht in Ordnung, da stimmt etwas nicht, sein Werk wäre aber ohne dies nicht so wertvoll geworden. Die Akten sind noch nicht geschlossen.
KK.135: "Die missgelaunte Mona-Lisa", (ein Bastelbogen mit Anleitung), Museum der Stimmungen, Heimatmuseum, Attendorn. In einer ziemlich momentanen Laune hat Martin Schwarz sein Exponat für das noch nicht bestehende Museum der Stimmung als Erweiterung des Heimatmuseums Attendorn, Westfalen ausgeheckt. Selten hat er eine ermunternde Stimmung, Briefe zu schreiben, und so wissen weder die beiden Museumsleiter a.D. Karl Boos und sein Vertreter a.D. Walter Isphording etwas von seiner geistigen Gabe. Es ist auch sehr fraglich, wie sich die noch nicht existierende Sammlung in das bestehende Museum eingliedern könnte.
Bastel-Anleitung: Den geheimnisvoll lächelnden Mund als Rechteck aus einer Reproduktion schneiden, dieses Rechteck um 180° drehen und in die Reproduktion wieder einsetzen. Dies kann jeder Mann, jede Frau und jedes Kind mit der notwendigen Präzision selbst basteln.
KK.136: "Der Singvogel in der Expo 02", Arteplage Biel (nicht realisiert). Im Ausstellungsgelände, in einer Gegend die besonders naturnah und idyllisch ist, ist ein trillernder Vogelgesang zu hören. Dieser Vogelgesang wird wiedergegeben von einer Audio-CD. Der Gesang eines ausgelassen zwitschernden Vogels, verwandelt sich fliessend in die trillernde weibliche Opernsingstimme und verwandelt sich wieder zurück in das Vogelgezwitscher und wieder in den weiblichen Operngesang und so weiter...
KK.137: "Skifahrer als moderne Märtyrer", und eine Schnee-Erinnerung: Skifahrer-Museum, Kitzbühl, Österreich. Von zwei Paaren Skis werden bei dem einen Paar die vorderen Spitzen ca. 40 cm in der Länge abgesägt, diese werden seitlich dem anderen Paar angesetzt und so zu einem Kreuz zusammengeführt. Die Schnee-Erinnerung: Am Künstlermaskenball in Zürich (ein traditionsreicher Maskenball mit sehr originellen Verkleidungen) nimmt ein Skifahrer in einer ganz normalen Ski-Ausrüstung teil und wird so zu einem Exzentriker. Er trifft auf seine Lieblingsmaske, einen Schnee-Mann, ganz gewöhnlich geformt aus 3 aufeinander getürmten Schneebällen aus weissem Kunststoff, und fordert diesen oder diese zum Tanz auf - der Schneemann macht jedoch konsequenterweise keinen Schritt und sagt keinen Laut - bis zum frühen Morgen.
KK.138: "Der gläserne Fussball", Glasmuseum Frauenau. Das vielleicht am meisten aus purer Unterhaltungslust geschundene und mit den Füssen getretene Objekt ist der Fussball. Um dies zu verdeutlichen, wird ein Fussball aus Glas hergestellt, mundgeblasen, und der Hals (die Stelle, bei der die Luft eingeblasen wird) wird abgeschmolzen und abgeschliffen. Die übliche Fadennähung bei einem Fussball wird mit Schleifgravuren angedeutet. Um den ausgestellten Glasfussball liegend verstreute Glastränen. Zusatz-Text auf Beiblatt: Rezept zur Herstellung von Tränen aus künstlichem Glas (von Carlo Marangoni). Glastränen, die entstehen, wenn normales, geschmolzenes Glas in kaltes Wasser getröpfelt wird, haben die Eigenschaft, dass diese in unzählige Stückchen zerspringen, wenn die Spitze abgebrochen wird. Eine kompliziertere Erscheinung bieten uns die Naturgesetze beim Tränenherstellen mit folgendem Rezept dar: Man schmelze Kolophonium in einem eisernen Tiegel, und entferne es unter Umrühren mit einem Glasstab vom Feuer und kühle die Masse bis zur Sirup-Konsistenz ab, - sodann lässt man grosse Tropfen in durch Eis abgekühltes Wasser von 5° Celsius aus einer Höhe von ca. _ Meter fallen. So entstehen Tränen (lacrime filosofiche) mit variablen Eigenschaften bei leicht abgeänderten Herstellungsbedingungen: Frische Tränen zerplatzen beim Abbrechen vom Schwanz-Ende. Nach einer Viertelstunde zerspringen diese nur, wenn man etwa die Hälfte des Schwanzes abbricht. Nach einer Stunde zerspringen sie gar nicht mehr, sondern verhalten sich wie normales Kolophonium. War das Wasser, in das man die Tropfen fallen liess, 20° oder wärmer, so zerspringen dieselben gar nicht, weil sie nicht getempert sind. War das Wasser 15°, so zerspringen sie auch frisch nur, wenn die Hälfte des Schwanzes abgebrochen wird. In Wasser von 10° zerspringen die Tropfen bereits beim Abbrechen der Schwanz-Spitze.
Ist die Wassertemperatur 5° oder weniger, zerspringen diese noch leichter.
Aus diesen Tatsachen sind folgende Schlüsse abzuleiten (nach: il nuovo Cimento Ser. 3, Tomo V, Marzo 1879, p. 116):
1. Das Kolophonium erfährt eine umso stärkere Temperung, je niedriger die Temperatur des Wassers ist.
2. Diese Temperung verschwindet sehr schnell durch innere Molekularwirkungen und das Kolophonium verwandelt sich schnell in den normalen Zustand.
3. Die festen Körper von glasiger Struktur nähern sich also in Bezug auf die Molekularbewegungen den Flüssigkeiten, und der Verlust der Temperung erfolgt auch in einer Temperatur von 10°, sogar in Eiswasser, hier jedoch in nocheinmal so langer Zeit.
Hier eine Historie zu einer Fussballqual, Bericht von Wolfgang Scheerer: Das längste Finale im deutschen Fussball endete am 6. August 1922 nach 304 Minuten unentschieden. Diese Geschichte muss wohl mit dem Schluss beginnen, einem Ende, das weit über die reine Spielzeit von fünf Stunden und vier Minuten hinausreicht: 1922 ist das Jahr ohne Deutschen Meister. Zählt man Streitigkeiten und Verhandlungen bis zur endgültigen Entscheidung dazu, dauerte es fünf Monate, ehe das Ergebnis feststand, das einmalig bleibt im deutschen Fussball. Auch nach zwei Duellen stand es zwischen dem Hamburger SV und dem 1. FC Nürnberg unentschieden. "Echte HSVler" haben freilich nie auf den Titel verzichtet, so propagiert es heute die Homepage. Auch die Hamburger Elf, die am 6. August 1922 im Wiederholungsspiel von Leipzig antrat, wähnte sich als Siegerin, obwohl es beim Abbruch nach 115 Minuten 1:1 stand. Rund zwei Dekaden nach Gründung des Deutschen Fussball-Bundes (DFB) wurde der Titel in einer Endrunde ausgespielt. Der "Club" hatte im Halbfinale 1:0 gegen Norden-Nordwest Berlin gewonnen, der HSV 4:0 gegen Wacker München. Das vermeintlich einzige Endspiel wurde von Dr. Peco Bauwens am 18. Juni im Berliner Grunewaldstadion angepfiffen. "Es war keine Schlacht, sondern ein Schlachten", schrieb damals ein Kritiker über das erste von schliesslich zwei denkwürdigen Duellen. 23 Mal habe das ruppige Spiel wegen "Unfällen" unterbrochen werden müssen, 19 Mal leisteten die Sanitäter Hilfe. Der HSV führte zur Pause 2:1, nach 90 Minuten stand es 2:2. Erst damit begannen die eigentlichen Probleme: Laut Regeln sollte die Verlängerung dauern, bis eine Mannschaft ein Tor erzielt. So folgte Verlängerung auf Verlängerung, zunächst zweimal 15 Minuten, dann alle zehn Minuten die nächste. Heiss ging's her - bei immerhin 25 Grad. Schiedsrichter Bauwens, Kölner Bauunternehmer von Ruf, war als Erster mit der Kraft am Ende: Wadenkrampf, 160. Minute. Lang blieb er auf dem Platz sitzen, liess dann weiterspielen. In der 189. Minute pfiff er ab - nicht weil jetzt auch die Spieler erschöpft gewesen wären. Die Dunkelheit brach herein. Sechs Wochen später folgte die Spielwiederholung in Leipzig, erneut mit Bauwens. Die Nürnberger sollten nicht nur auf der Anreise Probleme haben. Es fing damit an, dass Läufer Grünerwald in Marktredwitz aus dem Zug sprang, um Würstchen zu kaufen, hängen blieb und sich am Knöchel verletzte. Telegrafisch wurde ein Ersatzmann nach Leipzig beordert. Als das Team ankam, hungrig und durstig, war Kellner-Streik. Im Stadion prügelten sich die Zuschauer, warfen sogar mit Bierflaschen und Steinen, weil viele auf der überfüllten Holztribüne nichts sahen. "Kicker"-Berichterstatter Walther Bensemann über dieses Chaos: "Der Platz liegt dort, wo Napoleon einst die Artillerie auffahren liess. Auf der einen Seite ist ein Sanatorium, auf der anderen ein Krematorium... für das Schlussspiel um die Deutsche Meisterschaft eignet er sich nicht." Den Beginn der Partie schildert Theo Riegler im Buch "Als Stuhlfauth noch im Tor stand..." (1953, über den legendären "Club"-Torhüter): "Die überreizten Spieler gehen wie Furien aufeinander los; auf dem Feld kommt es zu turbulenten Szenen. Und nach einer halben Stunde wird Willy Böss, der Mittelstürmer, von Dr. Bauwens herausgestellt". Es sollte nicht der letzte Nürnberger gewesen sein: In der Verlängerung flog Heiner Träg, Torschütze zum 1:0 (Schneider schoss dass 1:1), wegen rohen Spiels vom Feld. "Club"-Verteidiger Kugler, schon vorher verletzt, konnte nicht mehr weiter. Bereits im ersten Spiel hatte der Arme fünf Zähne verloren. Mit dem Schlusspfiff der ersten Verlängerung brach Luitpold Popp zusammen, da waren's nur noch sieben Nürnberger. Bauwens musste erneut abbrechen. Es war der Anpfiff zum Nachspiel: Zuerst erklärte der DFB-Spielausschuss den HSV zum Sieger (es wäre der erste Titel gewesen). Die Nürnberger, Meister 1920 und 1921, protestierten und erreichten die Annullierung wegen "Formalverstosses des Schiedsrichters", der das Spiel nicht in der Pause zwischen den Verlängerungen hätte beenden dürfen. Das nahm der HSV nicht hin - und bekam vor dem DFB-Bundestag mit 53:35 Stimmen Recht. Meister also? Ja und nein. Weil angeblich der Süddeutsche Verband mit Abspaltung drohte, mündete das letzte Finale in die "Jenaer Erklärung": "Der HSV erhebt keinen Anspruch auf die diesjährige Meisterschaft". Unentschieden!
KK.139: "Das Tintenbild", für eine KZ-Gedenkstätte. Zettel aus einem Konzentrationslager in Weissrussland (keine Fiktion), aus einem dokumentarischen, seriösen Buch entnommen. Von einem 14-jährigen Knaben geschrieben: "Wenn alle Meere Tinte wären, könnte ich das Leid, das ich sehe, nicht beschreiben." Konzept für die Umsetzung: Ein riesiges Bild, mit Tinte die Malfläche zugeschüttet, nur auf einem kleinen weissen Fleck die Aussage des Knaben vermerkt.
KK.140: "Der andere Buchumschlag", Hermann Obert-Museum, in Feucht bei Nürnberg. Seit 1970 besteht das Museum zur Erinnerung an die wissenschaftliche Leistungen des 1894 in Hermannstadt/Siebenbürgen geborenen "Vater der Weltraumfahrt". In der Sammlung Objekte zur Frühgeschichte der Weltraumfahrt und Modelle der dritten Stufe der Europa-Rakete. Buchtitel von Hermann Obert: "Die Rakete zu den Planetenräumen", Buchtitel von Martin Schwarz in möglichst ähnlicher Gestaltung: "Das Gewicht zu dem irdischen Frohsinn".
KK.141: "Lyonel Feininger auf Rügen", Museum Ost-Deutsche Galerie, Regensburg. Bildervariation. Ölbild 2001 und 90 x 70 cm. Umsetzung des Bildes "Kreidefelsen auf Rügen" von C.D. Friedrich im Malstil von Feininger. Feininger hat sich auf der Insel Rügen auch tatsächlich aufgehalten und gemalt.
KK.142: "Der Dreckbesen (in einem Besenkasten als Vitrine)", Besenskulptur, abgebrochener Besenstiel. Besenmusem, Ehingen. Wo ist dieses Ehingen, in welchem Morchental? 47259 Duisburg-Ehingen? 89584 Ehingen an der Donau? 91725 Ehingen/Mittelfranken? 78259 Ehingen in Mühlhausen-Ehingen? 86741 Ehingen an der Ries? 86678 Ehingen bei Wertingen? Holzstiel mit Erdklumpen um den Strohfeger.
KK.143: "Der saubere Saubär", Wilhelm-Busch-Museum, Deutsches Museum für Karikatur, Hannover. 1. Bild. Mischwesen aus Bärenleib und Sauenkopf geht unter die Dusche. 2. Bild: Der Saubär steht unter der Dusche und dreht den Wasserhahn auf. 3. Bild: Dem Saubär schwimmen beim Duschen alle Haare (das Fell) davon. 4. Bild: Der Saubär verlässt nackt die Dusche und geht wieder. Nun ist er sehr sauber.
KK.144: "Der Bildhauer, sich selbst aus dem Stein meisselnd", Freilichtmuseum. Selbstbildnis von Martin Schwarz, sich selbst aus einem Stück Marmor meisselnd. Ein versteinerter Moment in einer langen Zeit von Arbeit, welche auf die Zukunft verweist. Neben der Skulptur wurde ein Buch gefunden: "Jean-Paul, Briefe und bevorstehender Lebenslauf".
KK.145: "Die grosse liegende Null", Freilicht-Skulptur für den Böhmer Wald. Eine grosse Null in Eisen, im Gedenken an den Herzog von Reichstadt. Lebensbeschreibung aus dem Auktions-Katalog von Sotheby's 1993, die "Fürstliche Sammlung Thurn und Taxis": "Von seinem Vater "L'Aiglon" genannt, Franz Carl Joseph Napoleon, der Sohn Kaiser Napoleons und der österreichischen Erzherzogin Marie Louise, wurde am 20. März 1811 in Paris geboren; eine grosse Zukunft schien dem "König von Rom" sicher. Sein Leben jedoch verlief alles andere als glücklich. Von seinen Eltern anfangs masslos verwöhnt, lernte er schon in frühester Kindheit Krieg, Sorgen und Flucht kennen. Sein Vater starb nach vernichtenden Niederlagen, die Mutter verliess ihn aus staatspolitischen, aber auch aus sehr persönlichen Gründen. Das unglückliche Kind blieb am Hofe seines Grossvaters Franz I. in Wien zurück, reagierte mit Aggression, Lernverweigerung und Hass gegen Erzieher und Lehrer. Dabei setzte Österreich und vor allem die Armee die grössten Hoffnungen in ihn, war man doch überzeugt, dass sich das militärische Können des Vaters auf den Sohn vererbt habe. In ihm sah man den neuen Prinzen Eugen, der nach Jahren der Demütigung endlich wieder stolze Siege feiern würde... Doch er wurde zum Spielball der Mächtigen, die sich nur in einem einig waren: Der Sohn Napoleons sollte der politischen Bühne ein für allemal fernbleiben. So blieb dem österreichischen Kaiser nichts anderes übrig, als dem Enkel den Herzogtitel zu verleihen und ihn zum Herrn der Domäne Reichstadt, einem kleinen Städtchen hoch oben in Böhmen, zu machen. Schon in jungen Jahren trat bei Reichstadt eine tuberkulöse Infektion auf, die rasche Fortschritte machte. Mit nur 21 Jahren starb er. In einem letzten klaren Augenblick urteilte er über sein Leben: "Zwischen meiner Wieg und meiner Bahre ist ein grosse Null". Gedenkzimmer im Schloss Schönbrunn, Wien. Der ehemals als Bibliothek verwendete Raum ist der Erinnerung an den Herzog von Reichstadt gewidmet. Links im Raum das Gemälde, Herzog von Reichstadt, fünfjährig. In der Mitte des Raumes Totenmaske des Herzogs, der 1832 in Schönbrunn starb. Die Maske, ein Werk von Franz Klein, ist eine Kopie des in Paris befindlichen Originals. (Gerhard Holler, Einführung zu "Napoleons Sohn", Wien, 1987). Am 13. und 14. April 1821, auf der Insel Sankt-Helena, noch wenig mehr als einen Monat vor seinem Tod, diktierte der Kaiser und Feldherr Napoleon seinem Freund dem Juristen General Adjutant Charles Tristan de Montholon, ein 12-seitiges Vermächtnis für seinen Sohn, in dem er ihn mahnte, er soll später in Frieden regieren und sich modernen Ideen nicht verschliessen. Er drückt am Schluss die Hoffnung aus, dass er sich ein grosses Schicksal verdienen wird, und sich diesem würdig erweist. P.S.: Ungewiss ist, ob dieses Schriftpapier in dem ausführlichen Auktionskatalog von 1969 "gedruckte Bücher und Manuskripte und die berühmte Vignali-Kolelktion der Hinterlassenschaft Napoleons auf Sankt-Helena" verzeichnet sind. Sinnigerweise, zu dem oben beschriebenen Leben soll es einen Katalog (von Christi, Manson & Woods) für eine nie stattgefundene Auktion geben...
