"Anna-Chronista die Malerin und das plötzliche Himmelszeichen im Dunkel der Augen" (Entwurf, 2004/2005)
..........in meiner Erinnerung, schweife ich nochmals zurück in die manchmal doch so mildtätige Wirklichkeit und zum Anfang, wie ich auf das Schriftenbündel mit den Kärtchen, Zetteln und gefalteten Blättern gestossen bin, von dem ich hier erzählen werde.
Ziemlich früh am Morgen wandere ich unterhalb vom Städtchen Bartenstein am Biergarten der Gaststätte "zum Ettetal" vorbei auf dem moosigen Weg in die Wald-Landschaft. Im Gehölz versteckte Ruinen bezeugen, dass hier vor einigen Hundert Jahren Menschen wohnten. Als ein wenig begangenes Gebiet birgt dies für einen Wanderer in überschaubarem Umfeld alles was sich dieser von einer harmonischen Natur wünschen kann. Schon bald, nachdem ich mich in die "drei Täler" genannte Landschaft begebe, sehe ich am Fusse des einen Hang säumenden Waldes eine riesige, ca. 5 Meter grosse Sintersteinwand. Feuchtes, dunkelgrünes Moos hängt schwer am aufragenden Grund und stellenweise verfärbt sich das Grün in einen leuchtenden orange-ockergelben Farbton und darunter funkeln kleine Rinnsale und an den feinen Flechten glänzen und schillern die Tröpfchen. Der Hang ist noch grösstenteils im Schatten und doch von einer rätselhaften Schönheit. Ein leises Gurgeln und ein feines Plätschern klingt von dem wunderlichen Hain. Einzelne Sonnenlichtflecken im Naturwerk umwerben meine Aufmerksamkeit und die Pracht eröffnet sich beim detailgenauen Schauen. Bezaubert bin ich von dem entdeckten farbig gesprenkelten Käferchen und bin von der kleinen Welt so erfüllt, dass ich mich mittendrin fühle und ich frage mich nicht wie ich dazukomme hier so staunend zu verweilen. Etwas weiter gleitet der Weg über einen Bach der seltsam geordnete Steine als Grund hat, und es lässt sich schwer entscheiden, ob dies ein angelegtes Bachbett ist, oder eine überflutete Strasse. Dann verdeutlichen gemähte Wiesen, dass ich mich nicht in einer unberührten Natur befinde und ich gehe unter Bäumen weiter in das tiefe Tal und überquere wieder das Bachbett auf die Seite gegen den Schattenhang, der bald steil nach oben ansteigt. Weiter aufwärts stehen rechts und links hintereinander die Bäume ähnlich wie Säulen einer Kathedrale und die Äste bilden oben ein Dach in einer Regelmässigkeit wie in einem erdachten, komponierten Muster eines Himmelszeltes. Die Wipfel neigen sich seltsam symmetrisch zueinander und berühren sich und unterstützen so den sakralen Eindruck. Beim Aufwärtsgehen denke ich an den schwarzen Martin, der in meiner Nähe im Schloss Bartenstein wohnt und arbeitet. Wie oft denke ich an ihn? Um es mit dem französischen Schriftsteller Stendhal und seinem Symbol der "Kristallbildung" auszudrücken: Was geht binnen vierundzwanzig Stunden im Kopf eines Liebenden vor? Es ist dies: Wirft man in den Salzbergwerken von Salzburg einen entlaubten Zweig in die Tiefe eines verlassenen Schachts und zieht ihn nach ein paar Monaten wieder hervor, so ist er mit glänzenden Kristallen überzogen. Auch die kleinsten Äste, nicht grösser als der Fuss einer Meise, sind mit zahllosen lockeren, funkelnden Diamanten bedeckt. Der kahle Zweig ist nicht wiederzuerkennen. Kristallbildung nenne ich die Tätigkeit des Geistes, der bei jedem Anlass neue Vorzüge bei der Geliebten entdeckt".