KK.146: "Das Jetzt (der Augenblick, der stehen bleibt)", Uhrenmuseum, La Chaux-de-Fonds. Das Wort "Jetzt" wird in waagrechte und senkrechte Elemente der einzelnen Buchstaben getrennt. Diese Elemente werden in einer Sequenz schrittweise wieder zusammengefügt bis das Wort "Jetzt" lesbar ist. Eben: Ist es lesbar, entsteht ein "Jetzt" - ein Augenblick, der stehen bleibt. An der Karteikarte sind mit einer Büroklammer drei Zitate befestigt. Erstes Zitat von Friedrich Nietzsche: "Es ist ein Wunder: Der Augenblick, im Husch da, im Husch vorüber, vorher ein Nichts, nachher ein Nichts, kommt doch noch als Gespenst wieder und stört die Ruhe eines späteren Augenblicks. Fortwährend löst sich ein Blatt aus der Rolle der Zeit." Zweites Zitat, von unbekannt: "Sie sagt zu ihrem Liebsten: "Wenn ich einmal nicht genau zu dem Zeitpunkt an dem Ort bin, an dem wir uns begegnen wollten, und Du nicht gleich befürchtest, dass mich vielleicht der Tod geholt hat - dann hast Du mich nicht lieb!" Drittes Zitat, von Bettina von Arnim, an Achim von Arnim: "Ach, ich wollt, ich hing an Deinem Hals, und dürft nur Dich ansehn, bis in den Tod".
KK.147: "Fünf vergrabene Grabsteine", Realisiert für die Ausstellung "Kunst - Natur", im Gebiet des Fünfweiher, Lenzburg 1982. Auszug aus dem Katalog, Text von Annelise Zwez: "Ein auf verschiedensten Ebenen immer wiederkehrendes Thema ist der Tod. Die Friedhofsatmosphäre ist Martin Schwarz vertraut und unheimlich zugleich. Den Tod erlebt er als Sehnsucht wie auch als Bedrohung. In diesen Rahmen gehört die Aktion "Fünf vergrabene Grabsteine". In fünf alte, abgetretene Grabsteine mit z.T. pathetischen Sprüchen hat Martin Schwarz seinen Namen eingravieren lassen (Ausführung: Gregor Frehner). In einer stillen Aktion hat Martin Schwarz sie an fünf verschiedenen Orten entlang dem Ausstellungspfad vergraben. Ist er damit seiner unterschwelligen Todessehnsucht gefolgt und hat sich selbst symbolisch begraben? Dieses Element schwingt zweifellos mit, auch wenn es Schwarz nicht formuliert hat. Für ihn sind andere Komponenten vordergründig: z.B. die Absurdität, einen Grab-Stein zu vergraben, oder auch der Kontrast zu den übrigen Teilnehmer/innen, dann aber auch der Gedanke, dass der Tod etwas Unsichtbares ist und darum auch unsichtbar dargestellt werden soll. Ein weiter Aspekt ist das Bewahren in der Erde, der Prozess des Vergrabens, des Zudeckens... wohl halt doch der eigenen Identität."
KK.148: "Destruktion der Hymnen an die Nacht", Wortbild, Novalis-Museum, Schloss Oberwiederstedt, Wiederstedt (Sachsen-Anhalt). Alle Wörter zusammenhangslos auf schwarzem Grund schwebend.
KK.149: "Die Hüte von Herr Holunderlin", Museum in Lindenberg. Er besucht das Museum, und in einer romantischen Stimmung pflückt er sich Holundergarben vom Baum, setzt diese auf den Kopf, um nicht unbehütet das Museum betreten zu müssen. Guten Tag, ich bin Herr Holunderlin und habe einige Hutzeichnungen: Ein Schuhhut, Hutilla und Helmut, ein Huthaus, ein Kragenhut, ein Wolkenhut und einiges mehr, z.B. wie dieses Protest-Papier von der Kunstkammer im Strauhof, Zürich. Helmmut Hüter & Hutilla Helmer: "Wir protestieren! Welche unbehüteten Gedanken haben es zugelassen, so behutlos mit dem Thema Hut, Helm und Kopfbedeckung im weitesten Sinne umzugehen, die nun tatsächlich nicht unter einen Hut zu bringen sind: Ob Strau im Hof, oder unter dem Hut, die richtigere Hütte für Hüte und Helme, so meinen wir, wäre das Helmhaus gewesen..."
KK.150: "Bild der Gräber der Brüder van Gogh", Van Gogh Museum, Amsterdam.
KK.151: "Die tanzende Schallplatte", Schlossmuseum, Bad Säckingen. Die tanzende Schallplatte dreht sich auf einem kleinen drehenden Sockel mir rundem Boden. Die Schallplatte ist ein Beatles-Lied "All you need is Love", und ist von der Sonnenwärme gewellt in eine neue Form gekommen und ähnelt einem in der Luft flatternden Ballett-Rock.
KK.152: "Der missverstandene Plakatentwurf" (zum Thema Essen), Städtische Galerie zum Strauhof, Zürich.
KK.153: "Das verwitternde Bild", Gedenkstätte E.L. Kirchner, Davos-Wildboden. Von dem Bild "Die Gräber von Erna und Ernst Ludwig Kirchner, Waldfriedhof Davos", Öl auf Leinwand, 160 x 160 cm existieren zwei Varianten. Die zweite, expressivere, farbigere Variante wird an die Aussenwand von Kirchners Atelier (in dem er bis zum Lebensende arbeitete) befestigt, und so der Vergänglichkeit durch die Witterung forciert ausgesetzt. Kirchner in einem Brief: "Meine Arbeit kommt aus der Sehnsucht der Einsamkeit. Ich war immer allein, je mehr ich unter Menschen kam, fühlte ich meine Einsamkeit, ausgestossen, trotzdem mich niemand ausstiess. Das macht tiefe Traurigkeit und diese wich durch die Arbeit und das Wollen zu verschwinden. Als ich am Entsagen das Unsichtbarsein lernte, sah ich alle Einsamen stehen. Alle berühren sich und sind unsichtbar. Das reine Wollen macht einsam, das Begehren fällt ab und hinter der realen erscheint die eigentliche Wirklichkeit. Man muss unsichtbar sein, um sie zu sehen."
KK.154: "Das unsichtbare Bild", Eröffnungsabend Art18, Juni 1987, Basel. Mit Sonja Meiner einen grossen leeren Bilderrahmen in der Ausstellung herumgetragen, durch den die Vernissage-Besucher die anderen Bilder betrachteten oder sogar hindurchgeschritten sind.
KK.155:
KK.156:
KK.157: "Das zurückmontierte Duchamp-Rad", Zweiradmuseum, Neckarsulm. Nach geduldigem Suchen sollte in Frankreich genau dasselbe Velorad eines Velos gefunden werden können, wie dies Marcel Duchamp für sein Kunstwerk verwendet hatte. Das montierte Rad auf dem Sockel. Ein solches Rad an einem Fahrrad zu befestigen, hat vielleicht einen höheren Sinn, auch ohne dutzendfache unterschiedliche Erklärungsmodelle: Die unsichtbare Kunst, das Verschwinden von Kunst, der Gebrauch über dem Kunstwert, die Konsequenz einer fortgesetzten Handlung. Dasselbe Prinzip dem höheren Sinn des Unnützlichen ist die Verwendung einer Reproduktion des bekannten Mona-Lisa-Portraits mit dem aufgezeichneten Schnauz von Marcel Duchamp. Diesen Schnauz wieder wegretuschieren und das rückkorrigierte Bild wieder drucken. Nur grosse Kunstspezialisten wissen, warum man sich fragen kann, ob man immer noch darunter schreiben soll: sie ist noch immer geil. Das Mona-Lisa-Bild gibt es in einer Martin-Schwarz-Fassung einer abwesenden Mona Lisa. Von diesem Bild existieren auch bereits zwei Entwürfe. Der erste Entwurf besitzt der weltbekannte Galerist und Kunsthändler Hans Meyer aus Düsseldorf, der andere Entwurf ist noch im Besitz von Martin Schwarz. Allerdings gehört es zum Konzept der Arbeit, dass diese im Louvre gezeigt werden kann, und da meine Arbeit genau gleich gross ist wie das Original, sollte Martin Schwarz's Bild auch in den Original-Rahmen hinter Panzerglas passen und so hoffentlich für einen Tag ausgestellt werden (Die Gesuche zu schreiben ist Martin Schwarz unmöglich, da Martin Schwarz nicht an einen Erfolg glaubt, und so bleibt die endgültige Fassung des Bildes vorläufig ungemalt, und Martin Schwarz kann nur noch auf eine Bestellung hoffen, solange seine Hände noch einen Pinsel halten können).
KK.158: "Die schwierige Visualisierung eines Gedankens", nach Arthur Schopenhauer. "Nimmermehr kann es ein absolut und an sich selbst objektives Dasein geben; Ja, ein solches ist geradezu undenkbar: denn immer und wesentlich hat das Objektive seine Existenz im Bewusstsein eines Subjekts, ist also dessen Vorstellung, folglich bedingt durch dasselbe und dazu noch durch dessen Vorstellungsformen, welche beim Subjekt, nicht dem Objekt anhängen. Dass die objektive Welt da wäre, auch wenn gar kein erkennendes Wesen existierte, scheint freilich auf den ersten Anlauf gewiss; weil es sich in abstracto denken lässt, ohne dass der Widerspruch zu Tage käme, den es im Innern trägt. - Allein wenn man diesen abstrakten Gedanken realisieren, d.h. ihn auf anschauliche Vorstellungen, von welchen allein er doch (wie alles Abstrakte) Gehalt und Wahrheit haben kann, zurückführen will und demnach versucht, eine objektive Welt ohne erkennendes Subjekt zu imaginieren; so wird man inne, dass das, was man da imaginiert, in Wahrheit das Gegenteil von dem ist, was man beabsichtigte, nämlich nichts anders, als eben nur der Vorgang im Intellekt eines Erkennenden, der eine objektive Welt anschaut, also gerade das, was man ausschliessen gewollt hatte."
KK.159: "Der Solipsismus", oder "die Handschlaufe", in der eigen Kunstkammersammlung von M.S., das Autistische und deren Steigerung: In einer Weltabgeschiedenheit das sich selbst erfahrende, sich selbst ergreifende Objekt.
KK.160: "Van Goghs Schweizerreise zum Matterhorn", Schweizerisches Alpines Museum, Bern. 4 Variationen, Öl auf Leinwand, je 70 x 80 cm.
KK.161: "Eine Frage ohne Antwort", Einstein-Haus, Bern. Eine handschriftliche Frage im Briefumschlag auf einer Treppenstufe deponiert.
KK.162: "Die Blumenreise", Gartenzwergmuseum, Rot am See.
KK.163: "Seifenblasenballone", Ballon-Museum Spelterini, Lauterbrunnen.
KK.164: "Der Turmfall zu Babel", Kunsthistorisches Museum, Wien. Bildervariation nach Brueghel d.Ä., der Turm von Babel.
KK.165: "Mozarts Notenblatt der Zauberflöte", Ölbild, 90 x 90 cm, 2003. Text aus "Jahrbuch des historischen Vereins Württembergisch-Franken 1990". Dass am Hofe Ludwig Leopolds zu Hohenlohe-Bartenstein (1731-1799) die Musik, die Oper einen hohen Stellenwert einnahm, geht aus den Lebenserinnerungen hervor, die dessen Sohn Karl (1766-1838) hinterlassen hat: "Die Neuvermählten (d.h. Karls Schwester Franziska Krautheim (1770-1812), und Erbprinz Franz Salm von Reifferscheid Krautheim (1772-1831), die am 15. November 1796 getraut worden waren), blieben in Bartenstein. "Bei dieser Gelegenheit wurde mit schweren Kosten von meinem Bruder (Erbprinz Ludwig Aloys (1765-1829) ein grösseres Theater als das vorige, im Gartensaal errichtet und die Opern, z.B. "Die Zauberflöte" (eventuell geleitet vom Bartensteiner Hauspianisten und Musikstudenten Ignaz von Beecke (1733-1803) der sich die der Bekanntschaften Dittersdorfs, Jommellis, Glucks, Hasses und Mozarts rühmen durfte) von Mozart, zum Theil von der Familie, zum Theil von Mozart, zum Theil von anderen sehr gut aufgeführt. Diesem Schauspiel folgten noch mehrere andere während des Winters (1796-97), wobei ich immer eine mehr oder weniger bedeutende Rolle übernahm". Die Dokumente, die die Mitwirkung des Erbprinzen in der Rolle des Tamino sowie die seines Bruders Karl in der des Sarastro verbürgen, sind erhalten geblieben. Die Fürstin Clara zu Hohenlohe-Bartenstein (1912-2001) war der Meinung, dass die Uraufführung der Zauberflöte für Deutschland nicht in Bartenstein veranstaltet wurde wie dies in vielen Reise-Informationen vermerkt ist. Es hält sich jedoch die Vermutung, dass Mozart nach Bartenstein kommen wollte, vorher jedoch aus dem Leben schied. Bericht über Mozarts Tod, aus einem Brief Sophie Haibels an den Schwager Nissen und die Schwester Konstanze, Diakovar, am 7. April 1825: "...Mein Cofée war fertig und mein Licht brannte noch. Nun sah ich, wie verschwenderisch ich mit meinem Licht gewesen, so viel verbrannt zu haben. Das Licht brannte noch hoch auf, jetzt sah ich starr in mein Licht und dachte, ich möchte doch gerne wissen, was Mozart macht. Und wie ich dies dachte und ins Licht sehe, löschte das Licht aus und so aus, als ob es nie gebrannt hätte. Kein Fünkchen blieb an dem grossen Dochte, keine Luft war nicht, dies kann ich beschwören, ein Schauer überfiel mich, ich lief zu unserer Mutter und erzählte es ihr. Sie sagte: Genug, ziehe Dich geschwinde aus und gehe hinein... Da war der Süssmayer bey Mozart. Am Bette dann lag auf der Decke das bekannte Requiem und Mozart explicirte ihm, wie seine Meinung seye, dass er es nach seinem Tode vollenden sollte. Ferner trug er seiner Frau auf, seinen Tod geheim zu halten, bis sie nicht vor Tag Albrechtsberger davon benachrichtigt hätte, denn diesen gehört der Dienst vor Gott und der Welt. Clossett, der Doktor, wurde lange gesucht, auch im Theater gefunden, allein er musste das Ende der Piece abwarten - dann kam er und verordnete ihm noch kalte Umschläge über seinen glühenden Kopf, welche ihn auch so erschütterten, das er nicht mehr zu sich kam. Sein letztes war noch, wie er mit dem Munde die Pauken in seinem Requiem ausdrücken wollte, das höre ich noch jetzt. Attest der Totenschau, den 6. Dez. 1791. Der Titt. Herr Wolfgang Amadeus Mozart KK. Kappellmeister und Kammer-Compositeur in der Rauhensteingasse im kleinen Kaiserhaus Nr. 970 am hitzigen Frieselfieber beschaut, alt 36 Jahr. Im Freyhof a St. Marx. III Classe in der Pfarre St. Stephan 8 fl. 56 Kr. Wagen 3 fl. Mozarts Nachlass war schon um 1800 dem jungen Offenbacher Verleger Johann Anton André verkauft worden. Über Blätter mit Unvollendetem, nur Skizziertem verfügte die Witwe jedoch weiter und befriedigte damit grosszügig Reliquiensammler oder Souvenirjäger. Gewiss lag Konstanze Mozart daran, durch Zerschneiden von Manuskripten ihren Bestand zu vermehren. Dass sie dabei nicht längs der Linien des Notensystems schnitt, sondern quer zu ihnen, was musikalisch den reinen Nonsens hervorbrachte, rührte nun aber nicht etwa von ihrem Unverstand her, sondern aus der Furcht, andere könnten die skizzierten Noten missbräuchlich für sich verwenden. P.S.: In den ersten Seiten vom zweiten Teil des Buches "Seltsamer Abschied" von Hermann Lenz wird ziemlich realistisch seitenweise die heutige Atmosphäre von Bartenstein und der näheren Umgebung beschrieben, ebenso die Fürstenfamilie (ca. 1980?), Zitat: "Wenn du nach Bartenstein kommst, wirst du staunen", sagte Johann und breitete die Arme aus: "Solch ein Schloss haben wir"! Und er erzählte von den Fürstenleuten, die darin wohnen.
KK.166:
KK.167: "Ein stummes Buch", 1977, 17 x 12 cm, Karton, hergestellt aus sämtlichen herausgerissenen Seiten, ca. 2 cm, und wieder in den Bucheinband gelegt.
KK.168:
KK.169:
KK.170: (Ein paar wenige Karteikarten konnten nicht mit vollständiger Sicherheit eingeordnet werden. Es soll in einer Nacht eine Unordnung geschehen sein. Diesen vorliegenden Text einer Kartei zu wirklichen und imaginären Beiträgen in Sammlungen von Museen aller Art wurde begonnen in eine Erzählung zu verwandeln.): "Die fragmentierte Erzählung". Imaginärer Beitrag für das deutsche Literaturmuseum, Marbach am Neckar. Neugefundener Titel: "Anna-Chronista die Malerin und das plötzliche Himmelszeichen im Dunkel der Augen" (Entwurf, 2004/2005): ..........in meiner Erinnerung, schweife ich nochmals zurück in die manchmal doch so mildtätige Wirklichkeit und zum Anfang, wie ich auf das Schriftenbündel mit den Kärtchen, Zetteln und gefalteten Blättern gestossen bin, von dem ich hier erzählen werde.