Oben auf dem Hügel angelangt begegne ich einem sehr dicken, massiven Brett auf 2 Pfählen als einfachster, langer Holztisch und darauf plaziert ist ein Bündel Papier, mit gelockerter Schnur ein wenig geöffnet. Dieser wurde wohl auch schon einigemal verregnet und die darin enthaltenen Papiere sind zum Teil gewellt und zusammengeklebt. Eben dieser Haufen, von dessen kunterbunten Inhalt ich hier berichte, und der wohl Martin Schwarz gehörte und auf den sich der Inhalt auch bezieht. Auch bin ich darin auf ein zusammengefaltetes Textblatt gestossen, der dichterisch überhöht seltsam ähnlich ist wie meine Naturerlebnisse auf dem Weg zum hier entdeckten Schriftenbündel, wie wenn eine Person mit denselben Empfindungen die Natur erlebte.... doch vorher noch dieses:
Jetzt, da ich meine Gedanken an Dich richte, aufmerksamer Leser, ordne ich Buchstaben zu Wörtern und diese zu Zeilen. Ich frage mich ob für den beabsichtigten Satz ob die Zeilen dieser Seite zu knapp aneinander stehen und deshalb mehr Abstand hätten haben sollen. Denn durch einen weiten Zeilenabstand wird das Lesen erleichtert, die geschlossene Wirkung jedoch stört. Eine gute Lesbarkeit, ist das erste Erfordernis jeder Druckschrift. Neben einem ausgewogenen Zeilenabstand, kann eine gute Lesbarkeit nur erreicht werden, wenn das Bild eines Buchstabens den zur Verfügung stehenden Raum möglichst ausfüllt, wenn das Bild nicht zu schmal erscheint. Es darf aber deshalb nicht gleich an halbfette Schriften gedacht werden. Schon eine geringe Verdickung der Haarstriche lässt das Bild wesentlich kräftiger und somit lesbarer erscheinen. Das jede Verzierung und Verschnörkelung wegzubleiben hat, ist selbstverständlich, denn durch solch überflüssiges Beiwerk verliert jedes Schriftbild vor allem an Deutlichkeit.
Nun der vorher angekündigte seltsam ähnliche Text:
Fern von Feinden, Missgünstlingen und quälenden Liebschaften, unerreichbar für Lärm und synthetische Farben, wartet ein Ort, der ist mir vertraut und unheimlich zugleich. Dahin führt mich an Abenden mit länger werdenden Schatten vom tiefen Verlöschen eine unerklärliche, sanfte Macht. Da stehe ich geborgen in hohen Büschen, wie keine Burg besser bergen könnte. Wäre nicht hinter den Blättern und Geäst abgrundleere Dunkelheit, dass ein sehendes Auge sowenig zu erkennen vermag wie ein blindes. Verweilend, eine süsse Müdigkeit lockt mich, selbstvergessen bin ich gefangen in der sanften Macht, im unwiderstehlichen Ziehen, dem leichten Stossen mit verstummend fragendem Wohin. Die Dunkelheit erscheint, als läge in ihr meine Heimkehr, und die Erde verspricht mir bei einem Niedersinken innige Wonne wie ein Federbett im Winter, gewärmt mit der Liebsten, vereint im Traum der Ungeborenheit. Zeitlos kommt die Nacht; mein ich verliert sich in dunkelstes Licht, in eine unermessliche Stille in mir, weit hinter mir. Abschied von Allem: Die Hingabe in das endlich endende Sehnen bringt eine wunderbare Fülle von niegeahnt glückseligen Empfindungen voller und voller, trägt mich in einen köstlichen Rausch von namenloser Wollust, mehr und mehr, in ein verklärtes Kristall aus puren Lichtstrahlen, heller und heller, inmitten von ungezählten, riesig wallenden Wogen, in ein strömendes Meer endlosfeinstrukturierter Ornamentbahnen aus zerschmelzenden Wasserfeuerwerken, verwandelnden Lichtbrunnen, transparenten Spiralwolken, wirbelnd und schwebend in niegesehener Schönheit mit lieblichdonnernden Klängen verwebt. Schillerndglimmendes-zitternd-glitzerndes Funkeln, aufbäumend-durchdringendes Niedersinken zerbricht, zerfällt, zerstäubt sich ordnend in eine pulsierende Harmonie tausend tanzender Reigen von Tränen der gesättigten Freude, ewigvereint mit ungebändigt-zarten Küssen von reinen Honiglippen. In dieser grenzenlosen Glorie, einmalig im Wechsel des Unveränderlichen, ist ohne Anfang am Ende der Unendlichkeit alles absolut g....