Ziemlich früh am Morgen wandere ich unterhalb vom Städtchen Bartenstein am Biergarten der Gaststätte "zum Ettetal" vorbei auf dem moosigen Weg in die Wald-Landschaft. Im Gehölz versteckte Ruinen bezeugen, dass hier vor einigen Hundert Jahren Menschen wohnten. Als ein wenig begangenes Gebiet birgt dies für einen Wanderer in überschaubarem Umfeld alles was sich dieser von einer harmonischen Natur wünschen kann. Schon bald, nachdem ich mich in die "drei Täler" genannte Landschaft begebe, sehe ich am Fusse des einen Hang säumenden Waldes eine riesige, ca. 5 Meter grosse Sintersteinwand. Feuchtes, dunkelgrünes Moos hängt schwer am aufragenden Grund und stellenweise verfärbt sich das Grün in einen leuchtenden orange-ockergelben Farbton und darunter funkeln kleine Rinnsale und an den feinen Flechten glänzen und schillern die Tröpfchen. Der Hang ist noch grösstenteils im Schatten und doch von einer rätselhaften Schönheit. Ein leises Gurgeln und ein feines Plätschern klingt von dem wunderlichen Hain. Einzelne Sonnenlichtflecken im Naturwerk umwerben meine Aufmerksamkeit und die Pracht eröffnet sich beim detailgenauen Schauen. Bezaubert bin ich von dem entdeckten farbig gesprenkelten Käferchen und bin von der kleinen Welt so erfüllt, dass ich mich mittendrin fühle und ich frage mich nicht wie ich dazukomme hier so staunend zu verweilen. Etwas weiter gleitet der Weg über einen Bach der seltsam geordnete Steine als Grund hat, und es lässt sich schwer entscheiden, ob dies ein angelegtes Bachbett ist, oder eine überflutete Strasse. Dann verdeutlichen gemähte Wiesen, dass ich mich nicht in einer unberührten Natur befinde und ich gehe unter Bäumen weiter in das tiefe Tal und überquere wieder das Bachbett auf die Seite gegen den Schattenhang, der bald steil nach oben ansteigt. Weiter aufwärts stehen rechts und links hintereinander die Bäume ähnlich wie Säulen einer Kathedrale und die Äste bilden oben ein Dach in einer Regelmässigkeit wie in einem erdachten, komponierten Muster eines Himmelszeltes. Die Wipfel neigen sich seltsam symmetrisch zueinander und berühren sich und unterstützen so den sakralen Eindruck. Beim Aufwärtsgehen denke ich an den schwarzen Martin, der in meiner Nähe im Schloss Bartenstein wohnt und arbeitet. Wie oft denke ich an ihn? Um es mit dem französischen Schriftsteller Stendhal und seinem Symbol der "Kristallbildung" auszudrücken: Was geht binnen vierundzwanzig Stunden im Kopf eines Liebenden vor? Es ist dies: Wirft man in den Salzbergwerken von Salzburg einen entlaubten Zweig in die Tiefe eines verlassenen Schachts und zieht ihn nach ein paar Monaten wieder hervor, so ist er mit glänzenden Kristallen überzogen. Auch die kleinsten Äste, nicht grösser als der Fuss einer Meise, sind mit zahllosen lockeren, funkelnden Diamanten bedeckt. Der kahle Zweig ist nicht wiederzuerkennen. Kristallbildung nenne ich die Tätigkeit des Geistes, der bei jedem Anlass neue Vorzüge bei der Geliebten entdeckt".
Oben auf dem Hügel angelangt begegne ich einem sehr dicken, massiven Brett auf 2 Pfählen als einfachster, langer Holztisch und darauf plaziert ist ein Bündel Papier, mit gelockerter Schnur ein wenig geöffnet. Dieser wurde wohl auch schon einigemal verregnet und die darin enthaltenen Papiere sind zum Teil gewellt und zusammengeklebt. Eben dieser Haufen, von dessen kunterbunten Inhalt ich hier berichte, und der wohl Martin Schwarz gehörte und auf den sich der Inhalt auch bezieht. Auch bin ich darin auf ein zusammengefaltetes Textblatt gestossen, der dichterisch überhöht seltsam ähnlich ist wie meine Naturerlebnisse auf dem Weg zum hier entdeckten Schriftenbündel, wie wenn eine Person mit denselben Empfindungen die Natur erlebte.... doch vorher noch dieses:
Jetzt, da ich meine Gedanken an Dich richte, aufmerksamer Leser, ordne ich Buchstaben zu Wörtern und diese zu Zeilen. Ich frage mich ob für den beabsichtigten Satz ob die Zeilen dieser Seite zu knapp aneinander stehen und deshalb mehr Abstand hätten haben sollen. Denn durch einen weiten Zeilenabstand wird das Lesen erleichtert, die geschlossene Wirkung jedoch stört. Eine gute Lesbarkeit, ist das erste Erfordernis jeder Druckschrift. Neben einem ausgewogenen Zeilenabstand, kann eine gute Lesbarkeit nur erreicht werden, wenn das Bild eines Buchstabens den zur Verfügung stehenden Raum möglichst ausfüllt, wenn das Bild nicht zu schmal erscheint. Es darf aber deshalb nicht gleich an halbfette Schriften gedacht werden. Schon eine geringe Verdickung der Haarstriche lässt das Bild wesentlich kräftiger und somit lesbarer erscheinen. Das jede Verzierung und Verschnörkelung wegzubleiben hat, ist selbstverständlich, denn durch solch überflüssiges Beiwerk verliert jedes Schriftbild vor allem an Deutlichkeit.
Nun der vorher angekündigte seltsam ähnliche Text:
Fern von Feinden, Missgünstlingen und quälenden Liebschaften, unerreichbar für Lärm und synthetische Farben, wartet ein Ort, der ist mir vertraut und unheimlich zugleich. Dahin führt mich an Abenden mit länger werdenden Schatten vom tiefen Verlöschen eine unerklärliche, sanfte Macht. Da stehe ich geborgen in hohen Büschen, wie keine Burg besser bergen könnte. Wäre nicht hinter den Blättern und Geäst abgrundleere Dunkelheit, dass ein sehendes Auge sowenig zu erkennen vermag wie ein blindes. Verweilend, eine süsse Müdigkeit lockt mich, selbstvergessen bin ich gefangen in der sanften Macht, im unwiderstehlichen Ziehen, dem leichten Stossen mit verstummend fragendem Wohin. Die Dunkelheit erscheint, als läge in ihr meine Heimkehr, und die Erde verspricht mir bei einem Niedersinken innige Wonne wie ein Federbett im Winter, gewärmt mit der Liebsten, vereint im Traum der Ungeborenheit. Zeitlos kommt die Nacht; mein ich verliert sich in dunkelstes Licht, in eine unermessliche Stille in mir, weit hinter mir. Abschied von Allem: Die Hingabe in das endlich endende Sehnen bringt eine wunderbare Fülle von niegeahnt glückseligen Empfindungen voller und voller, trägt mich in einen köstlichen Rausch von namenloser Wollust, mehr und mehr, in ein verklärtes Kristall aus puren Lichtstrahlen, heller und heller, inmitten von ungezählten, riesig wallenden Wogen, in ein strömendes Meer endlosfeinstrukturierter Ornamentbahnen aus zerschmelzenden Wasserfeuerwerken, verwandelnden Lichtbrunnen, transparenten Spiralwolken, wirbelnd und schwebend in niegesehener Schönheit mit lieblichdonnernden Klängen verwebt. Schillerndglimmendes-zitternd-glitzerndes Funkeln, aufbäumend-durchdringendes Niedersinken zerbricht, zerfällt, zerstäubt sich ordnend in eine pulsierende Harmonie tausend tanzender Reigen von Tränen der gesättigten Freude, ewigvereint mit ungebändigt-zarten Küssen von reinen Honiglippen. In dieser grenzenlosen Glorie, einmalig im Wechsel des Unveränderlichen, ist ohne Anfang am Ende der Unendlichkeit alles absolut g....
"Du",
ein laut gesprochenes Wort. Erwachend zwischen hohen Büschen bin ich kraftlos von der Hingabe. Ein falscher Freund steht an meiner Seite, spricht von Glück und Ruhm, Kampf und Geld, Erinnerungen und Erwartungen. Ich nenne ihn willkommen. Gemeinsam belächeln wir den wiedereinmal aufdringlich-kitschig gewesenen Sonnenuntergang, der von einem schlechten Dichter mit viel Pathos beschrieben worden wäre, und in dieser nun nüchternen Nacht verlassen wir ziellos den mir unheimlichen und zugleich vertrauten Ort. Jedoch jetzt in der Wirklichkeit ist es noch ziemlich früh am Morgen und ich nehme mir wieder einige Blätter aus dem Schriftbündel und es wird von einem Atelier berichtet in dem der schwarze Martin vor vielen Jahren lebte (oder sind es Spuren von einem dunklen Märchen?): "Die unbunte Farbe Schwarz", Schloss Schwarzenbach. Im königlichen Schloss Schwarzenbach arbeitete Martin Schwarz zwei Jahre, Sommer 1985 bis Sommer 1987. Nur wenige Minuten vom SBB-Bahnhof Schwarzenbach bei Wil (St. Gallen) steht das stattliche Schloss Schwarzenbach, durch Rudolf von Habsburg im Jahr 1273 erbaut. Im gleichen Jahr trat Rudolf von Habsburg als Hauptmann der Zürcher Truppen (mit denen er zuvor die Uetliburg, Burg Baldern, Burg Wulp im Küsnachter Tobel und das Städtchen Glanzenberg an der Limmat gestürmt und zerstört hatte) zurück, da er Anno 1273 zum deutschen König (des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) gewählt wurde. In der Folge war er gezwungen, das ihm durch seine Wahl übertragene Königsamt gegen den Gegenkönig Ottokar von Böhmen, der sich diese Würde selber zugelegt hatte, zu verteidigen. Mit seinen Stammtruppen, Aargauern, Zürchern, Thurgauern und St. Gallern, sowie mit den aus den übrigen deutschen Landen stammenden Zuzugstruppen zog er Ottokar entgegen, schlug diesen und konnte in der Folge österreichische Lande annektieren. Als König bestätigte Rudolf von Habsburg den Zürchern und den Urkantonen ihre Rechtsunmittelbarkeit und verlieh ihnen weitere Rechte. Er war ihnen, insbesondere den Zürchern, bis zu seinem Tode dankbar und diese sowie die anderen deutschen Lande waren in ihren Geschichtsbüchern bis ins 19. Jahrhundert voll des uneingeschränkten Lobes über ihn. Unser Aargauer und Zürcher Hauptmann gilt als Gründer eines während rund 650 Jahren an der Macht gebliebenen Kaiserhauses, das wie kein anderes in ganz Europa die europäische Geschichte während Jahrhunderten beeinflusst hat. Rudolf von Habsburg muss daher als die geschichtlich bedeutendste Persönlichkeit, die aus der Schweiz stammte, bezeichnet werden. Hier eine Aufzählung von Bildern, die im Schloss ausgestellt werden konnten oder worden sind: "Hommage an die nicht gedachten Gedanken", schwarzes Bild, das Glas rückseitig mit schwarzer Farbe vollständig bemalt, 50 x 50 cm. Eine später erstellte Replik in breitem schwarzen Rahmen, Bildgrösse 100 x 70 cm, ebenfalls Glas rückseitig vollständig schwarz bemalt. "Im Schatten der Nacht gewachsene Nachtschattengewächse": "Atropa Belladonna (Tollkirsche)", "Hyosciamus Niger" (Bilsenkraut), "Datura Stramonium" (Stechapfel), "Atropa Mandragora" (Mandragorawurzel), 1971, Collage aus schwarzem Papier, 50 x 50 cm, Variante: 1971/73 Mischtechnik auf Plexiglas 100 x 70 cm. Im Schloss ist ein Zimmer reserviert für die Nachtigallerator-Kammer von Professor Dr. Abdul Nachtigaller. Dies wäre der dunkelste Ort im ganzen Universum! Schon bei halber Kraft erreicht dieser Generator Werte um 400 Nachtigall - das entspricht der Dunkelheit von 400 luftdicht ineinander geschlossenen Kühlschränken. Der Nachtigallerator, ein Triumph der Dunkelheitsforschung (Nachtigallik), schneidet besonders dunkle sternenlose Stücke aus dem Nachthimmel, filtert sie und füllt sie ab. Zurück bleiben abgrundtief schwarze Löcher über deren Herkunft sich Physiker bis heute den Kopf zerbrechen. Hier ein zusätzlicher Ausstellungsbeitrag zur unbunten Farbe schwarz. Ein noch nicht gemaltes Bild nach Kasimir Malewitsch: Das Romantische und das Absolute. Kasimir Malewitsch gilt als der Erfinder des schwarzen Quadrates für die Kunst. Dieses scheinbar allereinfachste Bild, 79,5 x 79,5 cm zu malen (1914 oder 1915), erschöpfte ihn nach eigener Erzählung so sehr, dass er eine ganze Woche weder trinken, essen, schlafen konnte. 1935, bei seinem Tod, wurde an seiner Grabstätte ein weisser Holzkubus mit einem schwarzen Quadrat auf der Frontseite aufgestellt. Dieser Holzkubus verwitterte und verfiel im Laufe weniger Jahre. Eine Foto zeigt die Grabstätte in einer romantischen Umgebung. Von der Grabstätte existiert eine Fotografie mit Gebüschen und Wiesen einem grossen Baum in der Bildmitte. Diese Idylle ist für Martin Schwarz die Vorlage für das Bild "Das Romantische und das Absolute". Aber nicht nur das Grab von einem berühmten Künstler interessierte den schwarzen Martin. Er empfand die Nähe von Leben und Tod so nahe nebeneinander wie nur durch eine durchsichtige Wand getrennt. Er suchte auch diese Empfindung auf seinen Wegen zwischen fremden Grabstätten, mit manchmal bereits verwitternden oder ganz verlorenen Namen. Er berichtet: Am Abend eines düsteren Tages sah ich auf dem Melaten-Friedhof in Köln einen Grabstein, auf dem der Name "Martin Schwarz", welcher auch mich benennt, eine Weile der Vergänglichkeit trotzt. Empfand der Träger dieses schwarzen Namens vor seiner ewigen Nacht, so wie ich, sich manchmal nur als einen Schatten und sein Leben als einen Irrtum und einen Traum? Suchte er sich selbst, im Dunkeln tappend, oft vergebens? Oder schlich er, wie eine Blindschleiche durch im Schatten der Nacht gewachsene Nachtschattengewächse schleicht, blind durch das Leben? Wurde Schwarz einer schwarzen Seele, eines schwarzen Herzens bezichtigt, weil die Welt es liebt, das Strahlende zu schwärzen, obwohl auch schwarzes Licht nicht schwärzer als schwarz sein kann? Wird vergessen, dass er und ich durch dieses Anschwärzen an Glanz gewinnen, wie das Leuchten der Sterne um so mehr erscheint, je dunkler der klare Nachthimmel ist. Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann, weil viele im Dunkeln munkeln, dass man sich nicht zu dem gesellen soll, durch den man in den Schatten gestellt wird? Kein rabenschwarzes Pech wirft seine Schatten voraus, denn wir sehen nicht schwarz, wenn eine schwarze Katze unsern Weg kreuzt, und wir haben eine weisse Weste als Schwarzfahrer, Schwarzseher und Schwarzarbeiter, so brauchen wir keine nächtlichen schwarzen Messen mit schwarzer Magie im tiefen Schwarzwald. Wir ärgern uns auch nicht schwarz, wenn wir auf schwarze Listen kommen, weil wir im Schwarzen Meer baden oder auf dem Schwarzen Markt kaufen. Nur die düster-schweren Gedanken um die schwarzen Löcher hinter dem Licht im weiten Weltall könnten auch uns umnachten, sind mit dem schwärzesten Humor nicht zu erhellen, und so denken wir lieber an die anderen schwarzen Löcher, die Pupillen, das schwärzeste am Menschen, durch die die Welt in ihrem Licht zu erkennen ist, denn welcher Lebendige, Sinnbegabte, liebt nicht vor allen Wundererscheinungen des verbreiteten Raumes um ihn, das allerfreuliche Licht. Ebenso lieben wir die Finsternis und sagen zu uns selbst: Ja, kehre nur der holden Erdensonne entschlossen deinen Rücken zu! Und zu diesem Schritt sich heiter zu entschliessen, und wär' es mit Gefahr ins Nichts dahin zu fliessen (Goethe). Nicht aus diesem Grunde tagen wir schwarze Kleider, aber auch nicht wie andere nur zu besonders feierlichen Anlässen, denn wir wissen, auch schwarze Kleider machen keine Leute, so wie wir auch wissen, dass, wenn jemand Schwarz heisst und er Maler ist, er deswegen kein Schwarzmaler (mARTin Schwarz) sein muss, denn sonst wären wir, wenn wir Süss heissen würden, unbedingt Zuckerbäcker.