"Du",
ein laut gesprochenes Wort. Erwachend zwischen hohen Büschen bin ich kraftlos von der Hingabe. Ein falscher Freund steht an meiner Seite, spricht von Glück und Ruhm, Kampf und Geld, Erinnerungen und Erwartungen. Ich nenne ihn willkommen. Gemeinsam belächeln wir den wiedereinmal aufdringlich-kitschig gewesenen Sonnenuntergang, der von einem schlechten Dichter mit viel Pathos beschrieben worden wäre, und in dieser nun nüchternen Nacht verlassen wir ziellos den mir unheimlichen und zugleich vertrauten Ort. Jedoch jetzt in der Wirklichkeit ist es noch ziemlich früh am Morgen und ich nehme mir wieder einige Blätter aus dem Schriftbündel und es wird von einem Atelier berichtet in dem der schwarze Martin vor vielen Jahren lebte (oder sind es Spuren von einem dunklen Märchen?): "Die unbunte Farbe Schwarz", Schloss Schwarzenbach. Im königlichen Schloss Schwarzenbach arbeitete Martin Schwarz zwei Jahre, Sommer 1985 bis Sommer 1987. Nur wenige Minuten vom SBB-Bahnhof Schwarzenbach bei Wil (St. Gallen) steht das stattliche Schloss Schwarzenbach, durch Rudolf von Habsburg im Jahr 1273 erbaut. Im gleichen Jahr trat Rudolf von Habsburg als Hauptmann der Zürcher Truppen (mit denen er zuvor die Uetliburg, Burg Baldern, Burg Wulp im Küsnachter Tobel und das Städtchen Glanzenberg an der Limmat gestürmt und zerstört hatte) zurück, da er Anno 1273 zum deutschen König (des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) gewählt wurde. In der Folge war er gezwungen, das ihm durch seine Wahl übertragene Königsamt gegen den Gegenkönig Ottokar von Böhmen, der sich diese Würde selber zugelegt hatte, zu verteidigen. Mit seinen Stammtruppen, Aargauern, Zürchern, Thurgauern und St. Gallern, sowie mit den aus den übrigen deutschen Landen stammenden Zuzugstruppen zog er Ottokar entgegen, schlug diesen und konnte in der Folge österreichische Lande annektieren. Als König bestätigte Rudolf von Habsburg den Zürchern und den Urkantonen ihre Rechtsunmittelbarkeit und verlieh ihnen weitere Rechte. Er war ihnen, insbesondere den Zürchern, bis zu seinem Tode dankbar und diese sowie die anderen deutschen Lande waren in ihren Geschichtsbüchern bis ins 19. Jahrhundert voll des uneingeschränkten Lobes über ihn. Unser Aargauer und Zürcher Hauptmann gilt als Gründer eines während rund 650 Jahren an der Macht gebliebenen Kaiserhauses, das wie kein anderes in ganz Europa die europäische Geschichte während Jahrhunderten beeinflusst hat. Rudolf von Habsburg muss daher als die geschichtlich bedeutendste Persönlichkeit, die aus der Schweiz stammte, bezeichnet werden. Hier eine Aufzählung von Bildern, die im Schloss ausgestellt werden konnten oder worden sind: "Hommage an die nicht gedachten Gedanken", schwarzes Bild, das Glas rückseitig mit schwarzer Farbe vollständig bemalt, 50 x 50 cm. Eine später erstellte Replik in breitem schwarzen Rahmen, Bildgrösse 100 x 70 cm, ebenfalls Glas rückseitig vollständig schwarz bemalt. "Im Schatten der Nacht gewachsene Nachtschattengewächse": "Atropa Belladonna (Tollkirsche)", "Hyosciamus Niger" (Bilsenkraut), "Datura Stramonium" (Stechapfel), "Atropa Mandragora" (Mandragorawurzel), 1971, Collage aus schwarzem Papier, 50 x 50 cm, Variante: 1971/73 Mischtechnik auf Plexiglas 100 x 70 cm. Im Schloss ist ein Zimmer reserviert für die Nachtigallerator-Kammer von Professor Dr. Abdul Nachtigaller. Dies wäre der dunkelste Ort im ganzen Universum! Schon bei halber Kraft erreicht dieser Generator Werte um 400 Nachtigall - das entspricht der Dunkelheit von 400 luftdicht ineinander geschlossenen Kühlschränken. Der Nachtigallerator, ein Triumph der Dunkelheitsforschung (Nachtigallik), schneidet besonders dunkle sternenlose Stücke aus dem Nachthimmel, filtert sie und füllt sie ab. Zurück bleiben abgrundtief schwarze Löcher über deren Herkunft sich Physiker bis heute den Kopf zerbrechen. Hier ein zusätzlicher Ausstellungsbeitrag zur unbunten Farbe schwarz. Ein noch nicht gemaltes Bild nach Kasimir Malewitsch: Das Romantische und das Absolute. Kasimir Malewitsch gilt als der Erfinder des schwarzen Quadrates für die Kunst. Dieses scheinbar allereinfachste Bild, 79,5 x 79,5 cm zu malen (1914 oder 1915), erschöpfte ihn nach eigener Erzählung so sehr, dass er eine ganze Woche weder trinken, essen, schlafen konnte. 