Oder ein Mariengläubiger? Über die Schönheit von einem Namen (Maria) von Alphons von Liguori geschrieben und gesammelt: Der erhabene Name Maria, welcher der Mutter Gottes gegeben wurde, ist nicht auf Erden erfunden worden, auch nicht von dem Verstande oder den Absichten der Menschen erdacht worden, wie dies bei allen anderen Namensgebungen der Fall ist. Er ward vom Himmel gewählt und nach göttlichem Ratschlusse verliehen. Er ist über alle anderen Namen erhaben und verleihet solche Majestät und Macht, dass, so er ausgesprochen wird, alle auf ihren Knieen ihn verehren sollen; der Himmel und die Erde und die Hölle (Dedit tibi, Maria, tota Trinitas nomen quod est super omne nomen, post nomen Filii tui, ut in nomine tuo omne genu flectatur coelestium, terrestrium et infernorum. De Land.B.M.1.1.c.2.). Der Name dieser jungfräulichen Mutter ist ihren Verehrern eine Wonne im Herzen, Honig im Munde, Wohlklang im Ohre. Der ehrwürdige Pater Juvenal Ancina, Bischof von Saluzzo, empfand, wie in seinem Leben erzählt wird, beim Nennen des Namens Maria eine so grosse Süssigkeit, dass er sogar seine Lippen ableckte und eine Frau in Köln habe dem Bischofe Marsilius bezeugt, dass sie, so oft der Name Maria ausgesprochen werde, einen Geschmack im Munde verspüre, der süsser sei als Honig. Richard von St.Lorenz stellte die Frage, warum die Engel nach den Worten des Hohenliedes bei der Himmelfahrt Maria's so oft nach dem Namen dieser Königin fragten und anwortet, weil sie begehrten den ihnen so süssen Namen Maria zu hören (Forsitan quia dulce nomen Sibi desiderant responderi. De Land. B.M.loc.cit.). Doch will ich nicht von der fühlbaren Süssigkeit sprechen, welche für gewöhnlicht nicht Jedermann empfängt, sondern von der heilsamen Süssigkeit des Trostes, der Liebe, der Freude, des Vertrauens, der Stärke, welche der Namen Maria all denen bringt, welche ihn mit Andacht aussprechen. Diese Süssigkeit bezeugte auch der selige Heinrich Suso, als er sagte, dass er im Aussprechen des Namens Maria sich zu solchen Vertrauen erhob und mit so freudiger Liebe entzündet fühlte, dass er nur unter Tränen der Freude diesen geliebten Namen hervorbringe und glaube, es steige sein Herz aus der Brust in den Mund; indem der süsseste Name in den tiefen der Seele wie eine Honigwabe zerfliesse. O süssester Name pflegte er auszurufen, o Maria, was musst du selber sein, wenn schon dein Name so lieblich und gnadenvoll ist!
Jetzt sind wir wieder bei mir, der Anna: zugeneigter Leser, ja ich bin noch da, ich Anna-Chronista die Malerin und verstehe diese Marienbewunderung vom schwarzen Martin wenig und ich muss schmählich eingestehen: - ich bin nicht nur fast, sondern wirklich ein wenig eifersüchtig auf diese unschlagbare Konkurrenz, welche seine Emotionen bindet. Mit Schmerz und auch etwas Agression wende ich mich der Malerei zu. Wie soll ich mein Befinden beschreiben, zu malen, ohne an die Malerei zu glauben, da mein Innerstes vom Martin ganz ausgefüllt ist? Denn alle Leinwände oder sonstigen Bildträger schmücken sich oder bedrängen den Betrachter mit Farbe und Form, ob entstanden im Wettbewerb der Schmierfinke oder als geometrische Konstruktionen in neu renovierten Räumen für mathematische Lehrveranstaltungen. So werde ich nun wieder den Pinsel schwingen und in meiner Sucht nach dem Duft von Terpentin verteile ich die Farbe weiter auf der Leinwand in sich überschlagenden Farbfleckenwellen, in kleinen Pinselstrichen die sich zu grösseren Flächen ergänzen, mit Emotionen begleitetes, rythmisches Schraffieren, wie die Visualisierung von Musik, in einem Farbenfest mit spannender Disharmonie von rythmisch geglückten und missglückten Pinselstrichen. Zerstörte Ornamente, die sich neu arabesk ordnen und in den Details so gemalt sind, wie wenn diese ein imposant-grosses Bild zeigten. Malen und weitermalen bis zur Erschöpfung, bis zum Pinsel weglegen und mich etwas ganz anderem zuwenden. Nein, doch noch weitermalen! Malen und das Tempo beibehalten, zufällige Farbverläufe zulassen. Gefällige Formenlinien unterbrechen um zu erreichen, dass mein Werk eine überraschende Wendung im Duktus erhält. Dann versuche ich unbestimmte Bilder die sich um die Wörter in meinen Gedanken ranken in Farben umzusetzen: Der prächtige Königsmantel mit dem grauen Topf vom armen Tropf. Meine Malerei beginnt wenn die Farben aus der Tube auf meine Palettenteller gedrückt werden. Dies ist der Urgrund aus dem meine Bilder entstehen und auch zu diesen dazu gehören. Der Zufall (gibt es den überhaupt?) gestaltet meine Tellerfarbpaletten und diese Farbmischungen übermale ich teilweise später wiederum und ebenso Dinge die um meine Malwerkzeuge sind.
Nun gehe ich Farbenkaufen. Gehe ich nach links, gehe ich nach rechts? Kaufe ich Farben oder lasse ich es sein? Warum bin ich da und nicht dort, jetzt nicht gestern und nicht erst morgen? Dann völlig unvorbereitet begegne ich Dir und im selben Moment empfinde ich: da steht mein Mann vor mir! Wie ein plötzliches Himmelszeichen und ich bin verwundert, erstaunt und fast erschrocken. Aber warum, warum nur mein Allerliebster, Du mein Mann, als wir uns im Dunkel unseres Blickes versanken, warum, warum zögerten wir uns an der Hand zu nehmen und in Liebe verfallen einen unbekannten Weg zu gehen? Ich weiss, wir beide dachten dasselbe: Da bist Du! ...mein Leben und mein Tod! Was ich nicht weiss, eben warum wir zögerten. Alles hätten wir sein lassen sollen und sofort ein Plätzchen suchen und wenn es nur die Geborgenheit von einem ganz fremden Hotelzimmer ist, denn von liebendem Begehren erfüllt, benötigen wir als erstes und unbedingt das Ausschliessen von aller Welt die etwas anderes als unser Wir ist und das Angenehme von einem weichen Bett um die anfänglich schüchternen Zärtlichkeiten spüren zu können, der feine Hauch unseres Atmens, das Herzklopfen im Zueinander schmiegen, das mit den Finger ineinanderspielen. Das Erleben der Ohnmacht im Glück in einem zeitlosen Jetzt. In der Körperwärme werden uns köstliche Gedanken geschenkt mit gewaltig-feinen Empfindungen. Da bin ich nun gelassen von Dir mein Glück, du mein Martin, allein mit meinen Farben, ohne unser gemeinsames Schauen und Erleben. So will ich mich malen so gut ich kann in meinem schönsten rot - schwarzen Kleid umgebe von geöffneten weissen, textlosen Büchern, die eben nicht einmal berichten können von dem ungelebten Leben. So will ich auf diese Weise mich Dir zeigen und hoffen, Du kannst das Bild bald einmal sehen. Das Bild ist keine Klage, es ist vielleicht das Nichtsein von etwas göttlichem in einer in ein unendliches Nichts führenden Perspektive. Du weisst ja, ich bin, wie man dies nennt - religiös, darum glaube ich, mein Leiden muss einen höheren Sinn haben, ich sehe die Welt nur noch durch eine Tränenwand; aber doch und ach, wenn ich jetzt daran denke, dass Du nicht bei mir bist, steigert sich die Sehnsucht, und wenn ich daran denken muss, dass Du vielleicht niemehr bei mir bist, verwandelt sich die Sehnsucht in eine Angst und mein liebendes Herz befindet sich in einem Labyrinth einer grenzenlosen Verzweiflung und drängend und ziehende Kräfte in meinem Innern lähmen mich, ich kann kaum mehr atmen und nicht mehr weiterschreiben, schreiben, schreiben... schr...
Darum, komm, nimm Dir meinen Stolz. Komm doch nimm Dir meine Ehre, mein Geld, meine Gesundheit, nimm Dir von mir alles, jedoch lass Dich lieben! Zerstöre mich, erniederige mich, missachte mich, jedoch lass Dich von mir lieben. Du Martin, sei noch mehr in meinen Gedanken, Du sei ganz meine Gedanken, sei mein ich und lass Dich lieben!
Aber Du bist nicht da und deshalb vertiefe ich mich weiter in Deinen von Dir gesammelten Texthaufen. Auf dem Gefälle der Papier-Schichtungen auf der Rückseite gegenüber von meinem Sitzplatz ist ein quirliges Leben von Kleinsttieren. Fliegen, Mücken, Marienkäfer und vorwiegend Bienen tummeln, sirren und kriechen. Ein bernsteinfarbener Lebensraum von getränkten Papieren, durchscheinend glänzend und stellenweise in tiefrotem Leuchten und in hellrosa Verfärbungen. Es ist eine Höhle die Wände triefend von Kirschenmarmelade und Honig. Verklebte Seiten aus dem Buch von Maurice Maeterlinck "Das Leben der Bienen" lässt mich an einem königlichen Hochzeitsausflug teilnehmen:
Sehen wir indessen zu, auf welche Weise sich die Begattung der Bienenkönigin vollzieht. Auch hier hat die Natur ausserordentliche Massregeln ergriffen, um die Vereinigung der beiden Geschlechter aus verschiedenen Stöcken zu begünstigen, ein seltsames Gesetz, zu dem sie durch nichts gezwungen wird, eine Laune vielleicht oder Unachtsamkeit, deren Wiederausgleichung die wundervollsten Kräfte ihrer Wirksamkeit verschlingt. Es ist höchst wahrscheinlich, dass, wenn die Natur zur Erhaltung des Lebens, zur Milderung des Leidens, zur Herbeiführung eines sanfteren Todes, zur Fernhaltung der schrecklichsten Zufälle halb soviel Geist aufgewandt hätte, als sie für die kreuzweise Befruchtung und einige andere willkürliche Einfälle vergeudet, das Rätsel des Daseins uns minder unbegreiflich und erbarmungswürdig erschienen wäre, also so, wie es sich jetzt unserer Wissbegier darstellt. Doch wir dürfen unser Bewusstsein und den Anteil, den wir am Dasein nehmen, nicht aus dem schöpfen, was vielleicht hätte sein können, sondern aus dem, was ist.
Die jungfräuliche Königin lebt also in der kribbelnden Enge des Bienenstockes mit einigen hundert sie umschwärmenden Drohnen oder männlichen Bienen, die voller Übermut in stetem Honigrausche leben und keinen anderen Daseinsgrund haben als die Vollziehung eines Aktes der Liebe. Aber trotz der ewigen Berührung der beiden Geschlechter, die überall woanders alle Widerstände überwinden, findet die Begattung niemals im Bienenstock statt, und es ist noch nie gelungen, eine eingesperrte Königin zu schwängern. Die sie umringenden Drohnen kennen sie nicht, solange sie in ihrer Mitte weilt. Sie fliegen aus und suchen sie im Luftraum, in den verborgensten Winkeln des Horizontes, ohne zu ahnen, dass sie sie eben verlassen haben, dass sie mit ihr auf derselben Wabe schliefen und sie bei ihrem ungestümen Aufbruche vielleicht angerannt haben. Man möchte sagen, ihre prachtvollen Augen, die ihren ganzen Kopf mit einem blinkenden Helme bedecken, erkennen sie und verlangen nur dann nach ihr, wenn sie im blauen Äther schwebt. Jeden Tag von Mittag bis um drei Uhr, wenn die Sonne am höchsten steht, fliegt ihre federgeschmückte Horde zur Eroberung der Gattin aus, die königlicher und unvergleichlicher ist als die unerreichbarste Märchenprinzessin, denn zwanzig oder dreissig Stämme sind von allen Stöcken der Nachbarschaft herbeigeströmt und umschwärmen sie: ein Gefolge von mehr als zehntausend Freiern, von denen ein einziger zu einer einzigen minutenlangen Umarmung auserkoren wird, die ihn dem Glücke, aber auch dem Tode vermählt, während alle anderen das engverschlungene Paar als unnütze Begleitung umschwirren und bald darauf umkommen werden, ohne das schicksalsvolle Zauberbild wiedergesehen zu haben.
Ich habe ein nächstes Schriftblatt in Händen.
Ein gewelltes Blatt von der Arche Noah. Von Liebe und Triebe: ....sie, die Anna, ist glühend vor Liebe, und nicht weniger harmlos als ein Jäger der sich durch das Gestrüpp des dicksten Urwaldbusches kämpft. Auf die Zähne beissend mit fast starrem Blick und angespannten Gesichtsmuskeln drängt sie durch städtische Menschenmassen. Anrempeln da, - wegdrängen dort und lebt keine Konventionen. Sie ist voll und ganz der lautere Wille zu ihm zu kommen. Ein wildes, selten-schönes Tier und im Schweiss badend kleben ihr die Haare wie ein wirres Ornament um ihr Antlitz. Das lange, rot-schwarze Kleid, der Rock ist am unteren Saum mehrfach eingerissen, ausgefranst, strassendreckbeschmutzt. Ohne Schuhe, mit roten, aufgeschürften Knöcheln. Ein fieberndes Glück erfüllt sie: Ich will zu Dir! - ich bin bald bei Dir!, - dann können wir uns verschmelzen. Ungeduld, ungezähmt vorwärtstreibend zwischen vielen Fremden, - Gesichter sehen und sogleich übersehen, eigentlich gar nicht sehen. Herzklopfen, Händezittern, ausser Atem sein. Ich will zu Dir! - ich bin nur dieses Wollen und die Erwartung ist schon jetzt der schöne Schmerz der Erfüllung im Beieinandersein. Tapfersein, durchstehen, weitergehen, nicht mehr sehen, - weitergehen - näherkommen.
So berichte ich weiter von durch Wasser gewelltem Papier, oft sind die Schriften völlig ausgewaschen oder nur fragmentarisch lesbar: Von mir steht geschrieben - ich bin es!
Ich bleibe die Närrin im Liebeswahn. Der Geliebte ist überall und spricht durch alle Mitmenschen. Bei allen, die sich verabschieden und sagen: "Auf Wiedersehen", vermeine ich zu hören: "Du wirst ihn bald wiedersehen!" Bekomme ich von einem fremden Chef zu hören: "Auf Sie ist kein Verlass!" verstehe ich: "Der geliebte wird sie nicht verlassen, - bestimmt! "Ja bestimmt, mit jedem wiederkehrendem Atemzug und jedem Regentropfen kommt Du zu mir und bleibst bei mir. Auch jedes Lüftchen weht Dich zu mir, Du mein Windbräutigam - Du streichelst und beseeligst meine Haut und verzückst mein Innerstes. So bist Du da, - leg Dich zu mir in unser Bett und halte mich, komm nahe, erzähl ein wenig, wie es Dir ergangen ist und dann nimm mich.............
Nachtrag von Unbekannt: Es ist mir eine Freude, dass ich berichten kann, die Anna nahm meine psychologische Hilfe an. Ich habe ihr alles erklärt.: Der Lebens- und Liebestrieb als die schönste Krankheit (die einen glauben zwar, es sei das wahre Leben), der Kitsch wie in den französischen Chansons oder den deutschen, schnulzigen Pop-Songs usw. usw. Sie sagte nach jedem Satz nur : "Ach so, Aha, Ach so - ach so". Das Gespräch endete in Schweigen. Sie hatte das Malen gelassen und doch noch zu ihrem Martin gefunden und beide lebten dann bescheiden, zufrieden, ziemlich normal und glücklich zusammen.
KK.171: "Tina Ramses", E.T.A. Hoffmann-Haus, Bamberg. Der Riss im Eigenen oder Fragmente einer numinosen Liebe. Schwarze Schachtel mit Gold gesprenkelt, mit etlichen kleinen Schachteln, welche kleine und kleinste Objekte beinhalten. Spuren verschiedenster Art. so z.B. ein Glas mit einer verflüchtigten Schnee-Spur. Briefumschlag mit Notizen mit und ohne Deutungen. Verweis auf eine Fotografie des Türknaufs in Bamberg, Eisgrube 14, von A. Steber, verwahrt in der Staatsbibliothek Bamberg.
KK.172: "Das Schweisstuch", nach Feti, 1975, Privatsammlung Mark Le Jeune, Kapellen/Belgien.
KK.173: "Die abwesende Felsengrotten-Madonna", 1974/75, Öl auf Holz (Hartfaserplatte), 190 x 120 cm, nach Leonardo da Vinci, (Entwurf). Lindenau-Museum, Altenburg.
KK.174: "Ein Gast von Nihil", 1972/76, 46 x 35 cm, Farbdruck-Spuren.
KK.175: "Van Gogh malt mich 55-jährig"
KK.176: "Die Sternennacht van Goghs", 1977, mit Ölfarbe vollständig schwarz gemalt. Sammlung Bazon Brock.