1935, bei seinem Tod, wurde an seiner Grabstätte ein weisser Holzkubus mit einem schwarzen Quadrat auf der Frontseite aufgestellt. Dieser Holzkubus verwitterte und verfiel im Laufe weniger Jahre. Eine Foto zeigt die Grabstätte in einer romantischen Umgebung. Von der Grabstätte existiert eine Fotografie mit Gebüschen und Wiesen einem grossen Baum in der Bildmitte. Diese Idylle ist für Martin Schwarz die Vorlage für das Bild "Das Romantische und das Absolute". Aber nicht nur das Grab von einem berühmten Künstler interessierte den schwarzen Martin. Er empfand die Nähe von Leben und Tod so nahe nebeneinander wie nur durch eine durchsichtige Wand getrennt. Er suchte auch diese Empfindung auf seinen Wegen zwischen fremden Grabstätten, mit manchmal bereits verwitternden oder ganz verlorenen Namen. Er berichtet: Am Abend eines düsteren Tages sah ich auf dem Melaten-Friedhof in Köln einen Grabstein, auf dem der Name "Martin Schwarz", welcher auch mich benennt, eine Weile der Vergänglichkeit trotzt. Empfand der Träger dieses schwarzen Namens vor seiner ewigen Nacht, so wie ich, sich manchmal nur als einen Schatten und sein Leben als einen Irrtum und einen Traum? Suchte er sich selbst, im Dunkeln tappend, oft vergebens? Oder schlich er, wie eine Blindschleiche durch im Schatten der Nacht gewachsene Nachtschattengewächse schleicht, blind durch das Leben? Wurde Schwarz einer schwarzen Seele, eines schwarzen Herzens bezichtigt, weil die Welt es liebt, das Strahlende zu schwärzen, obwohl auch schwarzes Licht nicht schwärzer als schwarz sein kann? Wird vergessen, dass er und ich durch dieses Anschwärzen an Glanz gewinnen, wie das Leuchten der Sterne um so mehr erscheint, je dunkler der klare Nachthimmel ist. Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann, weil viele im Dunkeln munkeln, dass man sich nicht zu dem gesellen soll, durch den man in den Schatten gestellt wird? Kein rabenschwarzes Pech wirft seine Schatten voraus, denn wir sehen nicht schwarz, wenn eine schwarze Katze unsern Weg kreuzt, und wir haben eine weisse Weste als Schwarzfahrer, Schwarzseher und Schwarzarbeiter, so brauchen wir keine nächtlichen schwarzen Messen mit schwarzer Magie im tiefen Schwarzwald. Wir ärgern uns auch nicht schwarz, wenn wir auf schwarze Listen kommen, weil wir im Schwarzen Meer baden oder auf dem Schwarzen Markt kaufen. Nur die düster-schweren Gedanken um die schwarzen Löcher hinter dem Licht im weiten Weltall könnten auch uns umnachten, sind mit dem schwärzesten Humor nicht zu erhellen, und so denken wir lieber an die anderen schwarzen Löcher, die Pupillen, das schwärzeste am Menschen, durch die die Welt in ihrem Licht zu erkennen ist, denn welcher Lebendige, Sinnbegabte, liebt nicht vor allen Wundererscheinungen des verbreiteten Raumes um ihn, das allerfreuliche Licht. Ebenso lieben wir die Finsternis und sagen zu uns selbst: Ja, kehre nur der holden Erdensonne entschlossen deinen Rücken zu! Und zu diesem Schritt sich heiter zu entschliessen, und wär' es mit Gefahr ins Nichts dahin zu fliessen (Goethe). Nicht aus diesem Grunde tagen wir schwarze Kleider, aber auch nicht wie andere nur zu besonders feierlichen Anlässen, denn wir wissen, auch schwarze Kleider machen keine Leute, so wie wir auch wissen, dass, wenn jemand Schwarz heisst und er Maler ist, er deswegen kein Schwarzmaler (mARTin Schwarz) sein muss, denn sonst wären wir, wenn wir Süss heissen würden, unbedingt Zuckerbäcker.
Oder ein Mariengläubiger? Über die Schönheit von einem Namen (Maria) von Alphons von Liguori geschrieben und gesammelt: Der erhabene Name Maria, welcher der Mutter Gottes gegeben wurde, ist nicht auf Erden erfunden worden, auch nicht von dem Verstande oder den Absichten der Menschen erdacht worden, wie dies bei allen anderen Namensgebungen der Fall ist. Er ward vom Himmel gewählt und nach göttlichem Ratschlusse verliehen. Er ist über alle anderen Namen erhaben und verleihet solche Majestät und Macht, dass, so er ausgesprochen wird, alle auf ihren Knieen ihn verehren sollen; der Himmel und die Erde und die Hölle (Dedit tibi, Maria, tota Trinitas nomen quod est super omne nomen, post nomen Filii tui, ut in nomine tuo omne genu flectatur coelestium, terrestrium et infernorum. De Land.B.M.1.1.c.2.). Der Name dieser jungfräulichen Mutter ist ihren Verehrern eine Wonne im Herzen, Honig im Munde, Wohlklang im Ohre. Der ehrwürdige Pater Juvenal Ancina, Bischof von Saluzzo, empfand, wie in seinem Leben erzählt wird, beim Nennen des Namens Maria eine so grosse Süssigkeit, dass er sogar seine Lippen ableckte und eine Frau in Köln habe dem Bischofe Marsilius bezeugt, dass sie, so oft der Name Maria ausgesprochen werde, einen Geschmack im Munde verspüre, der süsser sei als Honig. Richard von St.Lorenz stellte die Frage, warum die Engel nach den Worten des Hohenliedes bei der Himmelfahrt Maria's so oft nach dem Namen dieser Königin fragten und anwortet, weil sie begehrten den ihnen so süssen Namen Maria zu hören (Forsitan quia dulce nomen Sibi desiderant responderi. De Land. B.M.loc.cit.). Doch will ich nicht von der fühlbaren Süssigkeit sprechen, welche für gewöhnlicht nicht Jedermann empfängt, sondern von der heilsamen Süssigkeit des Trostes, der Liebe, der Freude, des Vertrauens, der Stärke, welche der Namen Maria all denen bringt, welche ihn mit Andacht aussprechen. Diese Süssigkeit bezeugte auch der selige Heinrich Suso, als er sagte, dass er im Aussprechen des Namens Maria sich zu solchen Vertrauen erhob und mit so freudiger Liebe entzündet fühlte, dass er nur unter Tränen der Freude diesen geliebten Namen hervorbringe und glaube, es steige sein Herz aus der Brust in den Mund; indem der süsseste Name in den tiefen der Seele wie eine Honigwabe zerfliesse. O süssester Name pflegte er auszurufen, o Maria, was musst du selber sein, wenn schon dein Name so lieblich und gnadenvoll ist!