KK.177: "Die Tischlerprüfung". Verlangt wurde ein künstlerisches Gesellenstück - Halb-Tisch, Halb-Mensch. Der Geselle investierte alle seine Kräfte, denn innerhalb von 5 Wochen musste das Prüfungsstück zur Begutachtung bereit sein. Hier Auszüge aus den damaligen Anforderungen:
Es mussten Holzstücke auf eine Bohle oder ein Brett mit möglichst wenig Verschnitt aufgezeichnet werden. Bei der Auswahl der einzelnen Stücke musste die Holzstruktur richtig erkannt und der Zuschnitt unter Beachtung der natürlichen Eigenschaften des Holzes vorgenommen werden. Es war die Fertigkeit in der Führung des Sägens und Hobelns nachzuweisen, und die Sägeschnittflächen mussten eine gleichmässige Schnittspur zeigen. Also deckte er sich ein mit den unterschiedlichsten Hölzern, konstruierte seinen Plan, wie aus der Tischplatte der Mensch herauswachsen soll. Als erstes hobelte er aus einem sehr harten Hartholz das Schlüsselbein, welches dann wie ein Strebepfeiler zwischen das geplante Brustbein und die Schulter eingefügt werden soll. Die gehobelten Flächen und Kanten bearbeitete er mit mehr als fachüblicher Genauigkeit, hobelte winkel- und fluchtgerecht, bearbeitete weiter mit Ziehklingen und Schleifpapier, dass die Hobelansätze nicht mehr zu sehen waren. Während Tagen verfeinerte er seine Konstruktion, das Schulterblatt, welches ja zum grössten Teil an der hinteren Fläche des Brustkorbes gelegen ist, bearbeitete er in tagelanger Feinarbeit. Er arbeitete, ja er schuftete sogar bis tief in die Nacht, und vergass beinahe das Essen, und war bald fast nur noch Knochen und Haut. "Ist es wohl genügend gut, mein Prüfungsstück", - dachte er sich, als er an der Unterschulterblattgrube schnitzte. Er hobelte aus, machte Falze, Nuten und Kehlungen mit dem Falz-, Sims-, Nut- und Kehl-Hobel. Der überarbeitete Tischler fertigte in der ganzen Länge gleichmässig, und stellenweise organischgeschwungen. Nun stand schon alles in ziemlicher Stabilität auf der Tischplatte, und er, als ein lebendiger mit vollem Arbeitseifer, versuchte die Fugen am Ende der Bretter zu schliessen, und er bewegte sich wie ein lebendes Skelett um seinen Tisch-Holzknochen-Bau. Arg Mühe bereiteten ihm die beiden Unterarmknochen, Elle und Speiche, und er verzweifelte fast, als er entdeckte, dass er die Speiche irrtümlicherweise an der Kleinfingerseite enden liess und die Elle auf der Daumenseite. Er änderte dies, und mit kleinsten Holzstückchen machte er sich an die Arbeit der Hand. Die Handwurzelknochen, bestehend aus 8 kleinen, meist vieleckigen in zwei Reihen gruppierten Knochen, bearbeitete er aus Stirnholz mit Bohrer, Mikrosäge, Raspel, Schneidewinkel und Schleifpapier. Diese tage- und nächtelange Feinarbeit erschöpfte ihn nun völlig, die vorbereiteten Holzstückchen für die Finger blieben neben seiner erlahmten Hand liegen. Ein halblebendiger Holz- und Knochenhaufen derartig in Form und Farbe verbunden, gelblich bleich mattiert und halb gebeizt, und so hätte ein Betrachter den Tischknochenmenschen fast nicht mehr vom Holzarbeiter auseinanderhalten können. Den Tischlergesellen ängstigten die eigenen nächtlichen gespenstischen Schattensilhouetten, seine einzigen Begleiter. Die begonnene Furnierarbeit war nicht mehr zu bewerkstelligen, entkräftet brach er leider vor der Fertigstellung des tragenden Gerüstes seines Tischmenschen zusammen. Er verstarb, und der Furnierleim tropfte von der Tischplatte.
KK.178: "Die unmögliche Kunstwerkplatzierung", Nicht für das Schubladenmuseum von Herbert Distel. Eine kleine Skulptur, die im Museum mit 500 Räumen kein Platz mehr hatte, als Ergänzung zu dem bereits bestehnden Beitrag von Martin Schwarz. Die kleine minimalistische Skulptur ist genau das Volumen eines Raumes (schwarz bemalter Holzklotz) im Schubladenmuseum von Herbert Distel (heute im Besitz des Kunsthauses Zürich). Das Schubladenmuseum, ein ausgedienter Nähseidenspulenkasten aus einem alten Merceriegeschäft, beinhaltet 500 kleine Räume, verteilt auf 20 Schubladen zu je 25 Fächern. Jeder Raum misst 5,7 cm in der Breite, 4,3 cm in der Höhe und 4,8 cm in der Tiefe. In jedem der 500 Räume ist ein originales Werk eines zeitgenössischen Künstlers untergebracht. Das ganze Museum steht auf dem 501. Werk, dem Metallsockel von Ed Kienholz. Dieses nicht bestehende Objekt für die "unmögliche Kunstplatzierung" wäre eine kleine Skulptur, und ist eine Variante zu dem bestehenden Beitrag im Schubladenmuseum. Die Fülle von 4000 Nichts, 1977 (2000 kleine schwarze Zettel auf der Vorder- und Rückseite mit dem Wort "Nichts" weiss bedruckt). Diese Arbeit ist das weltweit am meisten gereiste Werklein von Martin Schwarz (ausgenommen vielleicht das Bild der abwesenden Mona Lisa), und wie mir Frau Dr. Marianne Büchler erzählte, kam es in Venezuela zum Malheur, dass viele Zettelchen, die lose im Raum lagen, durch den Transport im Museum verstreut wurden und eingesammelt werden mussten und vielleicht auch einige Zettel verloren gingen. Ins Nichts verloren? Was ist mehr ein Nichts: Ein schwarzer Zettel mit dem Wort Nichts, oder ein schwarzer Zettel ohne das Wort Nichts? Ist ein schwarzer Zettel ohne das Wort "Nichts" nur einfach ein schwarzes Papier, oder ein schwarzes Papier mit dem Wort "Nichts" durch eben dieses Wort schon mehr als Nichts?
KK.179: "So weiss wie schwarz", (Hommage an Pierrot Manzoni). Für das Museum, welches innen und aussen am schönsten weiss getüncht ist. Ein weisses Hühnerei mit weisser, matter Dispersionsfarbe bemalt. 1981 als unsigniertes multipliziertes Kunstwerk in einer Auflage von 12 Stück hergestellt. Es liess sich jedoch für 5 Schweizer Franken kein einziges verkaufen. So war Martin Schwarz weder ein guter Kunst- noch ein guter Eier-Händler, und er hat die Eier nach und nach selbst verspiesen. Andere Arbeiten sind seine Ölbilder nach van Gogh, welche er völlig weiss nachmalte. Aus dem Buch "Das Material der Kunst" von Monika Wagner: "Rund hundert Jahre später hat der Schweizer Maler Martin Schwarz, der durch zahlreiche Überarbeitungen und Zitate bekannter Werke aus der Geschichte der Kunst von sich reden macht, den Glauben an die Authentizität der Spur des Künstler im Farbmaterial erschüttert. 1989 übertrug Schwarz van Goghs Gemälde "Die Kirche von Auvers" in monochromes Weiss. Der Gegensatz zu der heute gängigen Vorstellung von van Gogh als dem Maler der brennenden Farben, der schwefelgelben Sonnen und der Himmel aus "reinem Kobalt" könnte nicht grösser sein. Dennoch lässt sich nicht behaupten, der Maler von heute habe in seinem monochrom weissen Bild van Goghs Farbe ausgelöscht. Zwar hat er die Farbigkeit getilgt, hat dadurch aber den Materialcharakter der Farbe gerade zum Thema erhoben. Im monochromen Weiss kommen die materialen Eigenschaften der zeichnerisch in die Farbmaterie eingegrabenen Faktur, wie sie für van Goghs späte Arbeiten typisch ist, am stärksten zum Ausdruck. Denn die Vertiefungen und die Grate seines energischen, höchst disziplinierten Farbauftrages, der die Farbe wie ein energetisches Potential in Spannung versetzt, treten bei Schwarz durch die Schattenbildung in der einförmig hellen Farbmaterie um so stärker hervor. Jedenfalls bringen sie genau die in der Rezeption von van Goghs Malerei stets der Farbigkeit zugeschlagene Qualität des bearbeiteten Farbmaterials zum Vorschein. In Schwarz' Hommage wird jedoch nachhaltig bezweifelt, ob der Spur des Künstlers im Farbmaterial, die als Inbegriff authentischer Schöpfung gilt, oder der Faktur als Psychogramm überhaupt zu trauen sei.
KK.180:
KK.181: "Die Kunst-Menagerie", Eine Kunstausstellung auf Wanderschaft, wie ein Zirkus-Unternehmen. Grosse Sammlung von Bildern und Objekten zum Thema Tier. Auch schriftliche Konzepte, 15.2.1983.
Z.B. Martin Schwarz, Institut für Avantgardedekadenz, Hohlandstrass 11, 8404 Winterthur, Tel. 052 27 56 08, Konzept 1, Ferngesteuerte kinetische Ziege. An einer lebenden Ziege werden von einem erfahrenen Neurologen in das Bewegungszentrum des Gehirns Elektroden gezielt einoperiert. Ebenso mitten auf dem Kopf eine Antenne. Dazu gehört eine drahtlose Fernsteuerschaltung für den Ausstellungsbesucher, ähnlich wie sie zu einem ferngesteuerten Spielzeugauto gehört. Damit werden der Ziege schmerzlose Stromstösse übermittelt, welche diese zwingen, Bewegungen in ästhetischer Form, nach dem Willen des manipulierenden, kreativen Kunstliebhabers auszuführen. Zum Beispiel: Verhaltenes, rhythmisches SPRINGEN nach vorn, mit eingeschobenem, elegantem DOPPELHUPF mit anschliessend schön drehender KREISBEWEGUNG im Raum nach links, optimale Steigerung der Geschwindigkeit der fast RASENDEN Ziege mit überraschend abruptem RÜCKWÄRTSFLOPP. Für den Ausstellungsbesucher eine beglückende Kombination von Sadismus und Formalismus.
Konzept 2, Die schleichende Angst: Im Ausstellungsareal werden einige nicht allzu giftige Schlangen, welche sich im Grünen gut tarnen, ausgesetzt. Der Ausstellungsbesucher wird zu seinem eigenen Vorteil aufgefordert, seine optische Wahrnehmung zu verstärken.
Konzept 3, Der Mensch als Wühlmaus: Innerhalb eines abgegrenzten Rasenfeldes von ca. 20 x 20 Metern, werden 3 besonders wertvolle Goldmünzen in nicht allzu grosser Tiefe vergraben. Der Ausstellungsbesucher darf mit den blossen Händen grabend-wühlend suchen. Der Finder kann den Goldschatz behalten. Durch diese menschliche Tätigkeit ergibt sich mit der Zeit eine formal chaotische Struktur auf der Erdoberfläche.
KK.182: "Die Grenze des Erkennens", Bibliothek der Universität Irchel, Zürich. Ein Wandbild, in dem 300 Begriffe, vorwiegend aus der Wissenschaft, im Siebdruckverfahren auf die Wand gedruckt wurden. Auf der braunen Holzwand wurden die Wörter in weisser und blauer Farbe so häufig übereinandergedruckt, dass diese gegen oben in eine weisse Fläche übergehen. ABSOLUT, ABSTRAKTION, ABWECHSLUNG, ABWESEND, ABWESENHEIT, ADDITION, ADJEKTIV, ALGEBRA, ALLEGORIE, ALTERNATIVE, AMBITION, AMBIVALENZ, ANALOGIE, ANALYSE, ANATOMIE, ANSCHAUUNG, ANTHROPOLOGIE, ANTIPODEN, ANTITHESE, ARITHMETIK, ARTEFAKT, ASPEKTE, ASSIMILATION, ÄSTHETIK, ASYMMETRIE, ATHEISMUS, ATOM, ATTRIBUT, AUTONOMIE, AXIOM, BALANCE, BASIS, BEDEUTUNG, BEDINGUNG, BEGRIFF, BELLETRISTIK, BESTIMMUNG, BEWEIS, BEWUSSTSEIN, BILANZ, BIOPHYSIK, BOTANIK, BRECHUNG, BRIMBORIUM, BRISANZ, BUDDHISMUS, CHAOS, CHARAKTER, CHEMIE, CHIFFRE, CHRONOLOGIE, CODE, COSINUS, DEDUKTION, DEFINITION, DEFORMATION, DEKADE, DEMOKRATIE, DENKEN, DESOXYRIBONUKLEINSÄURE, DESTILLATION, DESTRUKTIV, DETERMINISMUS, DIALEKTIK, DIALOGE, DIAMETRAL, DIFFERENZ, DIFFUSION, DIMENSION, DING, DISZIPLIN, DOGMATIK, DOPPELT, DREIECK, DUALITÄT, EFFEKT, EGO, EIGENTUM, ELEKTROCHEMIE, ELEMENTAR, EMOTION, EMPIRISCH, EMULSION, ENERGIE, ENTWICKLUNG, ERFAHRUNG, ERKENNTNIS, ERSCHEINUNG, ESSENZ, ETHIK, EVOLUTION, EXISTENZ, EXPERIMENT, EXZENTRISCH, FARBEN, FERMENT, FIKTION, FLORA, FORM, FORMAL, FREIHEIT, FUNKTION, GEDANKE, GEGENSATZ, GEGENSTAND, GEHEIMNIS, GEHIRN, GESCHICHTE, GESELLSCHAFT, GESETZ, GEWICHT, GEWISSEN, GLEICHHEIT, GRAMMATIK, GRUNDSATZ, HARMONIE, HEILIGKEIT, HERMENEUTIK, HISTORISCH, HOMOGEN, HORMONE, HUMANITÄT, HYDRAT, HYPOTHESE, IDEAL, IDEE, IDENTITÄT, IDEOLOGIE, ILLUSION, IMAGINATION, IMPULS, INDEX, INDIFFERENZ, INDIVIDUALITÄT, INFORMATION, INSTRUMENT, INTEGRATION, INTELLEKT, INTENSITÄT, INTUITION, IRONIE, IRRATIONALISMUS, ISOLATION, KAPITAL, KATALYSE, KATEGORIEN, KAUSAL, KINETIK, KLASSEN, KOBALT, KOLLEKTIVISMUS, KOMMUNE, KOMPLEX, KONSEQUENZ, KONSTRUKTIV, KONTRAST, KONZEPT, KORREKTUR, KOSMOS, KRAFT, KREIS, KRITIK, KULTUR, KUNST,
LABIL, LEGALITÄT, LEKTION, LIBERAL, LICHT, LIEBE, LIGANDSPHÄRE, LIQUIDATION, LITERATUR, LOGIK, LSD, LUMINESZENZ, MAGNETISMUS, MANIFEST, MANIPULATION, MASSE, MATERIALISMUS, MATHEMATIK, MAXIME, MAXIMUM, MECHANIK, MEDITATION, MENTALITÄT, METAMORPHOSE, METHAPHER, METHODE, MINIMUM, MODUL, MORAL, MORPHOLOGIE, MUMIMAX, MUSE, MUTATION, MYTHOS, NATUR, NEGATION, NEUTRON, NEUTRUM, NICHTS, NIHILISMUS, NIRWANA, OBJEKT, OBJEKTIV, ONTOLOGIE, OPTIK, OPTIMUM, ORDNUNG, ORIGINAL, ORGANISCH, OSMOSE, PANTHEISMUS, PARADOX, PARODIE, PERIODE, PESSIMISMUS, PHAENOMEN, PHILOSOPHIE, PHYSIOGNOMIE, PIETÄT, PLAGIAT, PLATONISCH, PLURALISMUS, POLARITÄT, POLYAMIDE, POLYEDER, POSITIV, POSITRON, POTENZ, PRÄDIKAT, PROBLEMATIK, PROGRESSION, PROPORTION, PSYCHE, RADIAL, RASTER, RASSE, RATIONAL, RAUM, REAKTION, REAL, RECHT, REDUKTION, REFLEXION, REGEL, REIZ, RELATION, RETORTE, ROTATION, SÄTTIGUNG, SÄUREN, SCHEIN, SCHRIFT, SCHWINGUNG, SEDIMENT, SELEKTIV, SEMANTIK, SEXUALITÄT, SINN, SKEPSIS, SOLIDARITÄT, SOLIPSISMUS, SOZIAL, SPEKTRUM, SPIEL, SPRACHE, STAGNATION, STATIK, SUBJEKTIV, SUBLIMATION, SUBSTANZ, SYMBOL, SYMMETRIE, TAG, TAUTOLOGIE, TENDENZ, THEMA, THEORIE, THESE, TITRATION, TOD, TOLERANZ, TRANSFORMATION, TRANSPARENT, TRANSZENDENZ, UNENDLICH, UNIVERSUM, UTILITARIMSUS, UTOPIE, VAKUUM, VARIANTE, VERHÄLTNIS, VERIFIZIEREN, VERTIKAL, VISION, VITALITÄT, VOLUMEN, WAHRHEIT, WAHRNEHMUNG, WASSERSTOFF, WERTIGKEIT, WIDERSPRUCH, WIRKUNG, ZAHL, ZEIT, ZENTRAL, ZITAT, ZIVILISATION, ZYKLISCH
Aus Versehen wurde bei der Ausführung des Wandbildes ein falsch zusammengesetztes Wort "rückwärts" gedruckt (Film bei der Belichtung seitenverkehrt verwendet):
MUMIXAM = MAXIMUM: Alle Buchstaben sind symmetrisch, darum habe ich dies vorerst nicht bemerkt. Dies habe ich als lustige Fügung gelassen.