Jetzt sind wir wieder bei mir, der Anna: zugeneigter Leser, ja ich bin noch da, ich Anna-Chronista die Malerin und verstehe diese Marienbewunderung vom schwarzen Martin wenig und ich muss schmählich eingestehen: - ich bin nicht nur fast, sondern wirklich ein wenig eifersüchtig auf diese unschlagbare Konkurrenz, welche seine Emotionen bindet. Mit Schmerz und auch etwas Agression wende ich mich der Malerei zu. Wie soll ich mein Befinden beschreiben, zu malen, ohne an die Malerei zu glauben, da mein Innerstes vom Martin ganz ausgefüllt ist? Denn alle Leinwände oder sonstigen Bildträger schmücken sich oder bedrängen den Betrachter mit Farbe und Form, ob entstanden im Wettbewerb der Schmierfinke oder als geometrische Konstruktionen in neu renovierten Räumen für mathematische Lehrveranstaltungen. So werde ich nun wieder den Pinsel schwingen und in meiner Sucht nach dem Duft von Terpentin verteile ich die Farbe weiter auf der Leinwand in sich überschlagenden Farbfleckenwellen, in kleinen Pinselstrichen die sich zu grösseren Flächen ergänzen, mit Emotionen begleitetes, rythmisches Schraffieren, wie die Visualisierung von Musik, in einem Farbenfest mit spannender Disharmonie von rythmisch geglückten und missglückten Pinselstrichen. Zerstörte Ornamente, die sich neu arabesk ordnen und in den Details so gemalt sind, wie wenn diese ein imposant-grosses Bild zeigten. Malen und weitermalen bis zur Erschöpfung, bis zum Pinsel weglegen und mich etwas ganz anderem zuwenden. Nein, doch noch weitermalen! Malen und das Tempo beibehalten, zufällige Farbverläufe zulassen. Gefällige Formenlinien unterbrechen um zu erreichen, dass mein Werk eine überraschende Wendung im Duktus erhält. Dann versuche ich unbestimmte Bilder die sich um die Wörter in meinen Gedanken ranken in Farben umzusetzen: Der prächtige Königsmantel mit dem grauen Topf vom armen Tropf. Meine Malerei beginnt wenn die Farben aus der Tube auf meine Palettenteller gedrückt werden. Dies ist der Urgrund aus dem meine Bilder entstehen und auch zu diesen dazu gehören. Der Zufall (gibt es den überhaupt?) gestaltet meine Tellerfarbpaletten und diese Farbmischungen übermale ich teilweise später wiederum und ebenso Dinge die um meine Malwerkzeuge sind.
Nun gehe ich Farbenkaufen. Gehe ich nach links, gehe ich nach rechts? Kaufe ich Farben oder lasse ich es sein? Warum bin ich da und nicht dort, jetzt nicht gestern und nicht erst morgen? Dann völlig unvorbereitet begegne ich Dir und im selben Moment empfinde ich: da steht mein Mann vor mir! Wie ein plötzliches Himmelszeichen und ich bin verwundert, erstaunt und fast erschrocken. Aber warum, warum nur mein Allerliebster, Du mein Mann, als wir uns im Dunkel unseres Blickes versanken, warum, warum zögerten wir uns an der Hand zu nehmen und in Liebe verfallen einen unbekannten Weg zu gehen? Ich weiss, wir beide dachten dasselbe: Da bist Du! ...mein Leben und mein Tod! Was ich nicht weiss, eben warum wir zögerten. Alles hätten wir sein lassen sollen und sofort ein Plätzchen suchen und wenn es nur die Geborgenheit von einem ganz fremden Hotelzimmer ist, denn von liebendem Begehren erfüllt, benötigen wir als erstes und unbedingt das Ausschliessen von aller Welt die etwas anderes als unser Wir ist und das Angenehme von einem weichen Bett um die anfänglich schüchternen Zärtlichkeiten spüren zu können, der feine Hauch unseres Atmens, das Herzklopfen im Zueinander schmiegen, das mit den Finger ineinanderspielen. Das Erleben der Ohnmacht im Glück in einem zeitlosen Jetzt. In der Körperwärme werden uns köstliche Gedanken geschenkt mit gewaltig-feinen Empfindungen. Da bin ich nun gelassen von Dir mein Glück, du mein Martin, allein mit meinen Farben, ohne unser gemeinsames Schauen und Erleben. So will ich mich malen so gut ich kann in meinem schönsten rot - schwarzen Kleid umgebe von geöffneten weissen, textlosen Büchern, die eben nicht einmal berichten können von dem ungelebten Leben. So will ich auf diese Weise mich Dir zeigen und hoffen, Du kannst das Bild bald einmal sehen. Das Bild ist keine Klage, es ist vielleicht das Nichtsein von etwas göttlichem in einer in ein unendliches Nichts führenden Perspektive. Du weisst ja, ich bin, wie man dies nennt - religiös, darum glaube ich, mein Leiden muss einen höheren Sinn haben, ich sehe die Welt nur noch durch eine Tränenwand; aber doch und ach, wenn ich jetzt daran denke, dass Du nicht bei mir bist, steigert sich die Sehnsucht, und wenn ich daran denken muss, dass Du vielleicht niemehr bei mir bist, verwandelt sich die Sehnsucht in eine Angst und mein liebendes Herz befindet sich in einem Labyrinth einer grenzenlosen Verzweiflung und drängend und ziehende Kräfte in meinem Innern lähmen mich, ich kann kaum mehr atmen und nicht mehr weiterschreiben, schreiben, schreiben... schr...