KK.183: "Diese Seite, eben diese Buchseite", die Sie jetzt lesen. Alfred Kubin-Gedenk-Stätte im Kubin-Haus, Zwicklededt, Wernstein am Inn. In dem Museum ist bestimmt ein Buch von Kubin ausgestellt, mit dem Titel "die andere Seite". Bereits im vorigen, hier nicht vorhandenen Abschnitt, wurde erwähnt, dass ein Buch in der gängigen Form aus sogenannten Blättern besteht, wovon die Oberfläche beidseitig der Wiedergabe von Buchstaben dient, während das Innere durch und durch gefüllt ist mit Papierstoff. Alle Bestrebungen gipfeln im allgemeinen darin, mit den Buchstaben etwas Sinnvolles zu vermitteln. Die dafür erforderlichen grammatikalischen Regeln brachten gewisse Nachteile mit sich, so dass bei dem hier angeführten Textblatt davon abgesehen wurde...
KK.184: "Zigarette rauchender Totenschädel", Kopie nach van Gogh: Tabakmuseum, Mahlberg. Mit freundlichem Schreiben des Bürgermeisters von Mahlberg, Herrn Heehr. Frage nach Preisvorstellung.
KK.185: "Der vergessene Pazifismus", nach Albrecht Altdorfer, Alexander der Grosse besiegt den Perserkönig Darius in der Schlacht bei Isos (333 v.Chr.), gemalt im Jahre 1529, Alte Pinakothek, München. Es ist nur eine Vermutung, dass für die geschichtswissenschaftliche Konzeption der bayerische Hofhistoriker Aventin (1477-1534) herangezogen worden sei. Ergänzungsdoppelbild von M.S., je 82,5 x 62,5 cm, ein Farbdruck, und ein Farbdruck mit Acrylübermalung.
KK.186: "Dada-Griffitismus von Martin Schwarz", Dort vom handlichen Greifen und da vom begrifflichen Begreifen. Griffitismus oder Secondhand-Dada ist Dada. Ist die Vorrichtung an den Gedanken, um begrifflich zu greifen und handlich zu greifen. Griffitismus ist unbegreiflich, unberührt aus der Luft gegriffen.
KK.187: "Das verlorene NICHTS", Museum unbestimmt. Brief von Dr. jur. Rolf Dittmar an Martin Schwarz am 26. Januar 1979: "Lieber Martin Schwarz! Bitte entschuldigen Sie mein verspätetes Schreiben. Ich hatte Ihre Schweizer Adresse verlegt und musste sie erst wieder aus unserer früheren Korrespondenz heraussuchen. Ich bestätige Ihnen hiermit, dass Sie mir für die Buchausstellung im Museum of Contemporary Art in Teheran im März 1978 Ihre Arbeit "NICHTS" zusammen mit dem "Autographen" von Heidegger überlassen hatten. Das Museum of Contemporary Art hat Ihre Arbeit wie alle anderen Arbeiten versichert, und zwar den Hin- und Rücktransport bei der Frankfurter Allianz, während die Versicherung in Teheran vom Museum selbst übernommen wurde. Ihre Arbeiten wurden zusammen mit allen anderen aus der Documenta stammenden Arbeiten von mir nach Schluss der Documenta am 3.10. der vom Teheran-Museum beauftragten Spedition Schenker übergeben. Soweit mir bekannt, erfolgte der Transport mit einer persischen Militär-Maschine gegen Ende des Jahres. Als ich Anfang März 1978 zum Aufbau der Ausstellung nach Teheran kam und die im Magazin des Museums vorhandenen Werke inventarisierte, musste ich zu meiner Bestürzung feststellen, dass Ihre Arbeit und weitere 27 Arbeiten fehlten. Offenbar war eine komplette Kiste in Verlust geraten. Nach den Erklärungen, die man mir gab, müsse das Museum eine Kiste mit Büchern zu wenig bekommen haben und diese vermutlich an einen anderen Adressaten des mit der Militärmaschine beförderten Transportgutes gelangt sein. Trotz meines unaufhörlichen persönlichen Drängens ist die Kiste mit den verlorenen Büchern bis zur Ausstellungseröffnung nicht herbeigeschafft worden. Dies obwohl mir der Leiter des Museums, Kamram Dibah, ein Vetter der Kaiserin, mehrfach versprach, sich persönlich um die Angelegenheit zu kümmern. Nach Informationen des Museums verliefen die Recherchen erfolglos, weil in Persien der Frühlingsanfang das dortige Neujahresfest ist und sich ein grosser Teil der Adressaten des übrigen Transportgutes der Maschine, die überwiegend zum kaiserlichen Hof gehörten, in Urlaub befanden. Ich habe dann auch nach meiner Rückkehr nach Deutschland wiederholt im Korrespondenzwege auf die Beschaffung der verlorengegangen Bücher gedrängt. Schliesslich teilte man mir im Juni mit, dass die Bücher als verloren betrachtet werden müssten und man den Schaden der Versicherung gemeldet habe. Die Versicherung hat dann ihrerseits vom Museum bestimmte Nachweise in Gestalt von Transportpapieren, Zollpapieren etc. verlangt, die das Museum offenbar bis heute nicht geliefert hat. Ich habe weiterhin sowohl das Museum schriftlich zur Förderung der Versicherungsangelegenheit gedrängt, wie auch andererseits gebeten, die Bemühungen um das Auffinden der Bücher fortzusetzen, da es sich nach meiner persönlichen Auffassung und dem, was ich persönlich während meines Aufenthalts in Teheran gesehen und erlebt habe, einfach um einen Akt der Schlamperei handelt und nach meiner Überzeugung die Kiste tatsächlich irgendwo noch vorhanden sein muss. Nach der Art des Materials halte ich es persönlich für ausgeschlossen, dass die Kiste gestohlen worden sein kann. Leider ist aufgrund der politischen Entwicklung in Teheran meine Verbindung zu dem Museum zwischenzeitlich abgerissen. Offensichtlich hat zwischenzeitlich der aus Ausländern bestehende Stab des Museums Persien verlassen. Es bleibt daher gegenwärtig nichts anderes übrig, als eine Konsolidierung der dortigen Verhältnisse abzuwarten. Ich persönlich bin durch den eingetretenen Verlust am stärksten betroffen, da der überwiegende Teil der Arbeiten im Versicherungwert von mehr als 40'000.- DM aus meiner eigenen Sammlung stammte. Mit freundlichen Grüssen, Ihr Rolf Dittmar."
Weitere Beilage: Schreibmaschinen-Durchschlags-Papier, mit Objekt-Beschreibung von M.S. Gedanken an die nichtgedachten Gedanken, Visualisierung der Schrift von Martin Heidegger "Was ist Metaphysik?"
Aufführung: 1972/76 / Schrift: / Format 21 x 14,5 cm / 52 Seiten / Technik: Wasserfarbe, Acrylfarbe / Brief:
Format: 14,8 x 21 cm / Technik: Hinterglasabdeckung, Acrylfarbe / Die grösste Opposition zu den Darstellungsformen der Kunst und wohl auch ein verwegenes Unternehmen ist der Versuch, das NICHTS als Thema für eine künstlerische Auseinandersetzung zu wählen, weil die Kunst von der Erscheinung von Dingen oder Imaginationen ausgeht, die sich durch die Präsenz von Etwas von dem NICHTS in allem unterscheiden. Schon immer fragten Philosophen nach dem NICHTS, in diesem Jahrhundert wohl am konsequentesten Martin Heidegger, in seinem Buch, "Was ist Metaphysik?", mit der Grundfrage: "Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr NICHTS?" Mich selbst mit dieser Frage befassend, stellte ich mir die Aufgabe, das erwähnte Buch zu illustrieren. Das NICHTS jedoch darzustellen ist unmöglich, so verblieb mir, meinen Anspruch reduzierend, mich ihm zu nähern. Mit meiner Visualisierung habe ich fast sämtliche Informationen aus dem Buch entfernt. Ich habe alle Wörter mit schwarzer Farbe abgedeckt und einzig den Kern des Inhalts, nämlich das Wort "NICHTS" und die Fragezeichen, als kleinstmögliche Information, sichtbar gelassen. Dabei fand ich bei Theodor Wiesengrund Adorno folgende Formulierung desselben Gedankenganges: "Sucht man, wie die Erkenntnistheorie es taufte, in phantasierender Fiktion irgendein schlechterdings nicht seiendes Objekt sich vorzustellen, so wird man nichts zuwege bringen, was nicht in seinen Elementen und selbst in Momenten seines Zusammenhangs reduktibel wäre auf irgendwelches Seiende." Schön wäre es, die Frage nach dem NICHTS als Scheinproblem zu beseitigen. Doch mein Existenzgefühl widerspricht dem, denn manchmal und auch oft wundere ich mich, dass ich bin, das heisst, dass etwas ist, das wahrnehmen kann und nicht nur NICHTS ist. Wenn ich nicht wäre, könnte ich mich nicht wundern, dass etwas ist und dass eigentlich auch NICHTS sein könnte. Wenn ich zurückdenke, weit zurück in meine Vergangenheit, dorthin, wo alles immer mehr der Vergessenheit zugehört und dann noch viel, unendlich viel weiter zurück, weit weg von mir, jenseits von meinen Erfahrungen, so ist immer weniger, und mir scheint, ich stehe vor der Grösse des NICHTS. Und denke ich in die Zukunft - was ist dann? Das NICHTS scheint zu warten. Jedenfalls von meiner vergangensten Vergangenheit und von meiner zukünftigsten Zukunft weiss ich NICHTS. Was bleibt, ist dieses allgegenwärtige Etwas, die Gegenwart von mir und von meinen Wahrnehmungen - und das ist nicht NICHTS. Und ich weiss, in diesem Etwas, meinem Sein, hat es das NICHTS nie gegeben. Trotzdem ist der Gedanke daran vorhanden, weil er sich nicht aus meinem Denken verdrängen lässt. Das NICHTS ist weniger als ein nichtgedachter Gedanke, auch wenn seine Existenz schon endet, bevor diese begonnen hat. Und trotzdem ist es so viel, wie Leonardo da Vinci in seinen Tagebüchern notiert hat: "Das NICHTS hat keine Mitte, und seine Grenzen sind das NICHTS. Unter den grossen Dingen, die unter uns zu finden sind, ist das Sein des NICHTS das grösste." Zitatensammlung zum "Nichts": Städtisches Heimatmuseum Messkirch (In Messkirch befindet sich das Grab von Martin Heidegger). Kleine bedruckte Zettel auf schwarzem Papier in schwarzer Schachtel. Die Grösse der Schachtel wird der sich erweiternden Sammlung von Zitaten zum Nichts angepasst. Die Zitatensammlung zum "NICHTS" umfasst einige Hundert Zitate, die über Jahrzehnte zusammengetragen wurden. Etwas von dieser Fülle ist im Internet einzusehen:
www.martinschwarz.ch/nichtsundetwas/nichts_zitate.htm
KK.188: "Schwarzens schwarze Tastobjekte", Hugo Oderbolz in der Arbeiter-Zeitung Winterthur, August 1969, in der Galerie ABC, am Obertor, Winterthur, stellt gegenwärtig der junge Winterthurer Künstler Martin Schwarz in eigener Regie bis zum 19. August Tastobjekte aus. Der Ausstellungsbesucher wird im ersten Moment vergeblich nach sofort ins Auge springenden Werken Ausschau halten, neigen wir doch alle dazu, Kunst immer mit etwas Sichtbarem gleichzusetzen. Bald wird man aber seine Aufmerksamkeit den nicht ganz zwanzig an den Wänden stehenden schwarzen Würfeln zuwenden, die dazu einladen, auf gut Glück die Hand durch einen Schlitz ins unsichtbare Urneninnere zu stecken. Dabei glaubt man, je nach Fall, mit etwas Weichem, Hartem, Körnigem, Flaumigen - mit etwas Angenehmen oder Unangenehmen in Berührung zu kommen. Es werden Assoziationen geweckt, und mehr und mehr kommt die Phantasie ins Spiel. Das Ertasten erinnert den Teilnehmer an alle möglichen Gegenstände, Bilder und Erlebnisse, die vom Griff ins häusliche Honigglas über die Nacht auf einer Kamelhaardecke zu erotischen Impressionen reichen können. Es fällt auf, dass kleine, nicht ängstliche Kinder, die von ihren Eltern in die Ausstellung mitgenommen werden, das ganze eher lustvoller geniessen als mancher Erwachsene. Dabei ist zu bedenken, dass unsere Kleinen oft einem ursprünglichen Menschsein näher stehen als zum Beispiel ihre Eltern. Die Ausstellung dürfte also auf der gleichen Linie liegen wie das neueste Programm des Zürcher Schauspielhauses, von dem Direktor Löffler jüngst sagte, es werde darum gehen, den Menschen zu erhalten und nicht nur als Konsumierenden, sondern als Kommunizierenden zu sehen, ihn also nicht nur als blossen Zuschauer zu haben, sondern als aktiven Teilnehmer herbeizuziehen. Martin Schwarz hat diesen Frühling mit seiner Ausstellung im "Weissen Haus" ebenfalls in dieser Richtung gewirkt. Dort galt es für den Besucher, durch das Ingangsetzen kinetischer Objekte, aus einfachen Elementen ein für das Auge meist sehr gefälliges bewegliches Bild zu erhalten. Mit den Tastobjekten möchte der Künstler das Tastvermögen, als den am meisten von der Abstumpfung bedrohten Sinn, in starkem Masse sensibilisieren. Philosophisch gesprochen liesse sich also Descartes Ausspruch: "Ich denke, also bin ich", entsprechend abwandeln in ein "Ich taste, also bin ich". Mit dieser Ausstellung, die in ihrer Art noch sehr wenige oder vielleicht überhaupt keine Vorbilder haben dürfte, ist Schwarz in besonderem Masse seiner eigenen Maxime treu geblieben, dass sich Kunst vor allem durch die schöpferische Leistung auszeichnen soll.
KK.189: "Die modernisierten Tapeten des Caspar Wolf", Schloss Horben, Beinwil AG. Mit Detailelementen aus der Malerei werden Computer-Repetitionen erstellt.
KK.190: "Das noch grössere Geheimnis nach Magritte", Grüne Tür mit Körperumriss.
KK.191: "Mein Exlibris", Schloss Burgk. Weit über 30'000 Sammlungs-Stücke von Exlibris-Zetteln.
KK.192: "Eine Münze", Münzkabinett, Schloss Friedenstein, Gotha. Die Kunst- und Wunderkammer des Schlosses wurde schon vor 1656 durch Herzog Ernst I., genannt der Fromme, gegründet.
KK.193: "Imaginationsspielkarte", Schloss- und Spielkarten-Museum, Altenburg. Ein Zimmer nennt sich "Skatheimat" - Altenburg besitzt selbst eine rund 400-jährige Tradition in der Herstellung von Spielkarten und gilt als Wiege des Skat-Spiels, welches hier zwischen 1810 und 1818 entstanden ist.
KK.194: "Der neue Rattenkönig Das alte ganz neu?" Mauritianum, Altenburg. Da Salomon, der Sohn von M.S., Ratten besonders gerne hat, will er einen schönen Rattenkönig malen. Der Altenburger Rattenkönig ist ja mehr ein grauer Haufen getrockneter Ratten.
KK.195: "Glockenmusik-Gemälde", Glockenmuseum, Apolda. Gemälde von Glockenmusik als geometrische Farbkomposition ergibt ein relativ einfaches Gemälde. Als Vorlage für die Umsetzung des Glockenspiels diente der Glockenklang von Oberwinterthur, diese Glocken hat Martin Schwarz selbst am meisten gehört.
Oberwinterthurer Zeit wird zur Kunst, aus Oberi Zytig, Mai 1994, Artikel von Remo Strehler
(Zeit ist Leben und Leben ist Zeit)
Als Sigrist der Reformierten Kirche St.Arbogast gehört es zu meinen Aufgaben, periodisch diverse Kontroll- und Wartungsarbeiten hoch oben im Kirchturm auszuführen. Wer schon einmal die Gelegenheit hatte, den Kirchturm zu besteigen, weiss, dass vor allem der Glockenstuhl mit den sechs imposanten Glocken immer wieder eine besondere Sehenswürdigkeit darstellt. Aber auch der darüberliegende, sogenannte Zeigerboden beherbergt eine überaus interessante Vorrichtung, es handelt sich nämlich um das Gestänge der Zeittransmission. Die langen, waagrecht im Kreuz angebrachten Stangen übertragen, über das zentrale Winkelwerk, die per Funkimpulse übermittelte Zeit auf die grossen vergoldeten Zeiger der vier Turmuhrzifferblätter. Im Zuge der Restaurierungsarbeiten (1976-1981) wurden damals auch die Turmuhren und die Zeigertransmission ersetzt. Seit meinem Dienstantritt (1984) befand sich nun noch immer - als ausgedientes Überbleibsel - das alte Transmissions-Winkelwerk nutzlos da oben im Kirchturm. Je öfter ich das markante Holzkreuz mit der einfachen Mechanik bei meinen "höheren" Wartungsarbeiten dort auf dem Zeigerboden antraf, umso mehr Gefallen fand ich daran! Ich nahm mir vor, dieses auf irgend eine Art einer Wiederverwendung zuzuführen. In der Folge trug ich dann dieses etwa 15 Kilogramm schwere "Winkelwerk auf Holz" aus luftiger Höhe hinunter, um es, in bestimmter Absicht, dem einheimischen Kunstschaffenden, Martin Schwarz, zu übergeben. Der bekannte Objektkünstler liess sich denn auch inspirieren und machte aus dem Zeitwerk ein Kunstwerk! "Uhrwerk" bedeute "Lauf der Zeit" und somit auch "andauernde Veränderung", erläutert er den Ausgangspunkt zu seiner Arbeit. Das entstandene Objekt stellt für Martin Schwarz eine Synthese zwischen Kunst und Wissenschaft dar. Entstanden ist ein Kunstwerk im übrigen, welches weiterhin jederzeit verändert werden kann: Durch drehen der Mechanik erscheinen verschiedene Zitate aus Leonardo da Vincis Werk. Titel des Kunstwerkes, welches im Parterre des Reformierten Kirchgemeindehauses aufgestellt ist: Hommage an Leonardo da Vinci.
KK.196: "Der gemalte Teppich", Arnstädter Schlossmuseum, Arnstadt. Ein grosser Teppich, bei dem die Textilstruktur so weit abgetreten wurde, dass diese nicht mehr zu sehen ist, wird das Muster durch Malerei ersetzt.
KK.197: "Das Spielbild", Friedrich-Fröbel-Museum, Bad-Blankenburg. Friedrich Fröbel ist der Gründer des Kindergartens als Einrichtung. Ein Zusammensetzbild aus dem "Minimal Art"-Erfinder Fröbel, welcher grosse Spielgeräte in Form von Kugel, Walze, Würfel hergestellt hat.
KK.198: "Ein Mineralienbuch", Kreisheimatmuseum, Schloss, Bad Frankenhausen.
KK.199: Der schwarze Martin und der blaue Frühlingshimmel: "Das Lied der Frühlingsboten", für das Eichsfelder Heimatmuseum, Heiligenstadt. Auf das Wirken Theodor Storms in Heiligenstadt wird im Museum besonders hingewiesen. Eine Besonderheit stellt die Naturaliensammlung mit über 400 verschiedenen Vogelarten dar. Bildbeschreibung des Museumsbeitrages: Eine weite Landschaft im Vorfrühling ist mit Telefonmasten durchzogen. Auf den Telefondrähten sitzen Vögel, angeordnet wie die Noten in einer Partitur. Die Sitzordnung ergibt das Lied "Der Frühling lässt sein blaues Band flattern über das weite Land..." (oder so ähnlich). Eventuell: "Alle Vögel sind schon da". Wo da ist, ist da. Beinhaltet jedoch immer die Möglichkeit der Abwesenheit.
KK.200: "Ein Augenschein aus dem Elfenbeinturm", Realisiert für die Orangerie Kassel. Ölbild 80 x 100 cm, 1981, im Besitz der Kunstsammlung des Kantons Zürich. (Der Elfenbeinturm wurde instandgesetzt von Brigitte Caster und Barbara Swiezinski). Anstatt ein direktes Lob wurde Martin Schwarz ein zitiertes Lob zugeeignet: Ein anonymer Schreiber oder eine Schreiberin schrieb in der "Zeitung für die elegante Welt" (26.4.1811). Wenige Tage vor dem Schluss der diesmaligen Ausstellung gab der originelle Landschaftsmaler Friedrich, den vor kurzen die Berliner Akademie der Künste zu ihrem Mitglied ernannte, noch eine grosse Landschaft in Oel auf die Ausstellung, zu welcher bald das ganze Dresdner Publikum zu wallfahrten anfing, und der geist- und gemüthvolle Künstler genoss die Genugtuung, die Wirkung, die er durch diese, jeden Beschauer innigst ergreifende Darstellung bezweckte, in vollerem Masse hervorgebracht zu sehen. (Gemeint ist das 108 x 170cm grosse Bild "Morgen im Riesengebirge", 1810/1811).
KK.201:
KK.202: "Die neue Naturwissenschaft", Ernst-Haeckel-Museum, Jena. Computer-Variationen mit den bestehenden Zeichnungen von Ernst Haeckel.
KK.203: "Ein Bild für Johann Gottlieb Fichte", Romantikerhaus, Jena. Fichtes ehemaliges Wohnhaus.
KK.204: "Der Theaterzettel", Theatergeschichtliche Sammlung, Meiningen.
KK.205: "Brehms Menschenleben", Brehm-Gedenkstätte, Reuthendorf.
KK.206: "Die Natur als Künstler", Saalfelder Feengrotten, einer der farbenreichsten Schaugrotten der Welt.
KK.207: "Ein Sonntagsmalerbild", Waffenmuseum, Suhl.
KK.208: "Der Besuch", Schloss Tenneberg.
KK.209: "Köstliche Mahlzeit", 1975, (übermalte Reproduktion von Binoit). Schuh-Museum, Schloss Neu-Augustusburg, Weissenfels.
KK.210: "Eine seltene Pflanze", Im Garten des Goethe-Hauses, Weimar.
KK.211: "Das Erdschichtenbuch", Naturkundemuseum, Leipzig.
KK.212: "Die grüne Rose", Für das "grüne Gewölbe" in Dresden.
KK.213: "Das Puppenhaus mit Design-Möbeln", Deutsches Ordensmuseum, Bad Mergentheim.
KK.214: "Das utopische Märchen", Deutsches Märchenmuseum, Bad Oeynhausen.
KK.215: "Die Bodenorgel mit kleinen Trittbrettern", Museum für mechanische Musikinstrumente, Baden-Baden.
KK.216: "Statik und Bewegung (nach Vermeer)", Zollern-Schloss, Balingen. Zwei Jahrtausende Waagen-Geschichte stellt das Balinger Museum vor, eine auf dem Kontinent einzigartige Spezialsammlung. Gleicharmige BALKENWAAGEN mit Gewichten gehören wohl dem ältesten Typus an, der jedoch bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch war und auf den grössten Kornmärkten in Holland noch heute verwendet wird.
KK.217: "Schreibmaschinenbuch", Museum historischer Schreibmaschinen, Bayreuth. Mit einem leicht verschlüsselten Textblatt (sich wiederholende Zeichen und Zeilen).
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KK.218: "Die Freiheit des Amor und der Psyche", (nach F.B. Gérard), 1975, Offset-Druck, 70 cm x 50 cm. Deutsches Vogelbauermuseum, Arnsberg.
KK.219: "Der digitalisierte Barock", eine Barockarchitektur von Balthasar Neumann wird geometrisiert (mittels Computerberechnungen).
KK.220: "Das Selbstportrait mit Holzmaserung", Narrenschopf-Fasnachtsmuseum, Bad Dürrheim (bei Rottweil).
KK.221: "Der Tod ringt mit einem Bauer vor einem reifen Ährenfeld", Sensenmuseum, Achern. Das Museum besitzt eine einzigartige Fachbibliothek mit mehr als 200 Büchern über Sensen und deren Herstellung.
KK.222: "Möbius-Schleife mit aufgedrucktem Wagnerportrait", Richard-Wagner-Museum, Haus Wahnfried, Bayreuth. Möbius-Schleife mit aufgedrucktem Wagnerportraits als Illustration von einer Selbstcharakterisierung Wagners. Zitat: "In der Tat fühle ich mich nur wohl, wenn ich ausser mir bin: Dann bin ich ganz bei mir" (Wagner an Roeckel, 1854). Beigefügt ist eine Postkarte mit abgebildetem Buchobjekt: Die Gedanken von Richard Wagner an Mathilde Wesendonk. Eine Richard-Wagner-Büste ist geteilt und dazwischen ein halbgeöffnetes Buch, ...auch Richard Wagner aussen und innen.
KK.223: "Umgebaute Bilder", Bauhaus-Archiv, Berlin. Bildervariationen nach Oskar Schlemmer, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Lionel Feininger.
KK.224: "Künstliche Grotte", Deutsches Bergbau-Museum, Bochum. Bergbauarbeiter in erstarrter Bewegung als künstliche Tropfsteine.
KK.225: "Das menschliche Skelett im Prunkkleid", Staatliches Naturhistorisches Museum, Braunschweig (das erste naturkundliche Museum der Welt). Ein menschliches Skelett in einem Prunkkleid als Pendant und Erweiterung des in der Sammlung befindlichen Objektes "Skelett einer Sumpfschildkröte mit bemaltem Rückenpanzer" (Landeswappen). Das Tier hatte sich Fürst Ferdinand Albert I. (1636-1687) selbst auf Schloss Bevern gehalten. Solche Stücke, an die sich oft persönliche Erinnerungen knüpften, wurden in den höfischen Kuriositätenkabinetten gern unter Glasstürzen verwahrt.
KK.226: "Das Netzschiff", Vokke-Museum, Bremen. Ein "Narrenschiff" mit "Segel" aus Fischfangnetzen als Symbol zur Bewahrung des Fischbestandes in den weiten Weltmeeren.
KK.227: Ein Bild von Martin: "Liselotte von Paula gemalt", Paula-Becker-Modersohn Museum, Bremen. Ein Ölbild, wie wenn Liselotte von Paula gemalt worden wäre.
KK.228: "Exotische Welten, Europäische Phantasien", Zweite Postkartenserie, 16 Karten. Übersee-Museum, Bremen.
KK.229: "Die Erwartung und die Ankunft", Hubschraubermuseum, Bückeburg. Die Erwartung von Gott und die Ankunft eines Hubschraubers, Illustrationen zum Film "Viridiana" von Louis Buñuel.
KK.230: "Das eine Holzobjekt", Kunstsammlung der Veste Coburg, Intarsien Jagdzimmer (sog. Hornzimmer).
KK.231: "Die isolierte Kerze", Feuerwehrmuseum, Waldmannshofen. Die Kerze in der Glasröhre, im grösseren Eisenrohr, in der noch grösseren Steinkreisummantelung, umgeben von einem Wassergraben; bringt höchste Feuersicherheit.
KK.232: "Das mit Wasser ohne Farbe gemalte Aquarell von Emil Nolde", Museum am Ostwall, Dortmund, oder in Seebüll. Ergänzt mit einigen Zitaten zum Nichts.
KK.233: "Die sixtinische Madonna in der Nacht", Gemäldegalerie alter Meister, Dresden.
KK.234: "Das unbekannte Kunstwerk oder eine Titeländerung", Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen. Bestehender Titel von Mervyn Baldwin: "Die Pfeiler der Gesellschaft sind in ihrer Spitze morsch". Wunschtitel: "Die Spitzen der Gesellschaft haben an der Basis gute Wurzeln". Textreflexionen über das Betiteln von Kunstwerken.
KK.235: "Die ersten Wörter", Goethehaus, Frankfurt a.M. Die ersten überlieferten Worte von Goethe, von M.S. illustriert: "Mama".
KK.236: "Die Lichtmadonna", Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt a.M. Eine Madonna aus Bronze hält anstelle des Jesuskindes eine Lichtquelle.
KK.237: "Der Elfenbeinknochen", Deutsches Elfenbein-Museum, Ehrbach. Ein aus Elfenbein geschnitzter Knochen auf schönen Kissen. "Elfenbein" - woher kommt das Wort eigentlich? Genaugenommen ist es eine Verballhornung des lateinischen Wortes "elephantus" (griechisch: elephas) und des altdeutschen Begriffes "pein" für Bein oder Knochen. Aus dem daraus entstandenen "Helphantesbein", später Helffenbein", wurde schliesslich das "Elfenbein".
KK.238: "Zu viele Fragezeichen", Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg. Kleiner Entwurf für den Filmwettbewerb "Die Versuchung des heiligen Antonius" habe ich nicht realisiert, denn die Versuchung war nicht auf der guten Seite. Und jetzt frage ich mich: Was ist gut, was ist schlecht? War ich vielleicht nicht einfach nur zu faul, etwas Max Ernst Ebenbürtiges malen zu wollen? Ist Faulsein schlecht, oder war ich schlecht, so etwas Anmassendes zu wollen? Wann ist es gut, etwas zu lassen? Soll sich ein Künstler um solche moralischen Fragen kümmern? Ist er, solange er bei seinem Handwerk bleibt, sowieso einfach harmlos?
KK.239: "Das Wasserreservoir-Dach", Schwarzwälder Freilichtmuseum, Gutach. Das umgekehrte, riesige Dach eines Schwarzwälder Bauernhauses als Wasserreservoir und als nützliche Holzskulptur.
KK.240: "Das gemalte Rezept", Deutsches Apothekenmuseum, Heidelberg.
KK.241: "Janusköpfige Puppe", Puppenmuseum, Wilhelmsbad. In dem grossen Puppenmuseum steht eine janusköpfige Puppe vor dem Spiegelmöbel. Ganz unoffensichtlich ist ein fantastisches Element gekommen.
KK.242: "Die letzte Katze", Altonaer Museum, Hamburg. Eine Katze im Wasser will auch noch auf die Arche Noah.
KK.243: "Die Gemäldekarten", Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Kleine Gemäldevariationen als Spielkarten.
KK.244: "Fortbewegungskonstruktionen", Fahrzeugmuseum, Marxzell. Das Auto mit lebenden Beinen, das lebende Tier mit Rädern.
KK.245: "Das Bild im Geigenkasten", Geigenbau- und Heimat-Museum, Mittenwald. In einem Geigenkasten ist fugengenau das Bild eines weiblichen Rückenaktes eingepasst (fernes Zitat nach einer berühmten Fotografie von Man Ray).
KK.246: "Der Liebesorden und ein Orden für Unverdientes", Orden-Museum, Neuffen.
Die Zuwendung: Staatsgalerie Stuttgart. Die Frau im Bild Iphigenie II, von Anselm Feuerbach, wendet ihr hübsches Gesicht endlich einmal dem Betrachter zu.
KK.247: "5 Spuren der Tina Ramses", Im unauffindbaren Museum.
Ausgestellt im Kunstmuseum Winterthur 28. November 1976 bis 2. Januar 1977, innerhalb der Dezember-Ausstellung der Künstlergruppe Winterthur. Angaben im Katalog: Nr. 129 Das Haar Objet cherché unverkäuflich / Nr. 130 Die Träne Objet cherché unverkäuflich / Nr. 131 Eine Mahlzeit Objet cherché unverkäuflich / Nr. 132 Das Selbstporträt Objet cherché unverkäuflich / Nr. 133 Das Blut Objet cherché unverkäuflich. Zur Unterstützung der Tina Ramses-Forschung: Nr. 134 Bodenplatte dreieckig Mischtechnik sFr. 8.- / Nr. 135 Bodenplatte sechseckig Mischtechnik sFr. 12.- / Nr. 136 Studie Bodendekoration Mischtechnik sFr. 700.- / Nr. 137 Studie Bodendekoration Mischtechnik sFr. 700.-.
Beigefügtes Papierblatt A4: Einige Legenden zu Tina Ramses. Wie könnte dies auch anders sein, dass ich mich so, wie alle Leute, die ihr begegnet sind oder von ihr gehört haben, fragen musste: Tina Ramses, bist Du wirklich? Eben dies hat sich ein wohl nicht schüchterner alter Mann nicht nur in Gedanken gefragt, sondern er hat die Tina selbst angesprochen. Die schlecht überlieferte, aber trotzdem denkwürdige Antwort soll etwa so gelautet haben: Alles ist wirklich, jeder Gedanke und jeder Traum, weil diese sind. Auch das Nichts ist, und Ihr werdet mir vielleicht eher glauben wenn ich Leonardo da Vinci zitiere: "Unter den grossen Dingen, die unter uns zu finden sind, ist das Nichts das grösste." Nun also, wie könnte ich dann nicht sein? Früher oder auch später hat sie einmal vor mehreren Personen gesagt: Nichts ist so schön wie dieses. "Aber niemand wusste, was sie damit ausdrücken wollte. Keiner von diesen Personen, und so muss dies jemand anders sein, weiss genau und wahrhaftig, wo Tina Ramses sich befindet, und liebenswürdigerweise hilft es jedem der vielen Suchenden, die Tina Ramses mit den folgenden Angaben zu finden: Tina Ramses ist nicht irgendwo aber auch nicht nirgendwo und nichtdestoweniger am Ende der Unendlichkeit. Eine blinde Frau soll einmal gesagt haben: wer seine Augen weiterhin zum Sehen verwenden will, hüte sich vor dem Anblick der Tina Ramses. Dies ist eine freche Verleumdung. Vielleicht ist es ein schwacher Trost, dass dieser Bericht nicht so wahrheitsgetreu scheint, wie der folgende es ist: Besondere Freude hat die Tina an dem Wortspiel: Ach, wie gut, dass niemand weiss, dass ich Tina Ramses heiss! Jedoch wenig kann sie freuen: Ach, wie schlecht, dass jeder meint, dass Ramses Tina gar nie weint! Wie so oft und umso mehr wurden ihr etliche und viele Gedanken gewidmet und zwar Fragen, warum sie dann wohl geweint habe. Dabei entstand der Verdacht, Tina Ramses habe geweint aus Angst, nicht mehr weinen zu können. Vor kurzem hatte ihr ein besonders Neugieriger die Frage gestellt: "Tina Ramses, gibt es eine Übereinstimmung mit Ihnen und der Serpentina in E.T.A. Hoffmanns Buch Der goldene Topf, mit der Figur mit so ähnlich klingendem Namen?" Darauf soll Tina geschwiegen haben.
KK.248: "Das gemalte Brot", Europäisches Brotmuseum, Friedland. Ein über längere Zeit ausgetrockneter Brotlaib wird vorsichtig abgeschliffen und die Risse in der Kruste ausgespachtelt. Das Brot wird weiss grundiert, dann mit Ölfarbe eine möglichst naturgetreue Brotstruktur aufgemalt.