Darum, komm, nimm Dir meinen Stolz. Komm doch nimm Dir meine Ehre, mein Geld, meine Gesundheit, nimm Dir von mir alles, jedoch lass Dich lieben! Zerstöre mich, erniederige mich, missachte mich, jedoch lass Dich von mir lieben. Du Martin, sei noch mehr in meinen Gedanken, Du sei ganz meine Gedanken, sei mein ich und lass Dich lieben!
Aber Du bist nicht da und deshalb vertiefe ich mich weiter in Deinen von Dir gesammelten Texthaufen. Auf dem Gefälle der Papier-Schichtungen auf der Rückseite gegenüber von meinem Sitzplatz ist ein quirliges Leben von Kleinsttieren. Fliegen, Mücken, Marienkäfer und vorwiegend Bienen tummeln, sirren und kriechen. Ein bernsteinfarbener Lebensraum von getränkten Papieren, durchscheinend glänzend und stellenweise in tiefrotem Leuchten und in hellrosa Verfärbungen. Es ist eine Höhle die Wände triefend von Kirschenmarmelade und Honig. Verklebte Seiten aus dem Buch von Maurice Maeterlinck "Das Leben der Bienen" lässt mich an einem königlichen Hochzeitsausflug teilnehmen:
Sehen wir indessen zu, auf welche Weise sich die Begattung der Bienenkönigin vollzieht. Auch hier hat die Natur ausserordentliche Massregeln ergriffen, um die Vereinigung der beiden Geschlechter aus verschiedenen Stöcken zu begünstigen, ein seltsames Gesetz, zu dem sie durch nichts gezwungen wird, eine Laune vielleicht oder Unachtsamkeit, deren Wiederausgleichung die wundervollsten Kräfte ihrer Wirksamkeit verschlingt. Es ist höchst wahrscheinlich, dass, wenn die Natur zur Erhaltung des Lebens, zur Milderung des Leidens, zur Herbeiführung eines sanfteren Todes, zur Fernhaltung der schrecklichsten Zufälle halb soviel Geist aufgewandt hätte, als sie für die kreuzweise Befruchtung und einige andere willkürliche Einfälle vergeudet, das Rätsel des Daseins uns minder unbegreiflich und erbarmungswürdig erschienen wäre, also so, wie es sich jetzt unserer Wissbegier darstellt. Doch wir dürfen unser Bewusstsein und den Anteil, den wir am Dasein nehmen, nicht aus dem schöpfen, was vielleicht hätte sein können, sondern aus dem, was ist.
Die jungfräuliche Königin lebt also in der kribbelnden Enge des Bienenstockes mit einigen hundert sie umschwärmenden Drohnen oder männlichen Bienen, die voller Übermut in stetem Honigrausche leben und keinen anderen Daseinsgrund haben als die Vollziehung eines Aktes der Liebe. Aber trotz der ewigen Berührung der beiden Geschlechter, die überall woanders alle Widerstände überwinden, findet die Begattung niemals im Bienenstock statt, und es ist noch nie gelungen, eine eingesperrte Königin zu schwängern. Die sie umringenden Drohnen kennen sie nicht, solange sie in ihrer Mitte weilt. Sie fliegen aus und suchen sie im Luftraum, in den verborgensten Winkeln des Horizontes, ohne zu ahnen, dass sie sie eben verlassen haben, dass sie mit ihr auf derselben Wabe schliefen und sie bei ihrem ungestümen Aufbruche vielleicht angerannt haben. Man möchte sagen, ihre prachtvollen Augen, die ihren ganzen Kopf mit einem blinkenden Helme bedecken, erkennen sie und verlangen nur dann nach ihr, wenn sie im blauen Äther schwebt. Jeden Tag von Mittag bis um drei Uhr, wenn die Sonne am höchsten steht, fliegt ihre federgeschmückte Horde zur Eroberung der Gattin aus, die königlicher und unvergleichlicher ist als die unerreichbarste Märchenprinzessin, denn zwanzig oder dreissig Stämme sind von allen Stöcken der Nachbarschaft herbeigeströmt und umschwärmen sie: ein Gefolge von mehr als zehntausend Freiern, von denen ein einziger zu einer einzigen minutenlangen Umarmung auserkoren wird, die ihn dem Glücke, aber auch dem Tode vermählt, während alle anderen das engverschlungene Paar als unnütze Begleitung umschwirren und bald darauf umkommen werden, ohne das schicksalsvolle Zauberbild wiedergesehen zu haben.