KK.249: "Vogelflieger", Dornier-Museum, Friedrichshafen.
KK.250: "Die Menschenmusik", Mechanisches Musikmuseum, Fuldatal. Der Mensch als mechanisches Musikinstrument. Sensoren beeinflussen durch die menschliche Bewegung einen Ton in der Frequenz.
KK.251: "Der bequeme Segler", Segelflugmuseum, Gersfeld. Ein Vogel lässt sich von einem Modell von Otto Lilienthals Segelflugzeug (Hängegleiter) durch die Luft tragen.
KK.252: "Das innere Bild", Der Gehirnforscher Vernon Mountcastle beschreibt, was da geschieht. Jeder von uns lebt innerhalb des Universums - des Gefängnisses - seines eigenen Gehirns. Von dem gehen Millionen gebrechliche sensorische Nervenfasern aus, die in Gruppen auf einzigartige Weise dazu geschaffen sind, die energetischen Zustände der Welt um uns herum zu sammeln; Hitze, Licht, Kraft und chemische Zusammensetzungen. Das ist alles, was wir jemals direkt davon wissen. Alles weitere ist logische Folgerung. Sensorische Reize, die uns erreichen, werden an peripheren Nervenenden übertragen und neurale Repliken davon gehirnwärts abgesandt....
KK.253: "Der wiederauferstandene Dom", Domvorhalle, Goslar. Die Ausstellungsbesucher stehen unter einer glockenförmigen Haube (Durchmesser ca. 2 m) aus transparentem Mattenkunststoffmaterial. Von aussen wird mit möglichst grosser Präzision ein möglichst genaues Bild des inneren der 1820-1822 abgerissenen Stifts-Kirche St. Simon und Judas projiziert. Die Projektion ist im Inneren der Haube für die Benützer sichtbar, so kann der Eindruck des ehemaligen Kircheninneren wenigstens ungefähr nachvollzogen werden (oder als Cyberspace-Installation realisieren?).
KK.254: "Das Ich und ein Körper", Archäologisches Institut der Universität Göttingen. In die Sammlung von teilweise fragmentarischen Gipsabgüssen antiker Skulpturen wird ein Gipskopfportrait von M.S. integriert und einem schönen, kopflosen Körper angesetzt.
KK.255: "Die Linsen und das Käppchen", Brüder-Grimm-Museum, Kassel. Das Käppchen vom Aschenputtel und die Linsen vom Rotkäppchen.
KK.256: "Die Anti-Tapete", Deutsches Tapetenmuseum, Kassel. Eine Imitation von altem, unaufgefrischtem, grau-schimmeligen, leicht abbröckelndem, geprägtem Mauerwerk als neue Tapete hergestellt. Fotografien von schäbigem Mauerwerk, digital zusammenkomponieren, und so für einen Druck-Rapport vorbereiten.
KK.257: "Die optische Einfügung", Annette-Droste-Hülshoff-Museum, Rüschhausen. Die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff lebte seit 1826 im sogenannten Rüschhaus. Das Museum enthält Erinnerungsstücke aus Annettes Zeit, wie Briefe, Bücher, ihre Kupferstichsammlung bestehend aus 190 Blättern, Nippes, Möbel, einem Reisewagen und einer Holzsammlung aus 190 polierten Plättchen vom Vater der Dichterin. Diese Holzplättchen werden mit 7 kleinen Bildchen mit naturalistischen Darstellungen von Holzstrukturen ergänzt.
KK.258: "Jesus und seine schwarzen Schafe", Deutsches Hirtenmuseum, Hersbruck. Idyllisches Jesusbild, Kunstdruck. Im Bild aus der Jugendstilzeit wurden die weissen Schafe schwarz eingefärbt und eines weiss gelassen. Kommentar von Markus, 21-jährig: "In einer Herde schwarzer Schafe ist ein weisses Schaf das schwarze Schaf."
KK.259: "Eine andere Krone", Kunstkammer im alten Schloss, Stuttgart.
KK.260:
KK.261: "Das Leben in einem Wassertropfen", Museum im Schloss Bad-Pyrmont. (Das Museum veranstaltete bereits mehrere Ausstellungen zum Thema Wasser, unter anderem auch mit Marion Gülzow).
KK.262: "Ein flimmerndes NICHTS und ETWAS", ZKM/Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe. Fernsehgehäuse von ca. 1965, bei welchem die ganze Elektronik ausgebaut wurde, die Rückwand weggenommen, und in das leere Gehäuse auf verschiedenen Ebenen feine Drahtgitter einmontiert sind, mit dem Wort "NICHTS" und dem Wort "ETWAS". Durch die Bewegung des Betrachters beginnen die Wörter zu flimmern.
KK.263: "Das kleinste Kunstwerk", (in der Nano-Welt). CERN, Genf. In der Beilage sehr viele wissenschaftlich-theoretische Blätter, unter anderen die Problematik, dass die optische Wahrnehmung des Menschen die kleinste Materie verändern kann.
KK.264: "Verlorene Namen", Museum für Sepulkralkultur, Kassel. Fotografien, 1978/79, ca. 50 Bilder, 18 x 24 cm.
KK.265: "Der Zufall", Foyer vom Spiel-Casino, Baden-Baden. Dostojewskij und das Roulette.
KK.266: "Das Narrenschiff", Modell für ein rot-weisses Kulturschiff an der Expo01. Schloss Narrenstube, Bondorf im Hochschwarzwald. (Wie es sich für einen Narren gehört, eine völlig verkehrte Platzierung in dem Museum, und ebenso verkehrte Wahl des Museums).
KK.267: "Das zensurierte Plakat unzensuriert", Plakatsammlung des Museums für Gestaltung, Zürich. Presse-Ausschnitt: Tageszeitung "Blick", Zürich, 16. Februar 1977: Anstössig oder nicht? "A.F. Zürich - Drei nackte Männer auf einem Teller - säuberlich daneben das Besteck: das sollen nun Zürichs Kunstfreunde nicht sehen. Zumindest nicht auf Einladung und Plakat zur Ausstellung von Jürg Altherr, Thomas Müllenbach und Martin Schwarz, die ab Freitag in der Städtischen Kunstkammer zum Strauhof zu sehen ist. Dort freilich kann das Bild von jedermann besichtigt werden. Nachdem die Künstler selbst einige Exemplare der beanstandeten Einladungen verschickt hatten, bekam man die Karte auch im Stadthaus zu sehen. Und damit begann der grosse Schreck! Christoph Vitali (36), Chef der Präsidialabteilung, zu der auch der Strauhof gehört: "Wir haben die Karte auch dem Stadtpräsidenten vorgelegt, und obwohl wir das Bild keineswegs anstössig finden, sehen wir es doch als sinnlose Provokation an. Provokation für den Gemeinderat, von dem man das Geld für die Kunstförderung erwünscht. Von dieser Seite ist aber bei solchen Bildern eher eine Interpellation zu erwarten als finanzieller Zuschuss. Im Gespräch mit den Künstlern habe wir dann beschlossen, die Einladungen zu überdrucken, so Vitali. Der überwiegende Rest der 5000 Einladungskarten erreichte seine Empfänger nun ohne Provokation..."
Bildlegende: ... und so wurden die Einladungen verschickt: mit Silber überdruckt (Geheimtip: Halten Sie die Karten gegen Licht...!).
KK.268: "Die fahrbare Strassenbahnstation", Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen. Die Postkarte wurde realisiert für eine Jubiläums-Ausstellung der Galerie Marie-Helene von der Milwe im Museum. Beigefügt sind zwei weitere Postkartenmontagen von "mobilen Immobilien" (Häuser auf Bahnschienen).
KK.269:
KK.270: "Die Unordnung in einer Nacht", Der Text zu dieser Nummerierung wurde in einer Dunkelheit, als Irrtum(?) oder als Fügung(?) zu der KK. 170 eingeordnet!
KK.271:
KK.272:
KK.273:
KK.274:
KK.275: "Kommunikations-Instrument", 1970, Museum für Kommunikation, Berlin. Rekonstruktion mit erweiterten Funktionen.
KK.276: "Eine Aktie vom EigenArt-Verlag". Aktien-Museum, Olten (Schweiz). Ein Ying-und-Yang-Motiv mit ornamentaler Einfassung, in 3 unbunten Farben weiss, grau, schwarz. Pressenotiz vom Juli 2003: "Letzte Woche wurde in Olten das erste Wertpapiermuseum der Welt eröffnet. Das Museum Wertpapierwelt besitzt eine Sammlung von über 7'000 Wertschriften aus mehr als 100 Ländern. Gezeigt werden die Papier in themenbezogenen Wechselausstellungen." Öffnungszeiten: Dienstag und Mittwoch von 9:30 bis 18:00 Uhr. (TA).
KK.277: "Der Glanz - das Elend", Luise von Toscana.
KK.278: "Die Hochzeit mit mir selbst", ein am eigenen Herzen herumgetragenes Foto-Etui. Meine Hochzeit mit mir selbst, 21.12.1978, Fotografie 30 x 24 cm. Hochzeiten (Entwurf):
Ach und Oh! Alpha und Omega! Welch eine Bitternis, immer in der eigenen Haut sich befinden zu müssen, allzunahe beim Ich. Alle diese andern beneidenswerten Männer, die mit einer geliebten Frau sich verheiraten können, in einer glücklichen Zweisamkeit. Immer wieder wurde mir dies schmerzhaft deutlich, wenn ich alte Hochzeitsfotos besah, auf welchen der bedeutende, festhaltenswerte Moment festgehalten wurde. Nun blieb mir lange der Zugang zu diesem scheinbaren Paradies mit der Schlange aus schicksalhaft verworrener Verschworenheit verschlossen. Mit träumendem Denken lässt sich das Schicksal jedoch überlisten. Aus meiner Sammlung von Hochzeitsfotos habe ich mir sieben Bilder ausgesucht. Zwar war ich im Besitz von sieben Brautfotos, an denen nur ein Mangel zu finden war: nämlich dieser, dass der falsche Mann der von mir Auserwählten den Arm oder die Hand reichte. Ich betrachtete die Bilder,und innerlich hörte ich Stimmen aus vergangener Zeit: Dann war mir, wie die zitternde Nadel nach Norden strebt, nach Dir, nach Dir meine Seele bebt, wie sich auch mag das Schifflein wenden, die Fahrt muss in Deinen Armen enden, und: Zwei dunkle Augen, ein purpurner Mund, sind all mein Glück zu jeder Stund. Weiter raunte es in mir, wie könnt ich jemals von Dir lassen, solang mein Herz noch heiss und jung, und sollt der Liebestraum verblassen, bleibt ewig die Erinnerung, doch könnt ich Dein Glück mit Blumen winden, gewiss, Du solltest glücklich sein, ich würde nichts als Kränze binden - und alles Gute mit hinein. Wie üblich heirateten auch wir beide in Schwarz. Nach der ersten, musste ich bald die zweite verlassen, denn sie rauschte hin ins seligste Vergessen, spürte mit ihrem letzten Hauch, ach, wer die Liebe will ermessen, muss in der Liebe sterben auch. An der dritten hat mir nichts gefehlt, nur hatte sie kein Bild, da ich mir keines von ihr machen durfte, und mit diesem Mangel hat mir dann trotzdem etwas gefehlt. Die vierte lachte zuviel. Die Liebe mit der fünften wäre mit dicken Büchern zu beschreiben, und die sechste, wie könnte es anders sein, war mehr mit dem Teufel im Bund als in meinen schmachtenden Vorstellungen. Nur mit der siebten Geliebten konnte immer gelten, ich bin fürs Leben verbunden, denn schliesslich hatte ich bei mir selbst den Himmel auf Erden gefunden.
KK.279: "Eine Illustration zu Elsbeth Stagel", am Standort vom ehemaligen, nicht mehr existierenden Kloster Töss.
KK.280: "
KK.281: "Das erweiterte Schachspiel"
KK.282: "Die Sonnenwolke der Tina Ramses", Urania-Sternwarte, Zürich.
KK.283: "Die Schwarzen Schuhe von van Gogh", mit einer Abhandlung von Martin Heidegger.
KK.284: "Der letzte Wunsch erfüllt" (für Karl Julius Weber, der lachende Philosoph, 1767-1832), Grabplatte mit eingravierter Schrift. Grabstätte-Vervollkommnung:
Karl Julius Weber "der lachende Philosoph", wie er sich selbst nannte, besass eine Bibliothek von 11'000 Büchern. Er bemerkte dazu: "Meine Büchersammlung ist wahrscheinlich das einzige, was mir einst das letzte Stündlein sauer machen dürfte, wie dem reichen Geizhals seine Obligationen und Geldsäcke. Sein Wunsch für seine "das letzte Stündlein überdauernde Grabinschrift" wurde nicht erfüllt. Zitat der Wunsch-Grabinschrift (vielleicht nicht ganz korrekt aus der Erinnerung zitiert): "Hier, dieser Name ist der meine, ich wünschte, es wär der Deine." P.S.: Jemand hat einmal gemeint: Der Tod regelt alles.
KK.285: "Das Buchsteinbett", Nietzsche-Haus, Naumburg.
KK.286: "Die sich selbst tragende Tasche", Museum für Alltagskultur, Sammlung Eva, Ute und Michael Berger, Amorbach und Wiesbaden-Erbenheim.
KK.287: "Ein Mineralienbuch", Museum für Naturkunde der Stadt Gera, im Höhler Nr. 118.
KK.288: "Die Demut und der Kirchenschatz", Beromünster.
KK.289: "Die wundertätige Reliquie",
KK.290: "
KK.291: "Das gefüllte Rabennest", (eine verspätete Devotionaliengabe für Wilhelm Raabe). Objekt mit eingefärbten und vergoldeten Buchseiten mit Patina in bescheidenem Prunkgefäss.
Beiblatt mit Zitat aus: Horst Denkler: "Wilhelm Raabe, Legende-Leben-Literatur" (Max Niemeyer Verlag). "In deutlicher Parallelbewegung zu den öffentlichen Würdigungen trafen bei Raabe Geschenksendungen bekannter und unbekannter privater Absender ein. Neben Büchern, Bildern und Manuskripten begannen sich seit den neunziger Jahren Pakete mit Liebesgaben zu häufen, die auf Magen, Herz oder Kopf abgestimmt waren und dem Empfänger guttun sollten: Selbstgebackenes, -gekochtes, -geschlachtetes oder -geschossenes wie Torte, Baumkuchen, Marmelade, Würste bzw. Wildbret; Delikatessen wie Hummer, Kaviar und (die damals als "Kolonialwaren" noch nicht leicht lieferbaren) Südfrüchte; Genussmittel wie Likör, Wein, Kaffee neben Feinsinnigerem wie eigenhändig hergestellten Papieren für Bucheinbände und selbstgefertigten Stickereien mir Raben-, Lorbeer oder Leiersymbolik; und immer wieder Blumen vom Efeu und Heidekraut über Himmelsschlüssel, Akanthusblüten, Rosen bis zum Dichter-Lorbeer und zu Raabes Lieblingsblume, der Fliederdolde, von ihm "Holunderblüte" genannt. Denn es hatte sich mehrerlei herumgesprochen: dass ihn die deutschen Buchkäufer im Stich und darben liessen, dass er nichtsdestotrotz gern gut esse und trinke; dass ihm persönliche Aufmerksamkeiten und treuherzige Anerkennungsbeweise willkommen seien; und dass er gern einen Blumenstrauss vor sich stehen habe, wenn er schreibe. Doch vor allem wusste Raabe, dass die Fülle der Ehren und Ehrungen insofern zu spät gekommen war, als sie die (aus Altersgründen auslaufende) schriftstellerische Produktion nicht mehr beflügeln konnte; und er tröstete sich damit, dass seine selbsterworbene "Dintengloria" beständiger sei als der von anderen gespendete Tagesruhm. Deshalb überrascht es nicht, dass Raabe sich am besten zu ehren verstand, indem er sich mit einem Schopenhauer-Zitat aus dem Jahre 1856 sein eigenes Denkmal setzte und am 28.7.1899 auf die letzte Seite seines Tagebuches schrieb: "Finale / Ermüdet steh ich jetzt am Ziel der Bahn, / Das matte Haupt kann kaum den Lorbeer tragen: / Doch blick' ich froh auf das was ich gethan, / Stets unbeirrt durch das, was Andre sagen".
KK.292: "Das Retina-Bild", Die Maler beschäftigen sich mit der optischen Wahrnehmung. M.S. ist vielleicht der erste Künstler, der sich mit künstlerischer Absicht dort fotografieren liess, wo wir auch sehen. Bei der lichtdurchlässigen "Wand", zwischen dem optischen Aussen und Innen, bei der Retina. Frage: Wie kann das Retina-Bild in unserem Bewusstsein nocheinmal erscheinen?
KK.293: "Das Keinhorn", (dem Einhorn wurde das Horn abgesägt).
KK.294: "Sammlung biographischer Notizen", für die dunkle Schublade.
KK.295:
KK.296:
KK.297:
KK.298:
KK.299:
KK.300:
KK.301:
KK.302: "Das Selbstbildnis", (keine weiteren Angaben).
KK.303:
Als Nachklang: Der Text hört auf wie vieles Lebendige, als Fragment Unerfülltes, Wehmütiges, Unverständliches, Unheroisches, Leeres, ohnmächtige Buchstaben, wiederholte Vergeblichkeit in unendlicher Zeit, Erinnerung an Liebe...