Ich habe ein nächstes Schriftblatt in Händen.
Ein gewelltes Blatt von der Arche Noah. Von Liebe und Triebe: ....sie, die Anna, ist glühend vor Liebe, und nicht weniger harmlos als ein Jäger der sich durch das Gestrüpp des dicksten Urwaldbusches kämpft. Auf die Zähne beissend mit fast starrem Blick und angespannten Gesichtsmuskeln drängt sie durch städtische Menschenmassen. Anrempeln da, - wegdrängen dort und lebt keine Konventionen. Sie ist voll und ganz der lautere Wille zu ihm zu kommen. Ein wildes, selten-schönes Tier und im Schweiss badend kleben ihr die Haare wie ein wirres Ornament um ihr Antlitz. Das lange, rot-schwarze Kleid, der Rock ist am unteren Saum mehrfach eingerissen, ausgefranst, strassendreckbeschmutzt. Ohne Schuhe, mit roten, aufgeschürften Knöcheln. Ein fieberndes Glück erfüllt sie: Ich will zu Dir! - ich bin bald bei Dir!, - dann können wir uns verschmelzen. Ungeduld, ungezähmt vorwärtstreibend zwischen vielen Fremden, - Gesichter sehen und sogleich übersehen, eigentlich gar nicht sehen. Herzklopfen, Händezittern, ausser Atem sein. Ich will zu Dir! - ich bin nur dieses Wollen und die Erwartung ist schon jetzt der schöne Schmerz der Erfüllung im Beieinandersein. Tapfersein, durchstehen, weitergehen, nicht mehr sehen, - weitergehen - näherkommen.
So berichte ich weiter von durch Wasser gewelltem Papier, oft sind die Schriften völlig ausgewaschen oder nur fragmentarisch lesbar: Von mir steht geschrieben - ich bin es!
Ich bleibe die Närrin im Liebeswahn. Der Geliebte ist überall und spricht durch alle Mitmenschen. Bei allen, die sich verabschieden und sagen: "Auf Wiedersehen", vermeine ich zu hören: "Du wirst ihn bald wiedersehen!" Bekomme ich von einem fremden Chef zu hören: "Auf Sie ist kein Verlass!" verstehe ich: "Der geliebte wird sie nicht verlassen, - bestimmt! "Ja bestimmt, mit jedem wiederkehrendem Atemzug und jedem Regentropfen kommt Du zu mir und bleibst bei mir. Auch jedes Lüftchen weht Dich zu mir, Du mein Windbräutigam - Du streichelst und beseeligst meine Haut und verzückst mein Innerstes. So bist Du da, - leg Dich zu mir in unser Bett und halte mich, komm nahe, erzähl ein wenig, wie es Dir ergangen ist und dann nimm mich.............
Nachtrag von Unbekannt: Es ist mir eine Freude, dass ich berichten kann, die Anna nahm meine psychologische Hilfe an. Ich habe ihr alles erklärt.: Der Lebens- und Liebestrieb als die schönste Krankheit (die einen glauben zwar, es sei das wahre Leben), der Kitsch wie in den französischen Chansons oder den deutschen, schnulzigen Pop-Songs usw. usw. Sie sagte nach jedem Satz nur : "Ach so, Aha, Ach so - ach so". Das Gespräch endete in Schweigen. Sie hatte das Malen gelassen und doch noch zu ihrem Martin gefunden und beide lebten dann bescheiden, zufrieden, ziemlich normal und glücklich zusammen.